Julius-Voos-Gasse
Statistischer Bezirk: Dom
Entstehung: 1988
Amtsblatt: 19/1988
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Dr. Julius Voos, *3.4.1904 Kamen, 2.1.1944 Auschwitz übernahm 1939 in der schwersten Zeit der
Verfolgung durch die Nationalsozialisten das Amt des Rabbiners der jüdischen Gemeinde in
Münster. Damit war er der letzte Rabbiner vor 1945. Kurz nach seiner Übersiedlung nach
Bielefeld im Jahre 1942 wurde er nach Auschwitz deportiert und starb am 2.1.1944 im
Krankenlager Monowitz bei Auschwitz.
Quelle: Amtsblatt Nr. 19/1988 vom 28.10.1988
- Position des Stolpersteins im Stadtplan.
Julius Voos war Lehrer und Rabbiner. Er war der Sohn eines Metzgers aus dem
Rheinland, der 1897 nach Kamen zog. Sohn Julius wuchs in Kamen, Schulstraße 2, mit fünf
Geschwistern auf. Wurde dort Schüler der evangelischen Wilhelmschule bis 1918 und war
anschließend sechs Jahre zur Lehrerausbildung als Internatsschüler in der
Marks-Haindorf-Stiftung in Münster.
Er bestand 1923 das Religionslehrer-, 1924 das Vorbeter- und Volksschullehrerexamen. Seine
erste Anstellung erhielt er von 1924 bis 1928 als Religionslehrer und Kantor in Meisenheim am
Glan/Pfalz. Da die Zahl der jüdischen Schulkinder während seiner Zeit dort von 15 auf sieben
(1927) rückläufig war, erteilte er ein Jahr lang Unterricht in anderen Fächern an der
evangelischen Volksschule des Ortes. Er war der letzte jüdische Religionslehrer in
Meisenheim.
Im Selbststudium bereitete er sich neben seiner Lehrertätigkeit auf das Abitur vor, das er als
Externer an der Oberrealschule in Idar-Oberstein am 10.10.1927 bestand. Er studierte
anschließend an der Berliner Universität und an der "Lehranstalt für die Wissenschaft des
Judentums" Philosophie, Geschichte, Psychologie und Religionsgeschichte u.a. bei Prof.
Ismael Elbogen und Dr. Leo Baeck. Im Auftrag der Gemeinde Berlin erteilte er
Religionsunterricht an verschiedenen staatlichen und Gemeindeschulen. Er setzte seine Studien
in Bonn fort und wurde dort zu einem Thema über die Geschichte der messianischen Bewegung im
Judentum (16. Jh.) zum Dr. phil. promoviert. Nach dem Rabbinerexamen fand er eine
Anstellung in Guben/Niederlausitz und heiratete im Dezember 1936 Stephanie Fuchs, die Tochter
eines Arztes aus Breslau. Die religiöse Trauung fand am 27.12.1936 in der Synagoge in Guben
statt.
In der Pogromnacht 1938 ging die Synagoge in Flammen auf. Dabei verbrannten auch seine liturgischen Gewänder. Julius Voos wurde im KZ Buchenwald inhaftiert und erst nach einigen Wochen freigelassen, da seine Ehefrau die Auswanderung nach Shanghai eingeleitet hatte, die am 4.1.1939 erfolgen sollte. Als Folge der Auswanderungsabsicht benachrichtigte am 30.11.1938 die Kriminalpolizei Guben das zuständige Finanzamt, das die Sperrung seines Kontos verfügte. Die Emigration nach China kam nicht zustande, doch bemühte sich das Ehepaar um eine Einreisegenehmigung in die USA und hatte dafür vorsorglich eine Geldsumme für die Schiffsüberfahrt bei der Hapaq-Lloyd hinterlegt. Am 19.1.1939 verzog Julius Voos mit seiner Frau nach Münster, Am Kanonengraben 4.
Dort wurde er als Rabbiner und Lehrer Nachfolger von Dr. Fritz Leo Steinthal, der einige Wochen
zuvor nach Argentinien emigriert war. Da er als Gemeindeseelsorger noch ein festes Gehalt
bezog, beschäftigte er in seinem Haushalt Mädchen, die nach ihrer Entlassung aus der Schule
keine andere Anstellung fanden wie z.B. Margot Kaufmann. Für die zu Beginn des Jahres 1939 an
die Pfandleihanstalt Dortmund zwangsabgelieferten Silbergegenstände erhielt er einen
Bruchsilberpreis von 2 bis 2 1/2 Pfennige pro Gramm. Bis 1940 scheiterten alle Emigrationspläne
u.a. aus Geldmangel. Er war seit 1926 Eigentümer des elterlichen Hauses und musste 1940 nach
langen Verhandlungen dem Verkauf an einen früheren Nachbarn in Kamen unter Einheitswert
zustimmen.
Er unterstützte seinen mittellosen Vater und die Schwester Selma. Am 30.3.1942 wurde er zur
Zwangsarbeit in einer Fahrradfabrik in Bielefeld herangezogen und wohnte mit seiner Familie
dort in den "Judenhäusern" Koblenzer Straße 4 und Detmolder Straße 4. Er hielt für die
verbliebenen Gemeindemitglieder heimlich Gottesdienste ab. Am 2.3.1943 wurde er einem Berliner
Transport zugeteilt und nach Ausschwitz deportiert.
Während seine Frau und sein Sohn in der Gaskammer ermordet wurden, wurde er an der Rampe
"selektiert" und kam anschließend unter anderem ins Lager Auschwitz III (Monowitz), wo
er bei Hungerverpflegung Schwerstarbeit zu leisten hatte. Er war mit der Häftlings-Nr. 105.049
registriert und kam im Krankenbau des Stammlagers Ausschwitz am 2.1.1944 ums Leben. Nach der
Auflistung der Toten an diesem Tage verstarb er am frühen Morgen.
Laut Zeugnis des Überlebenden Dr. Unikower aus Breslau war Julius Voos der einzige Rabbiner in
Auschwitz, der das "Lager erbarmungslos mitgemacht, schwerst gearbeitet, gehungert und
gedurstet und die Kameraden noch aufgerichtet" hat. Es ging mit ihm ein "vorbildlicher
Mensch, der für jeden ein gutes Wort hatte, zugrunde".
Seine Bedeutung für die Münsteraner Kinder hob seine ehemalige Schülerin Irmgard Heimbach-Ohl
hervor: "Unser Rabbiner und Lehrer Dr. Voos gab uns alles, was in seinen beschränkten
Möglichkeiten nur denkbar war. Er war uns mehr als ein väterlicher Freund. ... In all
dieser Enge und bei all unserem Leid in dieser Zeit hat er uns unendlich viel gegeben, viel
gelehrt und es verstanden, uns Kinder glücklich zu machen, den Alltag für Stunden zu
vergessen".
Von seinen Geschwistern überlebte nur die Schwester Hanna, die als Hausangestellte nach England
emigrieren konnte.
Quelle: Gisela Möllenhoff und Rita Schlautmann-Overmeyer, Jüdische Familien in Münster 1918 bis 1945, Teil 1: Biographisches Lexikon, Münster 2001
-
Als
das jüdische Leben in Münster erlosch
weiterer Bericht von Gisela Möllenhoff in Westfälische Nachrichten, Auf Roter Erde
Im Stadtgebiet Münster gibt es 31 Straßen, die nach Menschen mit jüdischer Abstammung benannt
sind:
Alfred-Flechtheim-Platz, Baumgartenweg, Edith-Miltenberg-Weg, Edith-Stein-Straße, Einsteinstraße, Elfriede-Meyer-Weg, Eli-Marcus-Weg, Else-Scheuer-Weg, Goldenbergstraße, Gumprichstraße,
10
Hedwig-Feibes-Weg, Heilbronnweg, Helmut-Pins-Weg, Henny-Uhlmann-Weg, Henny-Waldeck-Weg, Henriette-Hertz-Weg, Henriette-Son-Straße, Hoffmannweg, Jacob-von-Korbach-Weg, Julius-Voos-Gasse,
20
Luise-Rappoport-Weg, Marks-Haindorf-Stiege, Meta-Seelig-Weg, Nanny-Katz-Weg, Philippsweg,
Reha-Mathel-Falk-Weg, Simonsplatz, Sonja-Kutner-Weg, Sophie-Heimbach-Weg, Weinbergweg und
30
Zwi-Schulmann-Weg.
Berliner Hufeisen-Nummerierung
In dieser Straße sind Hausnummern umlaufend vergeben worden, wie das in Preußen bis im 19. Jahrhundert üblich war. Damals wurden die Hausnummern auf einer Straßenseite stadtauswärts bis zum Ende der Straße fortlaufend vergeben. Dort wechselte die Nummerierung zur gegenüberliegenden Straßenseite und verlief stadteinwärts zum Anfang der Straße zurück. Diese Nummerierung wird "Berliner Hufeisen-Nummerierung" genannt. Es gibt sie in vielen historischen Altstädten. Die Nummerierung ist nicht "unlogisch", sondern verständlich für die Städte, die sich damals nicht weiter ausdehnen konnten als bis zur Stadtmauer. Mit der Ausdehnung der Bebauung über die Stadtmauern hinweg entwickelten die Städte die wechselseitige Nummerierung mit den ungeraden Nummern auf der linken Straßenseite und den geraden Nummern auf der rechten Straßenseite. In vielen Städten existieren beide Systeme nebeneinander für die Altstadt einerseits und die neuen Stadtbereiche andererseits.
In Münster gibt es die umlaufende Nummerierung in sämtlichen Altstadtstraßen und auch in der Johanniterstraße, der Friedrichstraße, der Badestraße und in den nur einseitig angebauten Straßen Am Kanonengraben, Kleimannstraße, Am Kreuztor und der Hüfferstraße bis Hausnummer 26. Warum außerhalb der Altstadt die genannten Straßen diese Nummerierung aufweisen, ist nicht überliefert. In Wolbeck und anderen Ortsteilen gibt es diese umlaufende Nummerierung nicht.
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