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Freundeskreis
Empfehlung im Januar 2024 von Prof. Dr. Ferdinand Menne
Erika Mann:
Briefe und Antworten 1922 - 1950
Der Titel ist leider nicht mehr in unserem Bestand und nur noch antiquarisch lieferbar.
Als Thomas Mann Ehefrau Katia mit ihrem ersten Kind schwanger ging, fragte ihn die Großmutter seiner Frau, Hedwig Dohm, ob er sich einen Sohn oder eine Tochter wünsche: „Natürlich einen Jungen. Ein Mädchen ist doch nichts Ernsthaftes.“ Katja Mann fand das „schlimm“, sagt dann aber (leider) in ihren Memoiren: „Ich war immer verärgert, wenn ich ein Mädchen bekam, warum weiß ich nicht.“ Gegenüber seinem Bruder Heinrich zeigte Thomas Mann die Geburt eines „wohlgebildeten Mädchens“ an, zur Welt gekommen am 9.11.1905. Dass es ein Mädchen war, fand er aber auch hier als „Enttäuschung“: „Ich empfinde einen Sohn als poesievoller, mehr als Fortsetzung und Wiederbeginn meiner selbst unter neuen Bedingungen.“ Für ihn sind allgemein „Frauen … gute zweite Klasse“.
Irgendwann aber erhält Erika den geistigen Ritterschlag, indem er sie als „meines Geistes Kind“ begreift, als sein „Echo“.
Erika Mann war eine Ausnahmebegabung, heute würde man sagen, ein Multitalent (Schauspielerin, Kabarettistin, Rednerin, Journalistin, Buchautorin, bisexuell Liebende). Ihre Briefe sind feinfühlig und zärtlich, dann wieder krass und (selbst-)ironisch, auch wütend. Mit wem sie nicht befreundet war, mit dem wollte sie „wenigstens verfeindet“ sein. Von den Nazis wurde sie als „Zuhälterin des jüdischen Sklavenhalters“ oder als „pazifistische Friedenshyäne“ bezeichnet. Und schlug zurück: „… die Säue“; „verwesende Viecher“; „tout le horreur monde“; ein „einziger Sauhaufen“.
Noch 1946 spricht sie von dem „garstigen, unseligen Volk“, eine „teuflisch missratene und entgleiste Familie“. 1953 denkt sie schon ökologisch, spricht vom „world wide erkrankten Klima, das sich … in ganz Europa durch die pathologischste Wärme kundtut“.
Man muss diese Briefe zur (Wieder-)Lektüre empfehlen, vor allem Frauen, die nach kräftigen Vorbildern suchen, denen Weinerlichkeit fremd ist. Und Männern, die den Männerweg ernsthaft unter die Lupe nehmen wollen. Sie lesen von einer Frau, die ihre Briefe beendet mit Formulierungen wie „… treulichst: E.“, „sei höflichst geknutscht“; „Grüße für tout le monde von der arm-lieben E.“. In Zeiten von Google- und Smartphonisierung kann man eine Briefstellerin von besonderer Anmut lesen, die Gezwitscher nur von Vögeln aufnehmen würde.