Wichernstraße
Benannt nach Johann Hinrich Wichern (1808-1881), evangelischer Priester, Theologe und Pädagoge,
begründete die Innere Mission.
Der Name Wichernstraße ist seit 1908 der erste und älteste Straßenname, der einen Bezug zur
evangelischen Kirchengemeinde hat. Die Benennung steht im Zusammenhang mit dem Neubau des
Evangelischen Krankenhauses 'Johannisstift'.
Das Evangelische Krankenhaus
Seit 1853 bemühte sich der Diakonissenverein um ein Grundstück zum Bau eines Krankenhauses. Ein
evangelisches Krankenhaus erschien um so notwendiger, als in der Stadt mehrere katholische
Anstalten die alleinige Pflege und Versorgung der Kranken übernommen hatten. Erst zehn Jahre
später gelang es, den Rohbau eines größeren Wohnhauses zu erwerben und zum Krankenhaus
umzurüsten.Im November 1863 konnte das Johannisstift an der Friedrichstraße eingeweiht
werden. Bei der Eröffnung nur 18 Betten umfassend, stieg die Kapazität bis 1888 auf 88 Plätze.
[...] Da das Krankenhaus durch seine Lage nahe der Bahnlinie starke Störungen hinnehmen musste,
kam es zum Neubau in der Wichernstraße. Das 1909 eingeweihte neue Krankenhaus enthielt zunächst
100 Krankenbetten, wurde aber bei wachsendem Bedarf später erweitert.
Quelle: Friedrich Wilhelm Bauks, Die evangelische Kirchengemeinde in Franz-Josef
Jakobi (Hg.) Geschichte der Stadt Münster, Münster 1994, Band II. Seite 441
Johann Hinrich Wichern entstammte einer verarmten Notarsfamilie in Hamburg und
war früh verwaist. Die Hamburger Erweckungsbewegung ermöglichte ihm das Studium am Johanneum
und auch das Theologie-Studium von 1829-31 in Göttingen und Berlin.
Er lernte die Großstadtverhältnisse als Vikar hautnah kennen und gründete 1833 als Pastor das
Rauhe Haus in Hamburg, eine Rettungsanstalt der Erziehungshilfe für
verwahrloste Kinder. Mit dem Rauhen Haus bildete er gleichzeitig erstmals
Diakonenbrüder aus und war darin der Gründer diakonischer Sozialarbeit und
Sozialpädagogik.
Von 1842 an vertrat Wichern die Idee der Inneren Mission, die er in den Fliegenden
Blättern des Rauhen Hauses ab 1844 deutschlandweit verbreitete, in engem Kontakt mit
Adalbert Graf von der Recke aus Volmarstein. Der entscheidende Durchbruch gelang Wichern auf
dem Wittenberger Kirchentag von 1848 mit seiner berühmten Stegreifrede vom 22. September
Die Liebe gehört mir wie der Glaube, mit der er die Innere Mission als
Aufgabe der Kirche initiierte. Schon der folgende Tag führte zur Gründung des
Central-Ausschusses für Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche,
Geburtsstunde der neuzeitlichen Diakonie der Kirche.
1856 wurde Wichern als Oberkonsistorialrat in den Evangelischen Oberkirchenrat in Berlin und
als Referent für Gefängnisfürsorge in das Innenministerium berufen, jedoch ohne seine Hamburger
Arbeit aufzugeben. Er gründete 1858 das Evangelische Johannesstift in Berlin und
betrat damit auch in einem ersten kleinen Schritt das Feld diakonischer Behindertenhilfe. 1866
durch einen Schlaganfall getroffen legte er 1874 seine Ämter nieder.
Wichern gelang es wohl, in zähem Ringen die Kirche für die soziale Frage
aufzuschließen; wirkliche staatliche Sozialreformen sind ihm jedoch nicht gelungen. Die
Innere Mission mit ihrem diakonisch-missionarischen Auftrag sollte Vorreiter von
sozialer Gerechtigkeit in der Gesellschaft sein; das Zeitalter der politischen Restauration
verhinderte jedoch vieles, und auch die Kirche blieb letztlich bürgerlich-konservativ. Dennoch
ist das bleibende Verdienst Wicherns, Kirche und Gesellschaft wachzurütteln und vor allem die
Diakonie in der verfassten Kirche zu verwurzeln.
Autor: Ernst Springer
Quelle: Liselotte
Funcke (Hrsg), Hagener Straßen erzählen Geschichte(n), Hagen 2001
- Mehr zum Thema: Johann Hinrich Wichern in Wikipedia.
Neben mehr als 110 Straßennamen aus dem Themenbereich katholisches Münster, gibt
es 14 Straßennamen nach Personen aus dem Bereich der evangelischen Kirche. Es sind die
Albert-Schweitzer-Straße, Bodelschwinghstraße, Bonhoefferstraße, Clemens-Theodor-Perthes-Weg, Dorothea-Petersmann-Weg, Ellen-Scheuner-Weg, Fliednerstraße, Jochen-Klepper-Straße, Junker-Jörg-Platz, Martin-Luther-Straße,
10
Martin-Niemöller-Straße, Paul-Gerhardt-Straße, Wichernstraße und Wilhem-Spieker-Straße.
Gehört zum Thema:
- Ortsbezug zum Evangelischen Krankenhaus Johannisstift.