Admiral-Scheer-Straße
Reinhard Scheer (1863 - 1928) Admiral der Kaiserlichen Marine, 1918 Chef der Seekriegsleitung.
- Eintrag in der
Neuen Deutschen Biographie Reinhard Scheer
Aus dem Gutachten der Bezirksvertretung Münster-Mitte 2021:
1936 wurden in dem neugebauten Viertel zwischen Warendorfer Straße und Prozessionsweg ein
thematisches Cluster mit Straßennamen gebildet, die an den Seekrieg im Ersten Weltkrieg
erinnern (neben der Admiral-Scheer-Straße die Admiral-Spee-, Otto-Weddigen- und
Gorch-Fock-Straße sowie die Skagerrakstraße).
Carl Friedrich Heinrich Reinhard Scheer, geboren am 30. September 1863 in Obernkirchen (Hessen-Nassau), gestorben am 26. November 1928 in Marktredwitz, ist vor allem durch seine Rolle bei der Schlacht vor dem Skagerrak am 31. Mai 1916 und der Erteilung des letzten Auslaufbefehls an die kaiserliche Kriegsmarine im Oktober 1918 bekannt, der letztendlich zum Aufstand der Matrosen in Kiel führte.
Seit 1879 Kadett in der Kaiserlichen Marine, nahm er 1884 bis 1890 an mehreren Expeditionen zur vollständigen Inbesitznahme der neu erworbenen Kolonien in West- und Ostafrika sowie in der Südsee teil. Er wurde Referent in der Torpedoversuchskommission (1890–94), später Mitarbeiter (1897–1900) und Chef der Zentralabteilung des Reichsmarineamtes (1903–07) bzw. Departementdirektor (1911–13). Zu Beginn des Jahres 1916 wurde er Nachfolger des verstorbenen Flottenchefs Admiral Hugo v. Pohl.
Unter seinem Kommando plante die deutsche Hochseeflotte einen strategischen Vorstoß gegen die britische Grand Fleet, durch abgefangenen Funkverkehr führte dieser zur Schlacht vor dem Skagerrak am 31. Mai 1916. Der Ausgang der Schlacht, bei der die deutsche Seite weniger Verluste zu verzeichnen hatte als die britische, wurde im Kaiserreich als Sieg und Scheer als Held gefeiert. Scheer befürwortete auch weiterhin und gegen die Bedenken des Reichskanzlers die Wiederaufnahme des verschärften U-Boot-Krieges v.a. gegen bewaffnete britische Handelsschiffe.
Am 5. September 1917 wurden mit seiner ausdrücklichen Zustimmung zwei umstrittene Todesurteile gegen die der Meuterei beschuldigten Matrosen Max Reichpietsch und Albin Köbis vollstreckt. Diese werden auch in der heutigen Forschung aufgrund von Verfahrensfehlern und Ungereimtheiten im Verhalten der Marineführung als „Justizmord“ bezeichnet. Im August 1918 wurde Scheer zum Chef des Admiralsstabs und der neugegründeten Seekriegsleitung ernannt. Obwohl auch er die militärische Lage als aussichtslos einschätzte, stimmte er dem Plan zu, die gesamte Flotte Ende Oktober 1918 in eine letzte große Seeschlacht gegen die Grand Fleet auslaufen zu lassen. Der Plan konnte aufgrund des Widerstandes der meuternden Mannschaften nicht mehr durchgeführt werden.
Im Dezember 1918 schied er aus der Marine aus, in den folgenden Jahren distanzierte er sich öffentlich von Ludendorff und stand der Republik nicht grundsätzlich feindlich gegenüber. In den späten 1920er Jahren engagierte er sich wieder vermehrt für die Marine bzw. ihr Ansehen in der Gesellschaft: „Für deutsche Seemannsehr, für Deutschlands schwimmend’ Wehr, für beider Wiederkehr” lautet die Widmung des Marineehrenmals in Laboe, dessen Grundstein er legte. Damit wurde er für nationalkonservative und rechte Kreise auch wieder als Symbolfigur vertretbar, nachdem ihn zuvor Kontakte zum Beispiel zu Walther Rathenau in deren Augen unmöglich gemacht hatten. 1928 war Scheer der Wunschkandidat Hindenburgs für die Nachfolge im Amt des Reichspräsidenten. Er starb jedoch bereits im November 1928 vor einer etwaigen Kandidatur.
Mit dem Namen Admiral Reinhard Scheer wurde der Sieg über die wichtigste Seemacht der Welt, Großbritannien, verbunden. Er stellte die Verkörperung von überlegener deutscher Technik und Strategie sowie Entschlossenheit und Wagemut dar, die vereint auch scheinbar übermächtige Feinde niederringen konnten. Die Redewendung „Zur See unbesiegt” konnte aufgrund der Schlacht vom Skagerrak weiterhin tradiert werden. Nach Scheer selber wurde 1933 das zweite neugebaute Panzerschiff der Kriegsmarine benannt, das am 31. Mai 1937, dem Skagerrak-Tag, das „rote“ Almeria beschoss und damit in den spanischen Bürgerkrieg eingriff.
Nach dem Beschluss des Ausschusses zur Umbenennung von Straßen in Münster vom August 1947 hätte die Admiral-Scheer-Straße gemäß der Kontrollratsdirektive Nr. 30 vom 13. Mai 1946 über die Beseitigung deutscher Denkmäler und Museen militärischen und nationalsozialistischen Charakters zusammen mit der Admiral-Spee-Straße, dem Alfred-Krupp- Weg, dem Fehrbellinweg, der Langemarckstraße, der Manfred-von-Richthofen-Straße, der Otto-Weddigen-Straße, der Ostmarkstraße, der Skagerrakstraße und der Tannenbergstraße umbenannt werden sollen. Der DGB forderte 2011 eine Umbenennung der Admiral-Scheer-Straße.
In Westfalen wurden zwischen 1933 und 1945 in zehn weiteren Städten neben Münster Straßen nach Admiral Scheer benannt. Mit Ausnahme von Münster wurde der Straßenname in allen diesen Städten nach 1945 geändert. In Köln wurde die Admiral-Scheer-Straße nach dem zweiten Weltkrieg umbenannt. Die Geburtsstadt Scheers plante 2019, an dessen Geburtshaus einen kritischen Hinweistext anzubringen. In Freiburg beschloss der Rat einstimmig, den Straßennamen beizubehalten.
Weitere Informationen zum Thema:
- Prüfbericht zu Straßen aus der NS-Zeit im Bereich der BV Münster Mitte (von A. Schwitanski, 2021)
- Aktuell diskutierte Straßennamen
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