Die Heide - Relikt einer vergangenen Wirtschaftsform
Flurnamen sind die Spitznamen der Äcker. So hat ein Bauer einmal die Bedeutung der
Flurnamen charakterisiert. Doch nicht nur Äcker, fast alle Bereiche einer Gemarkung hatten
früher ihre feste Bezeichnung. Oft lässt sich aus den Flurnamen viel über den damaligen Zustand
des dazugehörigen Gebietes ableiten.
So verhält es sich auch mit den zahlreichen Flurnamen, die den Zusatz -heide tragen.
Nur die namengebenden Pflanzen, nämlich die Besenheide (Calluna vulgaris) und die Glockenheide
(Erica tetralix), sind meist weit und breit nicht zu sehen. Dies war nicht immer so. Noch zu
Beginn des 19. Jahrhunderts gab es große Gebiete in Westfalen, die zu mehr als 70 % mit Heide
bedeckt waren. Das Werden und Vergehen der Heidelandschaften ist eng verknüpft mit der
Geschichte der Landwirtschaft in Westfalen.
Vor allem im Sandmünsterland mit seinen wenig fruchtbaren Böden hatten bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts die gemeinschaftlich genutzten Marken eine wichtige Funktion als Düngelieferant. Dazu wurde die obere, humusreiche Schicht des Bodens mit einem speziellen Werkzeug, der Plaggenhacke, abgehoben ( abgeplaggt) und im Winter als Einstreu in die Ställe gebracht. Vermischt mit dem Kot der Tiere, dienten die Plaggen im anschließenden Frühjahr als Dünger für den Esch - das damalige Ackerland.
Nur so war es möglich, dort den für Sandgebiete typischen ewigen Roggenbau ohne Brache und Fruchtwechsel zu betreiben. Diese Form des einseitigen Nährstoffentzuges führte im Laufe der Jahrhunderte vor allem in den Sandgebieten Westfalens zu einer Verwüstung der ursprünglich bewaldeten Marken, die durch starken Vieheintrieb und ungeregelten Holzeinschlag zusätzlich übernutzt wurden. Der Boden verarmte so stark, dass schließlich nur noch wenige anspruchslose Pflanzen, vor allem die Besenheide und auf feuchteren Böden die Glockenheide wachsen konnten. Das Heidekraut selbst produziert eine nur schwer zersetzbare Streu, aus der sich eine saure Rohhumusschicht entwickelt. Ausgelöst durch chemisch bedingte Stoffverlagerungen, bildet sich in tieferen Bereichen des Bodens eine harte, undurchlässige Schicht, der sogenannte Ortstein, der das Wurzelwachstum der Kulturpflanzen stark behindert. In einer reinen Heidelandschaft finden nur noch Schafe genügend Nahrung, so dass sich bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts Wanderschäferei und Heidebauerntum in Westfalen ausbreiteten.
Mit der Aufteilung der Marken in Privatbesitz seit Beginn des 19. Jahrhunderts und dem Gebrauch
von Kunst- und Mineraldünger, der den Plaggenstich überflüssig machte, änderte sich die
Wirtschaftsweise. Große Heideflächen wurden urbar gemacht, wobei in vielen Fällen zunächst der
Ortstein mit dem Tiefpflug gebrochen werden musste. Teile der Heide wurden aufgeforstet. Auf
den ausgelaugten Böden bot sich hierfür in erster Linie die genügsame Kiefer an, die seitdem in
weiten Bereichen des Sandmünsterlandes die beherrschende Waldbaumart ist.
Die wenigen verbliebenen Heiden stehen heute meist unter Naturschutz. Bekanntestes Beispiel ist
die Lüneburger Heide, die zum Inbegriff der Heideromantik geworden ist.
Die Erhaltung der letzten Heidegebiete ist problematisch und kostspielig. Es genügt nicht, die Flächen unter Schutz zu stellen und sich selbst zu überlassen, da die Heide rasch überaltert und abstirbt oder durch Kiefern- und Birkenanflug verdrängt wird. Die Nachahmung der damaligen Nutzung, also der Plaggenstich, ist heute allerdings kaum zu bezahlen und höchstens auf sehr kleinen Flächen möglich. Als Ersatz werden mit unterschiedlichem Erfolg Maßnahmen wie das maschinelle Abschieben der oberen Erdschichten, das Mähen und Abbrennen der Heide sowie eine Beweidung mit Schafen durchgeführt.
Kleinflächig ist die Erhaltung dieser Relikte einer ehemaligen Wirtschaftsform in Form eines
musealen Naturschutzes sicherlich gerechtfertigt, denn eine Reihe seltener Tier- und
Pflanzenarten wie der Englische Ginster (Genista anglica), der Keulen-Bärlapp (Lycopodium
clavatum) oder die Kreuzotter sind an den Lebensraum Heide angepasst.
Man darf aber nicht verkennen, dass die großflächige Heide des 18. Jahrhunderts eine extreme
Form der Ausbeutung natürlicher Ressourcen darstellte, die man nicht verklären sollte, wie es
viele Heimatdichter getan haben. Wer aber Reste der Heideromantik bewahren will, muss auch
bereit sein, dem Naturschutz die entsprechenden finanziellen Mittel zu gewähren.
Quelle: Westfalen Quer, Landschaftsverband Westfalen Lippe, Westfälisches Amt für
Landes- und Baupflege, Bielefeld 1998
In Münster gibt es folgende 50 Straßennamen mit dem Wort -heide. Es sind:
Albertsheide, Alfersheide,
Berdelheide, Birkenheide,
Bredeheide, Brüningheide,
Coerheide, Duddeyheide, Dyckburgheide, Farwicksheide,
10
Galgenheide, Gelmerheide,
Grollheide, Hakenesheide,
Haurottheide, Heidegrund,
Heidestraße, Hülsheide, Kannenheide, Kerkheideweg,
20
Kleiheide, Körberheide, Lauheider Straße, Loddenheide,
Mauritzheide, Mertensheide,
Neuer Heidkamp, Ödingheide, Petersheide, Pluggenheide,
30
Raringheide, Ruschheide, Schmittingheide, Schornheide,
Schräderheide, Schweringsheide, Sprakeler Heide,
Sunnenheide, Toppheideweg,
Untietheide,
40
Vennheideweg, Vogelrohrsheide, Welsingheide,
Westerheide, Winkelheide,
Wittlerheide, Wittninkheide,
Wulferdingheide, Zur
Eckernheide und Zur Rossheide.
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