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Empfehlung im Juli 2024 von Prof. Dr. Ferdinand Menne
Margaret Atwood
Brennende Fragen
Den Nobelpreis hat sie (noch?) nicht bekommen. Im Oktober 2017 erhielt sie den "Friedenspreis des deutschen Buchhandels" (Aus der Verleihungsurkunde: "Durch sie erfahren wir, wer wir sind, wo wir stehen und was wir uns und einem friedlichen Zusammenleben schuldig sind.").
"Brennende Fragen" versammelt etwa 60 kleinere und größere Texte. Das Buch ist in fünf Kapitel gegliedert. Es geht um Personen (Shakespeare, Rachel Carson, Doris Lessing, Franz Kafka u. a.), um Themen (Bäume, Vögel, Meere, Kindheit, Wissenschaft, Leben und Schreiben u. a.). Sie stellt sich zusammen mit den Lesern Fragen: Schriftsteller als politische Akteure? Im Ernst? - Welche Kunst unter Trump? - Seid gegrüßt, Erdlinge! Was sind diese Menschenrechte, von denen ihr sprecht? - Bin ich eine schlechte Feministin?
Margaret Atwood sagt, sie sei ohne Graeme Gibson (Ornithologe und Schriftsteller) nicht zu denken; er ist ihr Lebensmensch und Halt im Leben. 2012 wird eine Demenz bei ihm diagnostiziert. Sie gibt auch ein Beispiel dafür, wie man einen dementen Menschen im Leben halten kann. Das Buch ist ihrem Mann gewidmet ("Für Graeme - und für meine Familie"). Sie sieht in seinem Vergehen eine Parallele zum Vergehen der Welt. Das Schwinden der Welt beunruhigt sie tief. Es fordert sie noch stärker, sich als politische Schriftstellerin zu verstehen, die sich zum Beispiel fragt, wie Amerika sich einen Lügner, Betrüger und Menschenverächter als Präsidenten glaubt leisten zu können.
Politische Schriftstellerin zu sein bedeutet für sie zunehmend, Politik zu unterstützen, die "von Frauen für Frauen" gemacht wird. Sie nimmt für sich in Anspruch, ihren eigenen Feminismus zu entwickeln. Keinen Schreibtisch-Feminismus, sondern einen, der Männer gern als "Genossen" begrüßt und Solidarität auch auf den Straßen demonstriert.
Das Buch ist wie ein gelehrtes, aber überhaupt nicht belehrendes Lesebuch zu den Grund- und Streitfragen unserer Gegenwart angelegt. Man muß keinen akademischen Abschluss haben, um Margaret Atwood zu verstehen (auch in ihren Gedichten). In einer Zeit, da Unmassen von Büchern "auf den Markt geworfen" werden, die sich gegenseitig im Weg stehen, machen diese 701 Seiten ganze Bestseller-Bibliotheken zu "Mängelexemplaren". Es ist alles (manchmal tod-) ernst. Das hindert Margaret Atwood nicht, humorvoll, amüsant, ja albern zu sein. All das zeigt auch ein Dokumentarfilm von 2019: "Aus Worten entsteht Macht".
Es ist eine Lust, Margaret Atwood zu lesen!
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