Lise-Meitner-Straße
Statistischer Bezirk: Roxel
Entstehung: 1976
Amtsblatt: 17/1976
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Lise Meitner, *1878, 1968, Professorin für Kernphysik, war 3 Jahrzehnte Mitarbeiterin von Otto Hahn.
"Deutsche Madame Curie" errang Weltruhm in einer Männerdomäne
Karriere machte Lise Meitner trotz aller politischen und gesellschaftlichen Widrigkeiten. Weil sie eine Frau war, wurde die Atomphysikerin aus den Laboratorien verbannt und durfte nur im Holzkeller experimentieren; wegen ihrer jüdischen Abstammung musste sie vor den Nazis flüchten und ihre Forschungsstätte in Berlin verlassen.
Doch obwohl ihr das Leben so schwer gemacht wurde, ging Lise Meitner, die heute vor 25 Jahren starb, als eine der berühmtesten Forscherinnen in die Geschichte ein. Der Nobelpreis blieb ihr - anders als ihren engen Kollegen wie Max Planck oder Otto Hahn - allerdings versagt.
"Madame Curie"
Die kleine, zierliche Wissenschaftlerin, von Albert Einstein respektvoll die "deutsche
Madame Curie" genannt, wird hin und wieder zu den Wegbereitern der Atombombe gezählt.
Tatsächlich galt ihr Interesse immer der theoretischen Physik. Nie dachte sie daran, ihre
Erkenntnisse für militärische Zwecke zu verwenden. Lise Meitner bedauerte stets, dass "die
Ergebnisse reiner Forschung auch in den Dienst der Zerstörung gestellt werden".
Zur Atomphysik kam die am 17.November 1878 in Wien geborene Akademikerin auf Umwegen. Eine wissenschaftliche Laufbahn stand zunächst gar nicht zur Debatte, da höhere Lehranstalten für Mädchen tabu waren. Sie begann daher eine Ausbildung als Zeichnerin, unterrichtete später Französisch. Seit 1899 durften dann endlich Mädchen in Wien studieren. Lise Meitner holte das Abitur nach, schrieb sich an der Universität ein und promovierte 1906 als eine der ersten Frauen überhaupt.
Trotz ihres ungewöhnlichen Werdegangs in jener Zeit trat die Physikerin nie kämpferisch auf. Ganz im Gegenteil: Sie blieb bescheiden und scheu, verkörperte eher das Klischee von der höheren Tochter. Als Schülerin Max Plancks ging sie an die Universität Berlin und trotzte dort allen Unbilden.
Obwohl sie sich im chemischen Institut als Frau nicht blicken lassen durfte und fernab ihrer männlichen Kollegen im Keller arbeitete, gewann sie wichtige Erkenntnisse über die Radioaktivität. Sie wurde an das neue Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie berufen und Assistentin Plancks am Institut für Theoretische Physik.
Lise Meitner erhielt in Berlin den Professorentitel und war bis ins hohe Alter ein "Arbeitstier". Zu den zahlreichen Erkenntnissen, um die sie die Wissenschaft bereicherte, gehört die Entdeckung des Elements Protactinium. Als die Nazis an die Macht kamen, entzogen sie der Forscherin jüdischer Abstammung die Lehrbefugnis. Zwar konnte sie wegen ihrer österreichischen Staatsangehörigkeit und der Unterstützung von Kollegen noch einige Jahre an der Spree bleiben. Aber nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland musste sie 1938 dann doch emigrieren. Nur mit einem Koffer flüchtete die 60jährige über die Niederlande und Dänemark nach Schweden.
Frau des Jahres 1946
Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete sie am Nobelinstitut für Physik in Stockholm. Als
Otto Hahn eine Uranspaltung gelang, war es Lise Meitner, die diesen Vorgang als erste
theoretisch erklärte und den Begriff Kernspaltung prägte. Für ihre Leistungen wurde sie erst
spät geehrt, unter anderem mit der Goldenen Max-Planck-Medaille und dem Otto-Hahn-Preis. 1946
wurde sie in den USA zur "Frau des Jahres" gewählt.
Nach ihrer Emeritierung übersiedelte Lise Meitner 1961 nach England zu ihren nächsten Verwandten. Obwohl schon weit über 80, beschäftigte sie sich noch bis 1965 mit physikalischen Problemen. Am 27.Oktober 1968 starb Lise Meitner im Alter von 89 Jahren in einem Krankenhaus in Cambridge.
Autorin: Silvia Kusidlo
Quelle: Münstersche Zeitung vom 27.10.1993
- Eintrag in der Neuen Deutschen Biographie Lise Meitner
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