In memoriam – zwischen Trauer und Aufbruch


„[…] der Vernunft überlegen und mit der sprechenden Unausgesprochenheit, welche nur der Musik gegeben ist […]“
Serenus Zeitblom in Doktor Faustus, Thomas Mann
Die Metamorphosen von Richard Strauss und Dmitri Schostakowitschs Kammersymphonie gehören neben Tschaikowskis Streicherserenade, Barbers Adagio für Streicher und Schönbergs Verklärter Nacht zu den wichtigsten, bekanntesten und bewegendsten Kompositionen für Streichorchester. Die Entstehung beider Kompositionen ist eng mit dem persönlichen Erleben der Komponisten in der Zeit des Zweiten Weltkriegs verknüpft. Sowohl Strauss als auch Schostakowitsch verarbeiten Erfahrungen von Verlust, Zerstörung und Diktatur in ihrer Musik. Johann Nepomuk Davids Melancholia steht in seiner Entstehung nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen, doch kann man das von Albrecht Dürers berühmten gleichnamigen Stich inspirierte Bratschenkonzert durchaus als eine Auseinandersetzung Davids mit seiner Vergangenheit hören. Wie auch Strauss und Schostakowitsch war David mit seiner Existenz von politischen Konzessionen abhängig – was im Nachhinein auch immer wieder Kritik laut werden ließ. So ist es lohnend, sich auf eine Musik einzulassen, die unter solchen Umständen entstanden ist. Es sind Klänge, die unmittelbar berühren – die etwas von den Seelenzuständen dieser Zeit ahnen lassen – von ihren Sehnsüchten und ihren Hoffnungen, ihren Verzweiflungen und Ängsten, und von ihren Erinnerungen und Utopien.
Richard Strauss (1864-1949)
Metamorphosen (1944/45)
Studie für 23 Solo-Streicher
Dimitri Schostakowitsch (1906-1975)
Kammersinfonie, op. 110a (1960)
(Bearbeitung des 8. Streichquartetts für Streichorchester von Rudolf Barschai)
gewidmet den Opfern des Krieges und des Faschismus
Johann Nepomuk David (1895-1977)
Melancholia (1958)
Musik für Bratsche-Solo und Kammerorchester op. 53
Jean-Philippe Rameau (1683-1764)
Danse du grand calumet de la paix (1735/36)
aus Les Indes galantes
Kurzinformation zu den Werken:
Richard Strauss komponierte die Metamorphosen für 23 Solo-Streicher in den letzten Kriegswochen als Auftragswerk für den Schweizer Dirigenten Paul Sacher und seine Stiftung. Mit dem Zitat des Trauermarschs (2. Satz) aus Ludwig van Beethovens 3. Sinfonie, das er handschriftlich mit „in memoriam“ kommentiert, gibt am Ende des Werkes Anlass zu vielfacher Spekulation zum Verständnis des Stückes.
Dimitri Schostakowitsch schrieb sein 8. Streichquartett 1960 in der Nähe von Dresden, wo er sich im Rahmen von Dreharbeiten einem deutsch-sowjetischen Nachkriegsdrama (Fünf Tage und fünf Nächte) aufhielt, für das er die Filmmusik schrieb. Der Film sollte die Zerstörung der Stadt dokumentieren. Unter dem Eindruck der dafür mit Augenzeugen geführten Interviews komponierte er innerhalb weniger Tage das Quartett.
Johann Nepomuk David ließ sich für Melancholia 1958 von Albrecht Dürers bekannten gleichnamigen Stich von 1514 inspirieren. Das als freie Fantasie im erweiterten totalen Raum angelegte Werk entwickelt David aus einer Tonfolge, die sich von den Zahlen des von Dürer abgebildeten Magischen Quadrates (Jupiter-Quadrat) herleitet.
Das Ensemble
Francisco Domínguez - Viola
Mitglieder des Collegium musicum der RUB (Ruhr-Universität Bochum)
UMD Nikolaus Müller - Leitung
Francisco Domínguez wurde 1993 in Spanien geboren und studierte Komposition und Bratsche am Musikene in Donastia-San Sebastian und an der Kunstuniversität Graz (u.a. bei Beat Furrer). Als Komponist wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und arbeitete international mit verschiedenen Orchestern zusammen. 2021 wurde er für das Mentoring-Programm der Peter-Eötvös-Stiftung ausgewählt.
Im 2024 gegründeten Collegium musicum der RUB musizieren talentierte und musikalisch besonders engagierte Mitglieder der Ruhr-Universität Bochum und der musikalischen Ensembles der Universität gemeinsam mit hauptberuflich tätigen Instrumentalistinnen und Instrumentalisten Bochums und des Ruhrgebiets.
Nikolaus Müller ist seit 2016 als Universitätsmusikdirektor an der Ruhr-Universität Bochum tätig. Zuvor war er als Kapellmeister der Wiener Sängerknaben und als Chordirektor des Stadtsingechores Halle und der Robert-Franz-Singakademie beschäftigt. Zudem war er an verschiedenen Opernhäusern als Chordirektor engagiert. Erste musikalische Ausbildung erhielt er im Leipziger Thomanerchor und studierte in Leipzig, Dresden und Barcelona Dirigieren (u.a. bei Fabio Luisi).
Auf einen Blick
- Zeit: 10. Mai, 18:00 - 19:15 Uhr
- Ort: Friedenskapelle am Friedenspark (Willy-Brandt-Weg 37 b, 48155 Münster)
- Eintritt: frei, Sammlung am Ausgang
- Veranstalter*innen: Ruhr-Universität Bochum, Musisches Zentrum