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Veranstaltungen
Making of: Geschichtsorte neu denken
Prof. Dr. Saskia Handro, Thomas Köhler, Stefan Querl, Prof. Dr. Holger Thünemann (Münster)
Ort: Hörsaal F2 im Fürstenberghaus, Domplatz 20–22
Museen, Gedenkstätten, Archive und so auch der Geschichtsort Villa ten Hompel stehen gegenwärtig vor zahlreichen Herausforderungen. Sie sind mit grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen konfrontiert – wie der Pluralität der Erinnerungen in der Migrationsgesellschaft oder transnationalen Vernetzungen, aber auch Konflikten. Darüber hinaus verändern sich im Zeitalter der Digitalisierung nicht nur die Kulturen des Sammelns, Bewahrens und Ausstellens, sondern vor allem auch der Kommunikation über Historisches. Das betrifft nicht zuletzt die Arbeit von Gedenkstätten, die sich beispielsweise mehr denn je mit der Frage auseinandersetzen müssen, wessen Geschichte(n) erzählt werden soll(en) und wie politisch ihre Arbeit angesichts einer massiven Verschiebung der Grenzen des Sagbaren sein muss bzw. noch sein kann.
Über diese und andere Transformationsprozesse möchten wir als Münsters Geschichtsort im Wintersemester 2024/25 gemeinsam mit dem Institut für Didaktik der Geschichte der Universität Münster im Rahmen der Ringvorlesung „Making of: Geschichtsorte neu denken“ gemeinsam mit Wissenschaftler*innen und Akteur*innen der Geschichtskultur aus dem In- und Ausland diskutieren. Anfang 2025 wird die Reihe abgeschlossen mit Impulsen von Noa Mkayton (7.1.), Imanuel Baumann (21.1.) und einer Podiumsdiskussion mit Mirjam Zadoff, Axel Drecoll und Elke Gryglewski (Do.! 6.2.).
In Kooperation mit dem Institut für Didaktik der Geschichte der Universität Münster.
Taking off?
Geschichtsorte in der Migrationsgesellschaft
Prof. Dr. Joachim Baur (Dortmund)
Dienstag, 22. Oktober, 18 Uhr
Ort: Hörsaal F2 im Fürstenberghaus, Domplatz 20–22
Museen und Gedenkstätten fällt es traditionell schwer, sich erfolgreich in die Migrationsgesellschaft zu integrieren: Jahrelang versäumtes Sammeln und Forschen zeitigt erhebliche Wissensund Gedächtnislücken. Mangelnde Sprachkenntnis und Sprechfähigkeit erschweren die Kommunikation. Fehlende Kontakte und interkulturelle Schlüsselkompetenzen führen zum Rückzug in vertraute Gefilde. Eingeschliffene Identitäten erschweren die Anpassung an gewandelte Umstände. Und hinter den Kulissen lassen weithin homogene Milieus nicht selten den Anschein von Parallelgesellschaften entstehen. Mangelt es den Institutionen trotz jahrzehntelangem Fördern und Fordern an Integrationsbereitschaft? Oder ist der Wandel längst im Gange? Der Vortrag diskutiert diese und weitere Fragen zum Verhältnis von Geschichtsorten bzw. Museen und Migration mit Blick auf Tendenzen im deutschen und internationalen Kontext. Der Bogen führt von Geschichtsorten als nationaler Meistererzählung der Migration über Schauplätze einer Verschiebung hin zu migrantischen Perspektiven bis zur Umwidmung von Institutionen im Zeichen der Migration. Ein Schwerpunkt liegt auf Artikulationen eines gegenhegemonialen und radikaldemokratischen Erinnerns der Migrationsgesellschaft „von unten“.
Prof. Dr. Joachim Baur ist Professor für Empirische Kulturwissenschaft am Institut für Kunst und Materielle Kultur der TU Dortmund. Mit Katrin Pieper betreibt er die Ausstellungsagentur „Die Exponauten. Ausstellungen et cetera“ in Berlin. Seit Januar 2023 ist er im Vorstand von ICOM Deutschland. Er lehrt und forscht u. a. zu Repräsentationen von Migration, Analysen materieller Kultur, Geschichte und Zukunft des Museums sowie Theorie und Praxis des Kuratierens.
Publikum. Personal. Programm
Drei Herausforderungen der Vermittlung im Museum
Prof. Dr. Gisela Weiß (Leipzig)
Dienstag, 29. Oktober, 18 Uhr
Ort: Hörsaal F2 im Fürstenberghaus, Domplatz 20–22
Der Paradigmenwechsel zur Besucher*innenorientierung ist in den 1990ern gestartet. Er hat der Museumspädagogik, Bildung und Vermittlung oder Kulturellen Bildung – oder wie immer diese Querschnittsaufgabe im Museum auch benannt wird – einen wesentlichen Aufwind beschert. „From being about something to being for somebody“, so das prägnante Motto des US-amerikanischen Museologen Stephen E. Weil. Damit verbunden war eine Ausweitung des Vermittlungshorizontes jenseits traditioneller Formate von Führungen, Vorträgen, Workshops, die vom Museumspersonal schon längst für verschiedene Zielgruppen angeboten wurden. Unweigerlich musste die Frage folgen, für wen, was und auf welche Weise Museen vermitteln sollen und wollen: Wer spricht? Über und für wen? Und über was? Diesen Fragen und geschlussfolgerten Initiativen, die der kulturellen Teilhabe in einer immer diverser werdenden Gesellschaft zuspielen soll(t)en, widmet sich der Vortrag. Er versucht aktuelle Herausforderungen und Chancen der Vermittlung im Museum zu konturieren, über die es zu diskutieren gilt.
Prof. Dr. Gisela Weiß ist Historikerin und seit 2006 Professorin für Museums - pädagogik an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig. 2017 richtete sie zusammen mit dem Bundesverband Museumspädagogik e.V. den weiterbildenden Master „Museumspädagogik | Bildung und Vermittlung im Museum“ an der HTWK ein. Ihr Berufsleben begann am Stadtarchiv Münster – im Bereich Historischer Bildungsarbeit – und im Westfälischen Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte, dem heutigen LWL-Museum für Kunst und Kultur. 2014 hat sie den Arbeitskreis Bildung & Vermittlung im Deutschen Museumsbund e.V. mit konstituiert, deren stellvertretende Vorsitzende sie bis heute ist.
Auschwitz – das 21. Jahrhundert
Neue Ideen, neue Herausforderungen
Andrzej Kacorzyk (Oświęcim)
Dienstag, 12. November, 18 Uhr
Ort: Hörsaal F2 im Fürstenberghaus, Domplatz 20–22
Seit 80 Jahren werden Auschwitz und Auschwitz-Birkenau, das ehemalige deutsche NS-Konzentrationslager und das größte Vernichtungszentrum der europäischen Jüdinnen*Juden, von Millionen von Menschen aus aller Welt besucht. Dank des Erhalts von Gebäuden, von Gegenständen der Deportierten und dank der Berichte der Überlebenden ist die Gedenkstätte Auschwitz das bekannteste Symbol für den Holocaust. Generationell bedingt finden nur noch selten Begegnungen mit Zeitzeug*innen statt. Die Erinnerung an Auschwitz wird jedoch durch familiäre Erzählungen, Literatur, Filmkunst und Medienberichterstattungen wachgehalten. Für die Zukunft stehen vielfältige Herausforderungen an, über die Andrzej Kacorzyk berichten wird. So werden ab 2025 schrittweise neue Ausstellungsteile zugänglich gemacht. Aber auch Fragen des Digitalen eröffnen neue Möglichkeiten. Eine weitere Herausforderung wird darin liegen, eine Ausstellung über Lagerkunst zu kuratieren, um so einen anderen Zugang zu Auschwitz und der Wirkungsgeschichte bis ins 21. Jahrhundert zu öffnen.
Andrzej Kacorzyk ist Pädagoge und seit Juli 2012 stellvertretender Leiter des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau in Oświęcim und dort verantwortlich für das Internationale Zentrum für Bildung über Auschwitz und den Holocaust. Er ist Mitglied in mehreren Beiräten, u. a. beim Museum der Märtyrer in Żabikowo, das sich um die Gedenkstätte des ehemaligen Mordlagers Kulmhof kümmert, in der Internationalen Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim und am Museum für jüdische Flüchtlinge in Shanghai.
„Zien, denken, doen“
Wie aktualisieren sich Geschichtsorte in den Niederlanden?
Prof. Dr. Jacco Pekelder (Münster)
Dienstag, 19. November, 18 Uhr
Ort: Hörsaal F2 im Fürstenberghaus, Domplatz 20–22
2024 eröffnete in Amsterdam das Nationale Holocaust Museum seine Türen. Sein Motto „Sehen, denken, tun“ erhellt den Kern der museumsdidaktischen Aktualisierung vieler Geschichtsorte in den Niederlanden. Jacco Pekelder zeigt, welche Konzepte dort erarbeitet wurden, um jüngere Generationen mit neuen Sensibilitäten an sich zu binden. Auch Museen ohne unmittelbaren Bezug zur NS-Diktatur oder zur deutschen Besetzung der Niederlande im Zweiten Weltkrieg, wie das Museum Huis Doorn, der Exilort des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. nach seiner Abdankung 1920 bis 1941, liefern dazu spannende Einblicke.
Prof. Dr. Jacco Pekelder lehrt seit 2021 an der Universität Münster niederländische Geschichte und leitet dabei das universitäre Zentrum für Niederlande-Studien (ZNS). Die Erinnerungskultur im deutsch-niederländischen Vergleich bildet eines seiner Themen. Ihn binden mehrere Kooperationsprojekte an das Museum Huis Doorn. 2023 entwickelten Studierende des ZNS zusammen mit der Villa ten Hompel und dem Nationaal Onderduik Museum in Aalten einen Schülerworkshop über Polarisierung im Rahmen der Projektförderung von Interreg VI.
Fülle und Leere
Kuratieren als Ermöglichen
Prof. Dr. Lioba Keller-Drescher (Münster)
Dienstag, 26. November, 18 Uhr
Ort: Hörsaal F2 im Fürstenberghaus, Domplatz 20–22
Kuratieren ist in den letzten Jahren zu einer Art Modewort des kulturellen Handelns geworden – von Playlist bis Veranstaltungsprogramm – und hat dabei in der Öffentlichkeit etwas von seiner Magie eingebüßt. Andererseits ist Kuratieren zu einem anspruchsvollen Programmbegriff der erweiterten Ausstellungspraxis in Kulturinstitutionen geworden. Übersetzt man „kuratieren“ als „Zugang ermöglichen“ zu Kulturerbe, Erinnerungskultur und kulturellen Artefakten, dann wird ein breites Feld an Möglichkeiten und Ansprüchen an die Tätigkeit des Kuratierens und an die hier tätigen Personen und Institutionen sichtbar. Galt es historisch betrachtet, die Fülle an Artefakten zu sortieren und in einer Ordnung vorzustellen, sind es heute vielfach die Leerstellen, die in die Gesten des Deutens und Zeigens einbezogen werden müssen. Der Vortrag wird sich an historischen und aktuellen Beispielen mit den sich verändernden Aufgabenfeldern und Praktiken des Kuratierens auseinandersetzen.
Prof. Dr. Lioba Keller-Drescher ist Professorin für Europäische Ethnologie am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie der Universität Münster. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen in den Bereichen Museum, Sammlung und Materielle Kultur, hier insbesondere Textil und Mode. Sie veranstaltet jährlich eine Summer School zur Museologie und ist Inhouse-Fellow der Kollegforschungsgruppe „Zugang zu kulturellen Gütern im digitalen Wandel“.
Geschichtsorte im digitalen Raum
Ein kritischer Blick auf aktuelle Debatten und Formate
Steffen Jost (Berlin)
Dienstag, 10. Dezember, 18 Uhr
Ort: Hörsaal F2 im Fürstenberghaus, Domplatz 20–22
Biografien von KZ-Häftlingen auf TikTok, Quellenbestände in Online-Archiven, Zeitzeug*innen in VR-Umgebungen oder Widerstandsgeschichte in digitalen Spielen. Digitale Formate sind für die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus und damit auch für Geschichtsorte nicht mehr wegzudenken. Vielleicht müssen wir sogar von einem grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der Art und Weise, wie die Geschichte des Nationalsozialismus vermittelt werden soll, sprechen. Oder etwa nicht? Nach Jahren projekthafter, oft experimenteller Herangehensweisen an das Thema stellt sich inzwischen nämlich die Frage, wie es weitergehen soll. Wenn Vermittlung und Gedenken im digitalen Raum nicht nur ein Add-On für „junge Menschen“, sondern fester Bestandteil einer zeitgemäßen und kritischen Erinnerungskultur sein sollen, müssen nachhaltige Strukturen und Konzepte geschaffen werden. Der Vortrag wird eine Bestandsaufnahme der Digital Memory in einer kritischen Phase liefern und den Blick auf Möglichkeiten, Herausforderungen, Lücken und Trends lenken.
Steffen Jost ist Head of Program der Alfred Landecker Foundation. Er entwickelt und verantwortet zudem die Strategie und Projekte im Themenbereich „Digital History and Memory“. Dabei fokussiert er sich vor allem auf innovative und digitale Formate, die sich mit der Geschichte des Holocaust und des Nationalsozialismus auseinandersetzen. Er hat zuvor lange Jahre im gedenkstättenpädagogischen Bereich, u. a. als Leiter der Bildungsabteilung der KZ-Gedenkstätte Dachau, gearbeitet und schon dort viele Digitalprojekte umgesetzt.