Über uns
Geschichte der Westfälischen Schule für Musik 1919 - 2019
Vor 100 Jahren, ein Jahr nach Ende des ersten Weltkriegs, und damit in einer politisch und wirtschaftlich unsicheren Zeit, beschloss der Rat der Stadt Münster auf Anregung des Städtischen Musikdirektors Prof. Dr. Fritz Volbach, zwei für das künftige kulturelle Leben der Stadt bedeutende Institutionen zu gründen: das städtische Sinfonieorchester und die "Westfälische Schule für Musik", die als Konservatorium für die musikalische Ausbildung im beruflichen wie im Laienbereich verantwortlich sein sollte.
Dem Orchester stand mit der neuen Stadthalle eine großzügige, Platz bietende Wirkungsstätte zur Verfügung. Die neue "Musikhochschule" dagegen musste sich mit den Räumen einer angemieteten Etage in der Ludgeristr. 5 begnügen. Unten im Haus befand sich das "Metropol-Theater", ein Varieté mit bayrischer Musikkapelle und entsprechender musikalischer Ausstrahlungskraft zur ersten Etage hin. Die räumliche Situation mit zu wenigen, zu kleinen und nicht schallgeschützten Räumen war unbefriedigend.
Auf dem Lehrplan des neuen Konservatoriums standen neben Sologesang und den Instrumentalfächern u. a. Theorie, Komposition, Dirigieren, Chorgesang, Orchesterspiel, Musikgeschichte, rhythmische Gymnastik, dramatischer Unterricht, Kammer-musikklassen, Opernschule und Orchesterschule. Außerdem wurde ein Musiklehrerseminar gegründet.
Der Versuch des zweiten Schulleiters, Rudolf Schulz-Dornburg, eine "Akademie für Bewegung, Sprache und Musik" zu gründen, misslang aus finanziellen Gründen, die der schwierigen Nachkriegszeit geschuldet waren. Schulz-Dornburg ging mit seinen Ideen, seinem Konzept und mit dem bereits für Münster verpflichtetem Kollegium nach Essen, wo aus diesen Plänen die heute international renommierte Folkwang-Hochschule entstand.
Umzug in den Romberger Hof
1925 zog die Musikschule in den Romberger Hof. Dieser alte Adelshof an der Neubrückenstraße besaß einen wunderbaren Konzert- und Vortragssaal, der mit seinen etwa 80 Plätzen meistens zu klein war, so dass das benachbarte "Zimmer 2" als zusätzlicher Stehplatzraum genutzt wurde. Dieser Raum war besonders beliebt bei den Fachstudierenden, die hier ungehindert kritisieren und diskutieren konnten.
In einer Sommernacht des Jahres 1941 wurde der Romberger Hof von Bomben fast völlig zerstört. Nur ein kleiner Teil der Fassade blieb stehen und wurde als integrierender Bestandteil später in den Neubau des Theaters einbezogen.
So war die Westfälische Schule für Musik am Ende des zweiten Weltkriegs ein Institut ohne Gebäude, ohne Instrumente und ohne Bibliothek und mit einem durch den Krieg dezimierten Kollegium.
In zunächst wechselnden Unterrichtsstätten wurde die Musikschule unter der Leitung von Werner Göhre allmählich wieder zu einem gut funktionierenden Institut im Sinne ihrer Gründungsväter mit Instrumental- und Gesangsunterricht, der Opernklasse, dem Musiklehrerseminar und dem Ansatz einer Jugendmusikschule.
1951 zog die Musikschule in das Haus "Am Kreuztor 1".
Musikpädagogische Entwicklung in den 1950er Jahren
Als sich 1952 in Hamm der Verband deutscher Musikschulen (VdM) organisierte, zählte die Westfälische Schule für Musik zu den Gründungs-Musikschulen. Prof. Hans-Joachim Vetter, der die Leitung der Schule 1958 übernommen hatte und Mitglied des Vorstands des VdM war, beteiligte sich maßgeblich an der Entwicklung eines ersten Lehrplanwerks und eines Strukturplans für Musikschulen.
Die musikpädagogischen Entwicklungen an der münsterschen Musikschule beeinflusste die Entwicklung des Musikschullebens in ganz Deutschland.
Teilung des Konservatoriums in Musikschule und Musikhochschule
1972 beschlossen Kultusministerkonferenz und Deutscher Musikrat die Trennung von Laienausbildung und professionellem Fachstudium, also auch das Ende der traditionellen Konservatorien. In der Folge entstand in Münster die Abteilung Münster der Musikhochschule Westfalen-Lippe für die Berufsausbildung, die heutige Musikhochschule. Als Bindeglied zur beruflichen Ausbildung entstand zusätzlich eine umfangreiche Abteilung der "Vorberuflichen Fachausbildung" mit dem Ziel, junge Menschen auf ein Hochschulstudium vorzubereiten. In diese Zeit – jetzt befindet sich die Musikschule in einem Domizil in der Königstraße und wird von Wilhelm Latour geleitet – fällt ebenso die Gründung der Abteilung für Jazz und Popularmusik (1974/75). Sie ist eine der ältesten Abteilungen dieser Art an Musikschulen bundesweit. Ute Lemper, Udo Lindenberg, Steffi Stephan und Jasper van´t Hof haben hier ihre Grundausbildung erhalten.
Umzug in die Himmelreichallee
Die Musikschule war inzwischen so gewachsen, dass sie aus allen Nähten platzte und der Rat der Stadt 1978 zum ersten Mal über die Unterbringung der Musikschule in einem eigenen Haus debattierte. Vier Jahre später zog die Musikschule dann endlich in das ehemalige Naturkundemuseum an der Himmelreichallee 50.
Prof. Ulrich Rademacher übernahm 1989 als neuer Leiter der Musikschule dieses Haus. Eine seiner ersten größeren Aktionen war die Gründung des Jugendsinfonieorchesters.
Damit war ein Impuls für das gesetzt, was ein besonderer Schwerpunkt der Musikschule werden sollte: Das Ensemblespiel, die Zusammenarbeit der verschiedenen Fachklassen. Damit wurde eine der großen Chancen und Aufgaben von Musikschulen überhaupt in den Vordergrund gestellt: nicht nur der Einzelunterricht unter einem gemeinsamen Dach, sondern das gemeinsame Musizieren von vielen verschiedenen Instrumentenfamilien. Die Gründung zahlreicher neuer Ensembles mit
unterschiedlicher stilistischer Orientierung ist das Ergebnis dieser langfristigen Arbeit.
Heute proben rund 40 feste Ensembles regelmäßig unter dem Dach der Musikschule.
Der schon in der Nachkriegszeit begonnene Austausch mit den Partnerstädten der Stadt wurde fortgesetzt und noch ausgebaut. Die ehemaligen "Zweigstellen" wurden zu fünf ausgebauten Stadtteilmusikschulen mit eigener Bezirksleitung und musikalischem und pädagogischem Profil.
1994 wurde ein bundesweit neuartiger Projektbereich an der Westfälische Schule für Musik gegründet, der inzwischen auch an anderen Musikschulen Nachfolger gefunden hat. Hier werden in Kursform Möglichkeiten geschaffen, sich mit einzelnen Aspekten des Musizierens genauer zu beschäftigen: im Angebot sind verschiedene Schnupper- und Wiedereinstiegsangebote, Spezialkurse wie Improvisieren, Pop-Songwriting oder Liedbegleitung sowie musiktheoretische Themen und Weltmusik.
Kooperationen
Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld der Musikschule wurde die Kooperation, allen voran Kooperationen mit allgemeinbildenden Schulen jeglichen Schultyps.
Die Programme JEKISS (jedem Kind seine Stimme) und JeKits (jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen) "musikalisieren" eine ganze Grundschule, die Streicher- oder Bläserklassen ganze Klasseneinheiten, Gesangsklassen einen Klassenverband am Gymnasium.
2011 wird die Jugendakademie Münster unter gemeinsamer Federführung der Musikhochschule Münster sowie der Westfälischen Schule für Musik gegründet. Besonders begabten Kindern und Jugendlichen vor allem aus der Region bietet sie Gelegenheit, eine umfassende, fachlich optimale musikalische Ausbildung zu erhalten.
Die Sonderprojekte JEKISS-DaZ (Deutsch als Zweitsprache), "Kinderhaus rockt" und "Hiltrup rockt" erreichen Kinder und Jugendliche mit Migrationsgeschichte oder aus bildungsfernen Schichten und verschaffen ihnen durch gemeinsames Musizieren einen aktiven Zugang zur Musik und zum eigenen Selbstbewusstsein.
Die Musikschule heute
Seit 2018 wird die Westfälische Schule für Musik von Friedrun Vollmer geleitet. Die Schule ist ein musikalisch-pädagogischer Kosmos aus 7.000 Schülerinnen und Schülern, die von rund 180 Lehrenden unterrichtet werden.
Herausforderungen und Handlungsfelder der Zukunft sind zum einen, den hervorragenden deutschlandweiten Ruf unserer Schule durch Spitzenleistungen weiter zu legitimieren, andererseits Brücken zu bauen zwischen den Musikalisierungsprogrammen in den allgemeinbildenden Schulen und dem Instrumental- und Gesangsunterricht im Kernbereich der Musikschule, um musikalische Bildungsbiographien – auch durch Angebote für lebenslanges musikalisches Lernen – zu verstetigen. Hierzu gehört auch die inklusive und interkulturelle musik(-pädagogische) Praxis.
Dazu braucht es verlässliche und solide Rahmenbedingungen für Musikschularbeit durch Nutzung digital gestützter Vermittlungsmethoden und aller Synergieeffekte, die sich in inhaltlicher wie räumlicher Hinsicht durch die Errichtung eines Musikcampus zusammen mit unseren Mitjubilaren Sinfonieorchester und Musikhochschule Münster ergeben würden.