Gartenstraße
Benannt nach den Gärten, die sich bis ins 19. Jahrhundert wie ein Ring um die Altstadt zogen.
Gärten an der Stadtmauer
Fabio Chigi, der detailfreudige Beobachter des münsterischen Alltags, schwärmte über die
Gärten. Wenn er über die Stadtmauer blickte, sah er auf riesige Obstwiesen, die sich mit
ihren herrlich duftenden Kräutern jetzt rings um die Stadtmauer erstrecken. Gemüse und
Früchte reiften in diesen Gärten in großer Vielfalt. Chigi zählte auf: Sich hochrankende
Erbsen, saftige Bohnen, Rüben, Rettich, Salat, Mohren, Malven und sogar die dicken Bohnen, die
in Westfalen sowohl von den Bürgern als auch von den ungehobelten Bauern weitaus am meisten
angebaut werden.
Derartige Nutzgärten in unmittelbarer Nähe der Stadtmauer wurden bereits in Urkunden aus dem
13. Jahrhundert erwähnt: 1266 etwa vor dem Jüdefeldertor, 1278 vor dem Mauritztor, 1282 vor dem
Liebfrauentor. Die Gärten wurden anfangs in Nähe der Stadttore angelegt. Von dort pflanzten sie
sich - im wahrsten Sinne des Wortes - in beide Richtungen entlang der Stadtmauer fort. Die
Nutzgärten bereicherten die Speisetafel der Geistlichkeit und der Bürgerschaft. Sie dienten
bald auch einem neuzeitlichen Zweck nämlich dem Rückzug aus der Enge der Stadt und der
Erholung im Grünen. Münsterische Bürger gaben dies bereits um 1450 als Kaufgrund an. Während
sich städtische Adels- und Erbmännerfamilien auf Landsitze im näheren Umland zurückzogen,
errichteten die Bürger auf ihren Parzellen vor den Stadtmauern einfache Hütten, aber auch
aufwendigere Gartenhäuser. Wie dicht die Landschaft mit Lauben verstellt war, zeigen
Anweisungen aus den Kriegsjahren 1598 und 1636: Um das Schussfeld vor den Mauern freizuhalten,
wurde der Abriss aller Sommerhäuser angeordnet.
Kriegszeiten und Mangeljahre unterstrichen aber auch, wie lebenswichtig die Gärten vor den
Toren der Stadt waren. Im April 1763, also kurz nach Ende des Siebenjährigen Krieges, waren die
Eingesessenen unserer Haupt- und Residenzstadt Münster fleissigst beschäftigt, ihre rings
um die Stadt belegenen, während letzteren Krieg von lebendigen und toten Früchten, und
Gartenhäusern mehrenteils entblößte, fast gänzlich ruinierte und in Unstand geratenen Gärten
wieder herzustellen, rühmte Fürstbischof Maximilian Friedrich im Frühling 1763.
Gleichzeitig sah er einiges liederliches und diebisches Gesindel am Werk, das den
Wiederaufbau behinderte. Gartentüren würden gestohlen, Vieh werde zwischen die Nebenwege
und Stege der Gärten getrieben, Bäume und Pflanzen würden beschädigt oder gar entwendet.
Schon 1768 rief die fürstbischöfliche Landesregierung nicht mehr Diebe und liederliches
Gesindel, sondern die Gärtner selbst zur Vernunft. Das Gartenland vor der Stadt hatte
solchen Wildwuchs angenommen, dass ein Wegenetz geplant, die Flächen erschlossen und die Pfade
zwischen den Gärten in Stand gehalten werden mussten.
Eine fürstbischöfliche Verordnung forderte die Gartennutzer auf, alle Mist- und Erdhaufen zu
entfernen und die Entwässerung der Gräben sicherzustellen. Die Wassergräben dürften nicht mehr
durch "Hinwerfung allerhand Unkrauts, Bohnenstrohes und sonstiger Sachen" verstopft
werden. Bei all den Missständen, die buchstäblich ins Kraut schossen: Der Gartenring rund um
Münster war erstaunlich vielfältig. Lauben aus Flechtwerk, gestutzte Hecken oder Bäume reichten
einigen Gartenbesitzern völlig aus. Andere zimmerten Sommerhäuser aus Holz. Besonders gut
betuchte Bürger und Adlige ließen aufwendige Steingebäude errichten.
... Text gekürzt ...
Quelle: Stadtarchiv Münster, Im Wandel der Zeit - 1200 Jahre Münster, Zwolle 2000,
Seite 328-329