Die Erbmännerfamilien
Erbmännerfamilien oder Erbmännergeschlechter waren
seit dem 15. Jahrhundert eine Gruppe von politisch führenden Familien in Münster mit
besonderen Freiheiten und Rechten. Dieses städtische Patriziat unterschied sich von der
einfachen Bevölkerung im Wesentlichen durch Bürgerrechte, größeren Hausbesitz, Lebensführung
ohne handwerkliche Arbeit und die einflussreiche Stellung der Familie über mehrere
Generationen. Die Erbmännerfamilien orientierten ihre Lebensführung am damaligen Adel und
erreichten in langwierigen Gerichtsprozessen von 1557 bis 1708 sogar zum Teil die rechtliche
Gleichstellung mit dem Landadel.
Quelle: Joseph
Prinz, Mimigernaford - Münster , Aschendorff Verlag Münster, 1960, 3. Auflage
1981
Ratsfähig waren im 13. und 14. Jahrhundert nur Angehörige des münsterischen Patriziats, die sogenannten Erbmänner. Im Verlauf des 15. Jahrhunderts gelangten auch Gildeführer in den Rat. Als Erbmänner bezeichnete man in Münster die männlichen Mitglieder derjenigen etwa 50 Familien, denen das erbliche Recht auf Beteiligung am Ratsregiment zustand. Sie bildeten einen geschlossenen Heiratskreis. Ursprünglich verstanden sie sich als Bürger, die selbstverständlich Handel trieben. Im späteren 16. Jahrhundert lebten sie von ihren Gütern und forderten die Anerkennung ihres Adels, die Gleichstellung mit der münsterländischen Ritterschaft und insbesondere die Zulassung zu den Stiftskapiteln einschließlich des Domkapitels.
Dr. jur. Johann Schenckinck, Mitglied einer führenden Erbmännerfamilie, die noch im 16. Jahrhundert mehrere Ratsherren stellte, bewarb sich 1557 um ein frei gewordenes Domkanonikat. Er prozessierte bis 1573 vor der Rota Romana, dem vatikanischen Gericht, die zweimal zu seinen Gunsten gegen das Domkapitel urteilte, das ihm allerdings wegen fehlender adeliger Abstammung dennoch die Zulassung verweigerte.
Nachdem er 1580 gestorben war, klagten 1597 die Statthalter des Stifts Münster, das Domkapital sowie die Ritterschaft vor dem Reichskammergericht in Speyer gegen 13 Erbmänner in Münster wegen deren Behauptung adelig zu sein und wegen der daraus abgeleiteten Ansprüche. Dieser Prozess wurde 1685 zum Nachteil der Erbmänner abgeschlossen. Diese gingen aber sofort in Revision, setzten sich 1709 durch und erlangten 1715 kaiserliche Bestätigung. Da die meisten Familien am Ende des Prozesses nicht mehr existierten, konnten im 18. Jahrhundert nur noch die Bischopinck, Clevorn, Droste zu Hülshoff, Kerckerinck zur Borg, von der Tinnen und Travelman die Privilegien des adeligen Standes genießen. Ein Sohn der Familie Kerckerinck zur Borg wurde 1729 in das Domkapitel aufgenommen, weitere Söhne von Erbmännern folgten. Vom 13. bis in das frühe 15. Jahrhundert hatten etwa zehn Erbmänner den Zugang zum Domkapitel erlangt. Adelige Abstammung setzten die Kapitelstatuten seit 1392 voraus.
Zu den Erbmännern in Münster gehörten im späteren 16. Jahrhundert, nachdem zwei Drittel der Familien bereits ausgestorben waren, außer den schon genannten Familien Buck, Drolshagen, Grael, Steveninck, Tilbeck und Warendorp. Nur die protestantische Familie von der Wieck hatte Münster verlassen und sich in die Niederlande begeben. Anders als der mehrheitliche evangelische Stiftsadel, der erst nach 1650 wieder katholisch wurde, waren die meisten Erbmänner katholisch geblieben. Erbmännerhöfe lagen in Münster in großer Zahl nebeneinander am Alten Steinweg, östlich von der Kirchherrngasse: Schenckinck (Alter Steinweg 8), Clevorn (9-11), Travelman, dann Bischopinck (12), Buck (13-14), von der Wieck, dann Steveninck (15-16), Kerckerinck (17), von der Tinnen (24) und auf der Südseite Warendorp (46).
Um 1525 amtierten jeweils noch etwa sechs Erbmänner als Ratsherren. Dem reformatorischen Rat von 1533, der vergeblich versuchte, den Weg der Stadt in die Täuferherrschaft zu verhindern, gehörte Hermann Tilbeck als einziger Erbmann an. In dem vom Stadtherrn ernannten Rat 1536 war die Hälfte der 24 Sitze den Erbmännern vorbehalten. Seit den 1560er Jahren zogen sie sich zurück. Jeweils nur noch etwa zwei bis fünf Erbmänner fanden sich bereit, als Ratsherren tätig zu sein.
Autor: Ralf Klötzer, Die Stadt Münster um 1600,
Quelle: Mechthild Siekmann (Hrsg.), Tatort Domplatz: Der Münster-Plan von 1609 und seine
Geschichte(n), Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte, 2009
Die Zahl der Erbmänner bzw. der ratsfähigen Geschlechter in Münster war im 13. Jahrhundert
natürlich wesentlich größer als gegen Ende des Mittelalters, als man nur noch gut ein Dutzend
Familien zu ihnen rechnete. Das Erbe, das sie zu wahren hatten, war nicht der Besitz in oder
vor der Stadt, sondern das Recht, das Vorrecht, den Rat der Stadt zu bilden. Deshalb scheint
mir die von Zuhorn gebotene Definierung der Erbmänner als der Kreis der blutsmäßig
verbundenen Träger erblicher Vorrechte die treffendste zu sein, auch wenn man statt
Vorrechte meines Erachtens noch bestimmter sagen dürfte: des passiven
Ratswahlrechtes! Durch den Erwerb von Grund und Boden wurde man nicht Erbmann, denn dann
hätte der Kreis derselben im 14. und 15. Jahrhundert stetig weiter wachsen müssen. Die
auffällige Häufung von Eigenbesitz bei den Erbmännerfamilien ist nur die Folge des im
Fernhandel erworbenen Reichtums, der nachweislich seit dem 13. Jahrhundert in steigendem Maße
in Grundbesitz angelegt wurde.
Quelle: Joseph
Prinz, Mimigernaford - Münster , Aschendorff Verlag Münster, 1960, 3. Auflage
1981, Seite 187
Im Stadtbezirk Münster-Mitte gibt es einige Straßen, die nach Erbmännerfamilien benannt sind.
Es sind die Straßennamen
Belholtweg, Bischopinkstraße, Buckstraße,
Clevornstraße, Drolshagenweg, Höfflingerweg,
Kerkerinckstraße, Kleihorststraße, Niesingstraße,
Rikeweg,
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Ringoldsgasse, Roddestraße,
Steveninkstraße, Travelmannstraße, Von-der-Tinnen-Straße, Voßgasse
und Wykstraße.
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