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Westfälischer Frieden
Dialoge zum Frieden 2010
Münster hält seine Tradition als Stadt des Westfälischen Friedens lebendig. Mit wechselnden Schwerpunkten stellt "Münster 1648: Dialoge zum Frieden" alljährlich aktuelle Bezüge zu Gegenwarts- und Zukunftsfragen her.
Die diesjährige Veranstaltungsreihe "Dialoge zum Frieden" stimmt ab dem 22. Oktober auf die Verleihung des Preises des Westfälischen Friedens der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe an Daniel Barenboim und das West-Eastern Divan Orchestra ein.
Alle Veranstaltungen im Einzelnen:
Freitag, 22. Oktober bis Sonntag, 14. November, Bürgerhalle des Rathauses
Ausstellung: Kunst und Musik im Dreißigjährigen Krieg
Der konkrete Beitrag von Kunst, Musik und Literatur zum Zustandekommen des Frieden ist nur schwer einzuschätzen. Doch bereits die Europaratsausstellung von 1998 hat gezeigt, dass europäische Künstler aller Kunstgattungen leidenschaftlich sowohl den Krieg und seine Gräuel als auch den Frieden und den Weg dorthin thematisierten. Auch in Münster selbst: So fertigte der münsterische Arzt Dr. Bernhard Rottendorff 1646 einen aufrüttelnden Friedensappell an die versammelten Diplomaten. Flugblätter und Drucke waren beliebte Medien, mit denen Künstler ihre Werke einem breiten Publikum bekannt machen konnten.
Das Stadtarchiv zeigt Beispiele solcher Werke sowie ein Faksimile der Originalausfertigung des Friedensvertrags zwischen Kaiser und Frankreich von 1648.
Sonntag, 24. Oktober, 16.30 Uhr, Lambertikirche
Ökumenische Friedensvesper
unter liturgischer Leitung von Superintendent Prof. Dr. Dieter Beese und Stadtdechant Dr. Ferdinand Schumacher.
Wie verletzlich Toleranz, wie mühevoll Gerechtigkeit und wie zerbrechlich der Friede ist, lässt sich bis heute täglich erfahren. Seit 1993 steht die jährliche Friedensvesper als Zeichen dafür, dass die christlichen Kirchen gemeinsam Gott um Frieden bitten, sich für die Gabe des Friedens öffnen und für Frieden wirken wollen. Das diesjährige Leitwort stammt aus einem spanischen Kirchenlied: "Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn". Predigen wird Pfarrer Johannes Krause-Isermann, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen.
Auszüge aus Bachs h-moll Messe singt die Kantorei an der Apostelkirche unter Leitung von Klaus Vetter, an der Orgel: Christian Bettels.
Dienstag, 26. Oktober, 18 Uhr, Hörsaal F2, Fürstenberghaus
Vortrag: Nach dem Westfälischen Frieden – Wie gut vertrugen sich die Konfessionsgruppen im römisch-deutschen Reich?
Es referiert Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger vom Exzellenz-Cluster "Religion und Politik" der WWU.
Auch nach 1648 war man von religiöser Toleranz noch weit entfernt. So gab es zahlreiche politische Konflikte, in denen Religion eine zentrale Rolle spielte. Die Steine des Anstoßes kommen uns auch heute nicht ganz fremd vor: Es ging etwa um Kirchenbauten, Prozessionen oder Mischehen. Der Vortrag fragt danach, woran sich diese Konflikte entzündeten, wie man sie zu lösen versuchte und woran man scheiterte.
Dieser Vortrag ist zugleich Auftakt der Ringvorlesung Integration religiöser Vielfalt von der Antike bis zur Gegenwart, die bis zum Februar 2011 eine Fülle spannender Themen und prominenter Namen bieten wird – etwa Michael Borgolte (Juden, Christen und Muslime im Mittelalter), Olaf Blaschke (Katholiken und Protestanten im "Kulturkampf"), Janbernd Oebbecke (Integration des Islam in Deutschland) oder Navid Kermani (Frankfurt) und Angelos Chaniotis (Oxford).
Mittwoch, 27. Oktober, 19 Uhr, Friedenssaal/Rüstkammer
Treffen der Religionsgemeinschaften und Konfessionen
Es gehört mittlerweile zur guten Tradition – und steht geradezu symbolisch für den Gedanken der münsterschen "Dialoge zum Frieden": Das Treffen, zu dem der Oberbürgermeister – in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) – die Repräsentanten der in Münster vertretenen Religionsgemeinschaften, Konfessionen und Konfessionsfamilien in den Friedenssaal einlädt. Das dem Empfang folgende informelle Zusammensein soll den geladenen Gästen vielfältige Gelegenheiten bieten zu einem möglichst regen Austausch über Themen von gemeinsamem Interesse.
Donnerstag, 28. Oktober, 20 Uhr, Stadtbücherei/Lesesaal
Lesung: Die Schatten der Städte
Dzevad Karahasan, geboren 1953 in Duvno (Bosnien-Herzegowina), ist in den literarischen Traditionen sowohl der antiken wie auch der islamischen und christlichen Welt zu Hause. Die Belagerung Sarajevos war Thema seines "Tagebuchs der Aussiedlung" sowie der Romane "Sara und Serafina" und "Schahrijars Ring". Sein Werk wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Über seinen neuesten Essayband "Die Schatten der Städte" urteilt die Neue Zürcher Zeitung: "In seiner bescheidenen Gründlichkeit bewirkt Karahasan nichts Geringeres, als dass dem Leser die Augen geöffnet werden."
Die in Münster lebende Karahasan-Übersetzerin Katharina Wolf-Grießhaber wird anwesend sein. Moderation: Hermann Wallmann, Literaturverein
Freitag, 29. Oktober, 9 Uhr, Franz Hitze Haus
Schülerakademie
Schülerinnen und Schüler der münsterschen Gymnasien befassen sich mit aktuellen politischen und religiösen Konflikten, denken über mögliche Strategien der Konfliktlösung nach und vor allem darüber, was jede und jeder Einzelne für den Frieden tun kann. Durchaus mit Folgen über den Tag hinaus: 17 Teilnehmende der letztjährigen Akademie nehmen im November 2010 in Haifa an einem Austausch mit israelischen und palästinensischen Jugendlichen teil.
In diesem Jahr geht es anlässlich der Friedenspreisverleihung um die Frage, ob und wie Kunst und Musik junge Menschen dazu "verführen" können, das Verbindende statt des Trennenden in den Mittelpunkt zu stellen. Gäste der Akademie sind Linda Reisch vom Barenboim-Musikkindergarten aus Berlin sowie der Palästinenser Ramzi Aburedwan, ehemals aggressiver Aktivist und heute musikalischer Friedensbotschafter.
Freitag, 29. Oktober, 16 Uhr, Landeshaus
Podiumsgespräch: Von Musik und Toleranz
Die diesjährige Podiumsrunde steht in engem Zusammenhang mit der Verleihung des Preises des Westfälischen Friedens 2010: Ramzi Aburedwan (Gründer der Geigenschulen Al Kamandjati), Linda Reisch (Geschäftsführerin des Musikkindergartens Berlin) sowie Mitglieder des West-Eastern Divan Orchestra (WEDO) im Gespräch mit Manfred Erdenberger.
Ein Bild, das sich eingeprägt hat: Mit Tränen der Wut in den Augen schleudert ein kleiner palästinensischer Junge einen Stein auf die israelische Armee, mitten im aussichtslosen Kampf der ersten Intifada. Aus dem Jungen ist zwanzig Jahre später ein visionärer Musiker und Friedensbotschafter des Nahen Ostens geworden: Ramzi Aburedwan. Eine entscheidende Erfahrung für seine Entwicklung: Er spielte die Viola im West-Eastern Divan Orchestra. Im Geiste des Orchesters hat Ramzi Aburedwan Musikschulen in palästinensischen Städten und Flüchtlingscamps sowie im Libanon ins Leben gerufen, in denen Kinder in arabischer und europäischer klassischer Musik unterrichtet werden.
Linda Reisch
Linda Reisch
Linda Reisch beschäftigt sich als Geschäftsführerin des ebenfalls von Daniel Barenboim gegründeten Musikkindergartens Berlin seit Jahren mit der ästhetischen Bildung von Kindern. Derzeit hält sie in Frankfurt einen Lehrauftrag mit dem Schwerpunkt Ästhetische Bildung. Die Mitglieder des WEDO können aus aktuellem eigenen Erleben zum (möglichen) Zusammenhang von Musik und Toleranz Auskunft geben.
Moderiert wird das Gespräch von Manfred Erdenberger, ehemaliger Chefkorrespondent des WDR. 2006 gründete Erdenberger die Deutsche Initiative für den Nahen Osten (DINO), die sich für Beiträge der Zivilgesellschaft zum Frieden in der Region einsetzt.
Samstag, 30. Oktober, 11 Uhr, Rathaus-Festsaal
Verleihung des Preises des Westfälischen Friedens 2010 der Wirtschaftlichen Gesellschaft für Westfalen und Lippe an
Daniel Barenboim und das West-Eastern Divan Orchestra
Die Auszeichnung wird alle zwei Jahre verliehen – in zwei Kategorien. Geehrt werden jeweils eine herausragende Persönlichkeit, die sich für Einheit und Frieden einsetzt, sowie Jugendliche, die vorbildlich für diese Ziele arbeiten.
In dem von Daniel Barenboim und dem verstorbenen palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward W. Said gegründeten West-Eastern Divan Orchestra (WEDO) treffen beide Aspekte des Preises in geradezu idealer Weise zusammen. Seit seiner Gründung in Weimar im Jahr 1999 trägt das Orchester seine Botschaft von Völkerverständigung und Annäherung durch Dialog in die Welt: Israelische und arabische Musiker, Juden, Moslems und Christen spielen hier Seite an Seite, geleitet und inspiriert von einem der bedeutendsten Dirigenten der Gegenwart. Mit dem West-Eastern Divan Orchestra, so heißt es in der Begründung der Jury, leiste Daniel Barenboim einen außergewöhnlichen Einsatz für die Versöhnung von Israelis und Palästinensern und setze dabei nicht auf "die Macht des Wortes", sondern auf "die Macht der Musik".
ab 11 Uhr, Stubengassenplatz
Live-Übertragung der Preisverleihung auf einer LED-Wand auf dem Stubengassenplatz