Austermannstraße
Statistischer Bezirk: Gievenbeck
Entstehung: 1989
Amtsblatt: Dez.89
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Benannt nach Heinrich Austermann (1909-1984), Stadtrat und Oberstadtdirektor, Ehrenbürger
Heinrich Austermann in der Diskussion
Spätestens seit der Veröffentlichung des Buches Münster im Dritten Reich von Christian
Steinhagen in 2013 war der frühere Oberstadtdirektor Heinrich Austermann umstritten.
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Gelesen - MÜNSTER IM DRITTEN REICH -
Spannend und entlarvend
Kommentar von Johannes Loy in Westfälischen Nachrichten am 5.6.2013
Aus diesem Anlass hatte der Rat der Stadt Münster beschlossen, die Rolle der Stadtverwaltung
während der Zeit des Nationalsozialismus insgesamt untersuchen zu lassen. Das Projekt
"Aufarbeitung der Rolle der Stadtverwaltung im Nationalsozialismus" wurde vom
Geschichtsort Villa ten Hompel koordiniert und an der Universität Münster am Lehrstuhl für
Neuere und Neueste Geschichte bei Prof. Dr. Thomas Großbölting umgesetzt. Nach der
Veröffentlichung der Ergebnisse am Dienstag, 30. Januar 2018 berichtete der WDR in der
Aktuellen Stunde:
Jahrzehntelang war Heinrich Austermann in Münster ein angesehener Bürger der Stadt. Er war in der Nachkriegszeit Oberstadtdirektor von Münster. 1973 erhielt er die Ehrenbürgerschaft, später wurde eine Straße nach ihm benannt. Erst vor kurzem wurde bekannt, dass Heinrich Austermann in der Nazizeit in der Stadtverwaltung an der Arisierung jüdischen Vermögens mitgewirkt hatte. Aus diesem Grund beauftragte die Stadt eine Gruppe Historiker, die Arbeit der Stadtverwaltung allgemein und die von Heinrich Austermann im Besonderen zu untersuchen.
Philipp Erdmann, Historiker:
"Man kann tatsächlich diese Bezeichnung "Sachbearbeiter" im Fall Austermann
wörtlich nehmen. Er hatte keine Entscheidungsbefugnisse, sondern hat Stellungnahmen gesammelt
und weitergeleitet."
Austermanns Mitarbeit an der Arisierung, so wie aus den Akten ablesbar ist, kann man als
geringfügig bezeichnen. Er war ein kleines Rad im Getriebe. Wie Austermann grundsätzlich zum
NS-Regime stand, verraten die Akten nicht. Parteimitglied wurde er erst spät - vielleicht nur
aus Karrieregründen.
Wie soll man das bewerten? Sollen die Ehrenbürgerschaft und die Straßenbenennung rückgängig
gemacht werden?
Thomas Großbölting, Historiker:
"Wenn man heute darüber zu entscheiden hätte, nach wem man eine Straße benennt, dann würde
man Heinrich Austermann sicher nicht als den ersten Kandidaten benennen. Umgekehrt aber, wenn
wir danach fragen, ob wir diese Straße umbenennen und ihn damit "ent-ehren" sollten,
scheint mir der Sachverhalt nicht so trifftig zu sein, dass man zu diesem Schritt raten
sollte."
Quelle: WDR Aktuelle Stunde am Dienstag, 30.1.2018, Bericht von Markus Schröder
Nachruf auf Oberstadtdirektor Heinrich Austermann
Der Ehrenbürger der Stadt Münster, Oberstadtdirektor a. D. Heinrich Austermann, verstarb nach
kurzer, schwerer Krankheit am Montagabend. Viele Münsteraner hatten ihn noch in
außerordentlicher Frische erlebt, als die Stadt Münster ihn am 22. Mai dieses Jahres im Rathaus
mit einem Festakt aus Anlass seines 75. Geburtstages ehrte. Er selbst hatte hier auf eigenen
Wunsch eine eindrucksvolle Rede über den Wiederaufbau Münsters nach dem Zweiten Weltkrieg
gehalten.
(...)
Heinrich Austermann stammt aus einer alten münsterländischen Bauernfamilie und wurde in
Papenburg / Emsland geboren. Nach den Studien der Rechtswissenschaften in Innsbruck, München
und Münster und den entsprechenden Examina trat er 1935 in die Stadtverwaltung Münster ein. Im
Krieg war er Soldat. Danach kehrte er zur Verwaltung der Stadt Münster zurück. Der Rat wählte
ihn 1948 zum Beigeordneten mit dem besonderen Auftrag, für die wirtschaftliche Entwicklung der
Stadt zu sorgen. 1951 wurde er zum Kämmerer berufen. Ab 27. Oktober 1952 übertrug ihm der Rat
der Stadt das Amt des Oberstadtdirektors, das er genau 21 Jahre lang ausübte. Oberstadtdirektor
Heinrich Austermann war der Verwaltungschef aller Bürger. Er gewann das Vertrauen des gesamten
Rates, der ihn als Beigeordneten wie als Oberstadtdirektor und auch bei den Wiederwahlen stets
einstimmig wählte.
Oberstadtdirektor Heinrich Austermann bewältigte in seiner Amtszeit drei große und
außergewöhnliche Aufgaben, den Wiederaufbau, die Entwicklung neuer Stadtteile und die kommunale
Gebietsneugliederung. Als er Verwaltungschef wurde, entfaltete sich erst der Wiederaufbau der
im Krieg so stark zerstörten Stadt. Man muss sich daran erinnern, dass 90 Prozent der Gebäude
in der Innenstadt zerstört waren, zwei Drittel der Bürger und die meisten Betriebe und Behörden
die Stadt verlassen hatten. Unter äußerst schwierigen Bedingungen galt es, sie nach Münster
zurückzuholen, für sie Wohnraum und Betriebsstätten zu schaffen. Welcher Kraftanstrengungen das
bedurfte, verdeutlicht die Tatsache, dass der stolze Rathausgiebel erst 1958 wieder
fertiggestellt werden konnte. Für die Lebendigkeit der Stadt und den tatkräftigen Wiederaufbau
spricht, dass die Einwohnerzahl schnell über die der Vorkriegszeit hinauswuchs und weiterhin in
ungeahnter Schnelligkeit anstieg. Heinrich Austermann hatte großen Anteil an der Gründung der
neuen Stadtteile wie Aaseestadt, Coerde, Berg Fidel und Kinderhaus; die Entwicklung Gievenbecks
wurde eingeleitet.
Heinrich Austermann ist zu Recht als Vater des größeren Münster 1975 bezeichnet
worden. Er erkannte weitsichtig die Probleme der Westfalenmetropole. Er wusste: Münsters
Entwicklung konnte nur zukunftsträchtig sein, wenn es über genügend großen Entwicklungsraum
verfügt.
Die Forderungen Heinrich Austermanns an den Landesgesetzgeber waren zugleich maßvoll und
schlüssig begründet, so dass sie an vielen Stellen fast wörtlich im Münster-Hamm-Gesetz
wiederzufinden sind. Die von Heinrich Austermann vorgeschlagenen neuen ausgeweiteten
Stadtgrenzen sind so gut wie ganz mit der kommunalen Neuordnung vom 1.01.1975 realisiert
worden. Unter den Persönlichkeiten, die in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg
die deutschen Städte repräsentierten, gehörte Heinrich Austermann zu den bedeutenden. Für viele
Kommunalpolitiker und Verwaltungsfachleute zwischen Flensburg und Konstanz galt die von ihm
verwaltete Stadt in vieler Hinsicht als Vorbild. Seine mehrfache Wiederwahl in das Präsidium
des Deutschen Städtetages und in den Landesvorstand des Städtetages Nordrhein-Westfalen während
seiner Amtszeit als Oberstadtdirektor bestätigt dies.
Die Krönung des beruflichen Lebenswerkes, das größere Münster, erlebte Heinrich
Austermann bereits als Pensionär. Seinem Naturell entsprach es jedoch nicht, sich ganz in das
Privatleben zurückzuziehen. Gern stellte er sich der Stadt zur Verfügung, als sie ihn bat,
Dokumentationen über die Partnerschaft mit den Städten Orléans und York zu schreiben.
Das Hauptfeld seiner Arbeit verlegte er jedoch in den sozialen Bereich. Heinrich Austermann war
bis zu seinem Tod der Repräsentant und Fürsprecher der Behinderten in Nordrhein-Westfalen. Als
Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte e.V. war die
Landesregierung sein Gesprächspartner, als Vorstandsmitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft die
Bundesregierung. Während seiner Amtszeit als Oberstadtdirektor war Heinrich Austermann
Vorsitzender des DRK-Kreisverbandes.
Von den Verdiensten und der Bedeutung Heinrich Austermanns sprechen auch die Auszeichnungen,
die er erhalten hat. Neben dem Ehrenbürgerbrief der Stadt Münster hat er den der französischen
Partnerstadt Orléans erhalten (30. April 1970). Zu nennen sind auch das Große
Bundesverdienstkreuz und der Orden eines Komtur-Ritters des heiligen Gregorius und das
Ritterkreuz des Malteserordens. Münster trauert um seinen Ehrenbürger, die Behinderten in
Nordrhein-Westfalen und der Bundesrepublik um ihren bedeutenden Helfer, die deutschen Städte um
einen herausragenden Kommunalpolitiker und Verwaltungsfachmann.
Quelle: Westfälische Nachrichten, 22.8.1984
Das Grab Austermanns ist auf dem Waldfriedhof Lauheide.
Quelle: Eberhard Hoffschulte in Zur Geschichte der Friedhöfe und des Bestattungswesens in
Münster von Silvia Dethlefs, Münster 1991
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