Stadtsache Coerde

 
 

#sozialraum

Herausforderungen und Potentiale

In Coerde leben rund 11.000 Menschen, mehr als 25 Prozent sind unter 20 Jahre alt. Coerde ist also ein junger Stadtteil und ein - mit rund 100 verschiedenen Nationen - auch kulturell vielfältiger Stadtteil mit viel Potenzial. Der Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte liegt bei 53 Prozent.

Viele Kinder in Coerde wachsen mit mehreren Sprachen und Geschwistern auf. Sie sind oft geübt darin, frühzeitig Verantwortung zu übernehmen. Dazu gehört, dass sie
für sich und und jüngere Geschwister den Wecker stellen, die Kleinen auf dem Weg zur Schule in die Kita bringen und Pausenbrote besorgen. Dabei kann es durchaus herausfordernd sein, alle Aufgaben unter einen Hut zu bekommen und trotzdem rechtzeitig zum Schulbeginn in der Klasse zu erscheinen.

Potenzialanalyse im Sozialraum

Die Kinder haben das Potenzial ihres Sozialraums untersucht und auf ihrem Weg durch das Quartier verschiedene Orte fotografiert, die ihnen aus persönlichen Gründen wichtig sind. Die Fragestellungen, mit denen ihre Analyse inspiriert wurden, sind auf der Grundlage der Kinderrechte entwickelt und mit den für Kinder wichtigen Aspekten der Typologien der Lebensräume verknüpft worden: Zugänglichkeit, Gestaltbarkeit, Interaktionschancen und Gefahrenlosigkeit.

#beteiligung - Wie wurde geforscht?

Inklusiv

Die Teilnehmenden haben ihre Ideen und Beobachtungen multimodal mit der App #stadtsache festgehalten. Das heißt, die Kinder können unabhängig von
Deutsch- und Schreibkenntnissen ihre Fotos mit Zeichnungen und Sprachaufnahmen kommentieren. Auf diese Weise können sie die Bilder mit Gedanken und Beobachtungen präzisieren, ohne sich auf das Schreiben beschränken zu müssen. Alle Ergebnisse werden in der App auf einer Map lokalisiert und den Fragestellungen zugeordnet. Die Ergebnisse auf der Map in der App lassen sich antippen und aufrufen. Damit werden sie für Stadtplanung, aber auch in der Sozialraum- und Schulentwicklung unkompliziert nutzbar.

Qualifiziert

Die Kombination aus Bildungselementen, Teamarbeit in der Peergroup, Begleitung eines Erwachsenen und das Festhalten der Ergebnisse in digitaler
Form, eignet sich als schnelle und intensive Bestandsaufnahme des sozialen Lebens aus Kindersicht im Untersuchungsraum. Erfasst werden dabei der Ist-Zustand der für die Kinder relevanten Infrastrukturen, ihre sozialen Herausforderungen, brachliegende Ressourcen und kulturelle Aspekte.

Nachhaltig

Basierend auf den Erkenntnissen aus der Potenzialanalyse der Kinder können konkrete Maßnahmen und Lösungen entwickelt werden, um soziale Herausforderungen anzugehen, dier Stärken der Gemeinschaft zu stärken und das soziale Kapital durch Gemeindeprojekte, soziale Dienstleistungen, Bildungsinitiativen, kulturelle Veranstaltungen und andere Interventionen zu fördern.

#ergebnisse - Was wurde herausgefunden?

Die Schule ist Hafen und zweites Zuhause

Die Sicherheit und Stabilität der Melanchthonschule sind von entscheidender Bedeutung für das Wohlbefinden und die Entwicklung der Kinder. Die jüngsten Einbrüche in der Schule haben nicht nur materielSchuleigentum, sondern die vorübergehende Schließung der Schule selbst. Schultage sind für die Kinder Tage der Sicherheit und Stabilität, auf die sie vertrauen können. Die klaren Strukturen, zuverlässigen Abläufe und regelmäßigen Mahlzeiten bieten den Schülern ein Gefühl von Zuverlässigkeit, das in ihrem sonstigen Umfeld möglicherweise fehlt.

Orte der Bildung sind auch Orte der Selbstwirksamkeit

Die Schule und außerschulische Bildungsorte sind nicht nur Orte des Lernens, sondern auch Räume, in dem die Kinder einfach Kinder sein dürfen, ohne mit Verantwortungen konfrontiert zu werden, die sie überfordern, weil sie nicht altersgemäß sind. Es ist wichtig, dass Kinder diese Ankerpunkte haben, weil sie hier die Freiheit haben, Kind zu sein und zugleich Momente der Zuwendung erleben. Darüberhinaus profitieren die Kinder in besonderem Maße von kreativen Aktivitäten und Projekten. sowie freien Spielzeiten. Denn all das gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Talente zu entfalten und ihre Fähigkeiten zu entwickeln, während sie gleichzeitig ein Gefühl der Selbstwirksamkeit und Erfüllung erleben.
Viele Eltern im Stadtteil haben aus verschiedenen Gründen große Ängste um die Sicherheit ihrer Kinder. Daher dürfen auch größere Kinder selten allein unterwegs sein. Es besteht daher ein Bedarf an Spielplätzen, die über Angebote für alle Altersgruppen verfügen. Diese Spielplätze sollten so gestaltet sein, dass sie ein sicheres und ansprechendes Umfeld bieten, das es kleinen Kindern und zugleich ihren älteren Geschwistern ermöglicht, sich frei zu entfalten und zu spielen, während Eltern Sitzplätze finden, die vor Sonne und Regen schützen. Zu dem ist die Bereitstellung gepflegter öffentlicher Toiletten wichtig. Ein qualitativ hochwerter Außenraum ist in Coerde besonders dann wichtig, wenn sich viele Familienmitglieder eine kleine Wohnung und Geschwisterkinder ein Zimmer teilen.

Bildung kann den Stadtteil stärken

Fehlende Sauberkeit wurde von den Kindern als größter negativer Einfluss auf ihr Wohlbefinden identifiziert. Von den Kindern wurde daher ein Bildungsprogramm für Erwachsene mit großem Nachdruck vorüber die bloße Abfallentsorgung hinausgeht. Es erfordert einen umfassenden Ansatz, der auf Gemeinschaftsbildung und Bildung setzt, um langfristige Veränderungen im Verhalten und in der Einstellung zu bewirken. Die Stärkung des Stadtteils und die Steigerung seiner Lebensqualität können durch Community Education als effektivster Hebel erreicht werden.

#bildungslandschaft - Lernen außerhalb von Schule

Die Kinder haben sowohl traditionelle als auch unkonventionelle Orte entdeckt, die sich zum Lernen eignen: von Dritten Orten wie Bibliotheken und Kultur-Institutionen bis hin zu Parks und Beet-Patenschaften. Auf diese Weise wurde ein großer Teil der Bildungslandschaft in Coerde dokumentiert, die außerhalb des Klassenzimmers existiert. Ein erwünschter Nebeneffekt dieser Fragestellung war, dass die Kinder direkt aus der Peergoup neue Orte kennengelernt haben, die sie zu Fuß erreichen können, aber bislang nicht genutzt haben. Das heißt, allein aufgrund des gemeinsamen Spaziergangs wurden Verabredungen getroffen, die zu mehr Teilhabe an kulturellen Möglichkeiten im Stadtteil führen können.

Mit Klick auf das Bild sagen die teilnehmenden Kinder etwas zum jeweiligen Ort - die Audios öffnen in neuem Fenster.

 

#wohlbefinden - Gute Orte | Schlechte Orte

Neben dem differenzierten und wertschätzenden Blick der Kinder auf ihren Stadtteil, durchdringen Freundlichkeit und Humor ihre Beiträge. Hinzu kommt ihre 360°-Perspektive, die alle Generationen mitnimmt, um für alle Menschen den Stadtteil zu verbessern. Die ausgewählten Beispiele sind repräsentativ für die insgesamt 185 Beiträge in der App.

Mit Klick auf das Bild sagen die teilnehmenden Kinder etwas zum jeweiligen Ort - die Audios öffnen in neuem Fenster.

 

#zugehört - Was bewegt die Kinder?

Neben der Untersuchung des Stadtteils wurden auch Einzel- und Gruppeninterviews mit den Kindern durchgeführt. Dabei zeigte sich eine breite Palette von Themen, die sich wiederholten, darunter der Wunsch nach einer besseren Aufklärung über Müllentsorgung. Besonders bemerkenswert war die einheitliche Betonung der Notwendigkeit, Verhaltensänderungen bei den Menschen herbeizuführen, um das Problem zu lösen.

Ebenso fiel auf, wie häufig die Angst vor dem Krieg thematisiert wurde und der dringende Wunsch nach Frieden, der sehr deutlich geäußert wurde. Viele Kinder dürfen sich nicht frei in Coerde bewegen, da ihre Mütter große Sorge um ihre Sicherheit haben. Die Angst um die Kinder beruht möglicherweise weniger auf Erfahrungen in Coerde selbst, sondern vielmehr auf Erfahrungen, die in den Herkunftsländern vieler Familien gemacht wurden.

Zitate der Kinder aus den Interviews:

"Frieden ist das Wichtigste. Frieden ist das Allerwichtigste."

"Coerde ists schon gut, aber ich würde es mit neuen Sachen verschönern. Neue Trampoline!"

"Ich mag nicht, dass schlimme Wörter auf die Wände gemalt sind. Sonst ist alles gut."

"Es ist nicht schön, dass hier so viele Dinge schmutzig sind."

"Ich mag es nicht, wenn keine Schule ist."

"Es sollten keine Zigaretten und kein Alkohol verkauft werden, weil das nicht gut ist."

"Man könnte die Menschen hier mit Wörtern verändern und sagen: 'Denkt doch mal an die Umwelt!'"

"Ich spiele an der Meerwiese und am Kanal. Zuhause spiele ich Playstation."

"Die alten Menschen brauchen Bänke, damit sie sich ausruhen können."

"Ich hoffe, es kommt kein Krieg."

"Wenn ich schlafen gehe, mache ich immer die Fenster zu, weil ich das nicht hören will, weil es so laut ist."

"Weniger Müll!"

"Wir machen uns Zäune und Büsche als Tore beim Fußball spielen. Das ist gut!"

"Coerde ist ein bisschen cool. Uns es würde noch cooler sein, wenn man den Obdachlosen helfen würde."

"Ich darf nicht alleine raus, weil meine Mama sagt, es könnte mich jemand klauen."

"Ich habe vier Geschwister und ich teile mir mit meiner Schwester ein Zimmer."

"Es fehlen draußen Toiletten, die man benutzen kann."

"Als es beim Edeka gebrannt hat, das war schlimm!"

#potenziale - Wie geht es weiter?

Nach Abschluss des Projekts #stadtsache haben die beteiligten Kinder ihre Ergebnisse an Oberbürgermeister Markus Lewe überreicht. Das Team der Projektgruppe "Zukunft Coerde" sorgt dafür, Anregungen und Ideen an die zuständigen Stellen in der Verwaltung weiterzugeben.

Ein großes Thema im Rahmen der Begehung des Stadtteils durch die Schülerinnen und Schüler war der Umgang mit Abfall. Viele der Kinder ärgern sich über liegengebliebenden Müll und Unrat. Gemeinsam mit Oberbürgermeister Markus Lewe und den Abfallwirtschaftsbetrieben Münster (AWM) haben rund 100 Schülerinnen und Schüler der Melanchthonschule daraufhin im September 2024 Grünflächen, Schulhöfe und Plätze rund um den zentral gelegenen Hamannplatz von Abfall befreit. Im Anschluss an die Sammelaktion informierte Nicolai Meyer, Nachhaltigkeitspädagoge bei den awm, die Schülerinnen und Schüler über die Vermeidung, richtige Trennung und Verwertung von Abfall. 

Im Rahmen der kommunikativen Quartiersentwicklung empfiehlt sich die Implementierung einer innovativen Informationsplattform in Form einer großen Stele. Sie soll als zentraler Anlaufpunkt dienen, um die vielfältigen Potenziale und Angebote des Stadtviertels sichtbar zu machen und die Bewohnerschaft aber auch Gäste über die vorhandenen Ressourcen zu informieren.

Die Inhalte, die über die QR-Codes multilingual und unter Berücksichtigung unterschiedlicher kultureller und sprachlicher Hintergründe zugänglich gemacht werden sollen, umfassen eine breite Palette von Informationen über die vorhandenen Einrichtungen, Dienstleistungen, kulturellen Angebote, Veranstaltungen und Gemeinschaftsinitiativen im Stadtviertel. Dies kann beispielsweise Informationen über lokale kulturelle Einrichtungen, Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen, öffentliche Verkehrsmittel, Grünflächen, Spielplätze und vieles mehr umfassen.

Eine solche Informationsplattform bietet zahlreiche Vorteile. Sie schafft eine zentrale Anlaufstelle für Informationen, fördert die Wahrnehmung der Potenziale des Stadtviertels, verbessert die Zugänglichkeit und Inklusion von Informationen für eine vielfältige Bevölkerung und unterstützt die Stärkung der Gemeinschaft durch die Förderung von lokalen Ressourcen und Angeboten.

Aktuell wird die Umsetzbarkeit einer solchen Info-Stele - besonders auch in finanzieller Hinsicht - geprüft.

Zahlreiche weitere Anregungen der Schülerinnen und Schüler fließen in die bereits bestehende Schwerpunktsetzung der im Stadtteil agierenden städtischen Ämter ein.

#ausblick - Was ist außerdem geplant?

Seit dem Jahr 2022 steht fest, dass ausgewählte Maßnahmen aus dem InSEK Coerde mit einer finanziellen Unterstützung durch das Städtebauförderprogramm "Sozialer Zusammenhalt" des Landes NRW umgesetzt werden können.

Es sind für die nächsten Jahre verschiedene Baumaßnahmen im Stadtteil geplant, die einen erheblichen Einfluss auf die Wohn- und Lebensqualität im Stadtteil haben werden. Dazu gehören folgende Projekte:

  • Neubau eines multifunktionalen Stadtteilhauses am Hamannplatz
  • Neubau der Melanchthonschule
  • Errichtung einer kombinierten Skate- und Pumptrackanlage
  • Neubau eines Spielplatzes am Hamannplatz

#danke

Die Aktion #stadtsache in Coerde wurde mit freundlicher Unterstützung und Begleitung des Unternehmens Stadtsache durchgeführt, die für diese Homepage auch die Audios mit den dazugehörigen Fotos sowie das Titelbild bereitgestellt haben.
Herzlichen Dank!

Weitere Informationen:
www.stadtsache.de

Fragen oder Anregungen? Melden Sie sich:

Dezernat des Oberbürgermeisters

Kathrin Freund

Projektleitung Coerde-Zukunft

Freund@stadt-muenster.de
02 51/4 92-60 24