Am Wigbold
Benannt nach dem Wigbold Wolbeck.
Der Wigbold Wolbeck war neben dem Kirchspiel Wolbeck eine eigenständige Gemeinde. Der Ort
Wolbeck wurde urkundlich erstmals 1310 erwähnt, hatte aber schon Jahrzehnte zuvor die einzelnen
Wigboldsrechte, so u.a. Marktrecht, Befestigungsrecht, eigene Gerichtsbarkeit und
Selbstverwaltungsrecht bekommen. Der Titel Wigbold wurde 1957 mit der Zusammenlegung
mit der Gemeinde Kirchspiel Wolbeck aufgegeben.
Quelle: Kreisheimatpfleger, Schreiben vom 17.1.1971, Seite 3 ff
Von Wik-Orten, Wigbolden und dem Weichbild
"Alle Frauen, die - mit tausend Reizen ausgestattet -
durch das Weichbild unserer Stadt lustwandern,
die habe ich nicht lieb,
denn die sind nicht mein Typ!"
So sangen einst Heinz Erhardt und später Götz Alsmann im Schlager Miss Mable. Das
Weichbild einer Stadt, durch das man flanieren kann oder das zur Bewunderung anregt -
diese Formulierung klingt altmodisch, ist aber vielen noch vertraut. Mit Weichbild
meint man in diesem Zusammenhang so viel wie das Stadtbild, die äußere Erscheinung einer Stadt.
Was ein Wigbold ist
In Westfalen kennt man das Wort in seiner niederdeutschen Form Wigbold. Einige
münsterländische Gemeinden wie Olfen, Ochtrup und Ottenstein bezeichneten sich noch vor 100
Jahren offiziell als Wigbold. Nienborg, Schöppingen und Südlohn legten die Bezeichnung
sogar erst mit der Großgemeindebildung 1969 ab.
Ähnlich wie heute noch Flecken in Niedersachsen und Markt in Bayern, stand
Wigbold in Westfalen für einen Ort, der eine rechtliche Zwischenstellung zwischen Dorf
und Stadt einnahm. Ein Wigbold war mehr als nur ein Dorf, aber auch keine richtige Stadt. Doch
während man sich noch zusammenreimen kann, wie die Bezeichnungen Flecken und
Markt zustande kamen, so fällt eine Erklärung für das Wort Weichbild oder
Wigbold schwer.
Der Namensbestandteil -bild hat in diesem Zusammenhang nichts mit dem Bild zu tun, das
man sehen, zeichnen oder fotografieren kann, auch nicht im übertragenen Sinne. Das Wort
Bild in Weichbild ist vielmehr ein sprachliches Fossil. Im Mittelalter
bedeutete es so viel wie Recht. Der Gleichklang mit unserem Wort Bild wird aber der Grund dafür
sein, dass Weichbild später zum Synonym für das Bild, die äußere Erscheinung einer
Stadt werden konnte.
Weichbild oder Wigbold war in der mittelalterlichen Bedeutung das Recht
der Wik. Das führt natürlich zu der Frage "Was ist eine Wik?"
Ein uralter Handelsplatz?
Lange Zeit meinten Historiker die Antwort zu kennen: ein früh- und hochmittelalterlicher
Handelsplatz. Paradebeispiele waren alte Handelsorte wie Schleswig, Bardowick bei Lüneburg und
Braunschweig, früher Brunswik. Wik schien verwandt zu sein mit dem
lateinischen Wort für "vicus", das im Frühmittelalter genau für solche Marktorte
verwendet wurde. Hierhin kamen die Fernhändler mit ihren Tuchen und Pelzen, Waffen und Schmuck,
schönen und nützlichen Dingen.
Doch Münsteraner Forscher meldeten dagegen Bedenken an, denn aus eigener Anschauung kannten sie
die zahlreichen Höfe, Bauerschaften und Orte in Westfalen, aber auch am Niederrhein und in den
Niederlanden, deren Namen auf "-wig", "-wik", "wick", "wijk" und ähnlich enden. Zum
Beispiel Bestwig, Dellwig, (Oer-)Erkenschwick, Günnewig, Sundwig und viele andere. Mehr als 500
solcher Namen hat man gezählt. Nur der Herforder Stadtteil Radewig und das niederländische Wijk
bei Dordrecht lassen sich tatsächlich mit mittelalterlichem Fernhandel in Verbindung bringen.
Handelsplatz kann also nicht die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Wik
gewesen sein. Doch was war es dann?
Der Zaun macht die "Town"
Der spätere Archivar am Landesarchiv Münster, Leopold Schütte, hat seine 1976 veröffentlichte
Doktorarbeit dieser Forschungsfrage gewidmet und kam zu einem ganz anderen Ergebnis. Demnach
hat sich das niederdeutsche Namenwort "Wik" aus dem Adjektiv wik -
weich entwickelt. Pate standen die "weichen" also biegsamen Gerten, mit denen man
Zäune schuf - Flechtzäune, aber auch lebende Zäune bzw. Hecken. Von dem Zaun, der die Siedlung
schützte, übertrug sich die Bezeichnung auf die Siedlung selbst. Im Englischen hat sich das bis
heute gehalten: Das englische Wort town für Stadt ist eng mit dem deutschen
Wort Zaun verwandt. Bei seiner Untersuchung fand Leopold Schütte aber noch etwas
heraus, was mit der Agrargeschichte Westfalens zu tun hat: Orte, deren Namen auf
"-wig" enden, waren im Früh- und Hochmittelalter noch Einzelhöfe mit geschlossenem
Grundbesitz.
Bei solchen Höfen handelte es sich sehr häufig nicht um bäuerliche Anwesen, sondern um die
Gutshöfe eines weltlichen oder geistlichen Grundherrn. Solche Gutshöfe und ihre Bewohner waren
aus der allgemeinen Gerichtsbarkeit herausgenommen. Die Richtergewalt endete also am Zaun
dieser Wik. So wurde Wik zum Synonym für Sonderrechtsbezirke.
Im 12. Jahrhundert begannen die Grundherren, auf ihren Gutshöfen Land an Siedler zu vergeben,
vorzugsweise an Handwerker und Händler. Anders als die leibeigenen Bauern waren diese Siedler
freie Leute - sie erhielten ihr Land zu einem besonderen Recht, dem Recht der Wik. In den
lateinischen Urkunden heißt es: "ius quod dicitur wikbelde", das Recht, das man
Weichbild nennt. Das Weichbild eines Ortes bezeichnet also dessen Rechtsbezirk.
Bald darauf hießen die Siedlungen selbst so: "wikbelde", "Wigbold",
"Weichbild". Manche Weichbilde entwickelten sich rasch zur vollwertigen Stadt,
beispielsweise Beckum oder Telgte. Andere Weichbildorte wie Löningen bewahrten ihr besonderes
Recht und die Bezeichnung Wigbold bis in die Neuzeit hinein.
Quelle: Gisbert Strotdrees in Landwirtschaftliches Wochenblatt Westfalen-Lippe,
Münster, Ausgabe 10/2014
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