Seiteninhalt
Literaturline
Lesung Februar 2020
Anneke Brassinga liest aus »Fata Morgana, dürste nach uns«
Der Gedichtband, den die renommierte niederländische Dichterin und Übersetzerin Anneke Brassinga beim 21. Internationalen Lyrikertreffen 2019 in Münster vorstellte, trägt den beschwörenden Titel: »Fata morgana, dürste nach uns!« (Ausgewählte Gedichte. Berlin: Matthes & Seitz 2016). Er erschien in der Reihe »Spurensuche« des Berliner Künstlerprogramms des DAAD, übersetzt wurden die Gedichte von Ira Wilhelm und Oswald Egger, das Nachwort schrieb Erik Lindner.
»Anneke Brassingas Gedichte beglücken durch Erfindungsreichtum und Quietschlebendigkeit. Ihre Texte pulsieren wie ein lebendiges Organ. In ihrem zentralen poetologischen Essay ›Das klopfende Herz des Textes‹ spricht sie von der unsichtbaren Substanz ihrer Texte: ›Bestehend aus Sprache, so wie wir alle aus Fleisch und Blut bestehen und trotzdem jeder anders ist, und, innendrin, das Leben.‹ So sind ihre Gedichte durchströmt von der Sehnsucht, der Welt Bedeutung einzuhauchen, und von dem Versuch, auch um den Preis des Scheiterns, ihrer Fülle gewahr zu werden, ihren Glanz zu preisen. Dies gelingt immer wieder mit einem sehr genauen Gespür für die Klang- und Bedeutungskränze der Sprache und mit einem ganz eigenen, barocken, aus Ironie und Musik gefügten Ton, ohne Angst vor Dissonanzen. Ira Wilhelm hat in ihren Übersetzungen die Intensität des Brassinga-Kosmos sehr genau getroffen, dessen nie nachlassende Energie, denn es gibt keine Ruhebereiche in dieser Dichtung.« (Joachim Sartorius)
»Einerseits liebt Brassinga das Spiel mit Wortneuschöpfungen – zugleich erscheint ihre Lyrik wie ein ›Sanktuarium für bedrohte Wörter‹, so Rob Schouten. Dennoch bewegen sich ihre Gedichte nicht einfach in einer rein sprachlich definierten Parallelwelt, sondern wurzeln sehr wohl in der Realität. Viele ihrer Gedichte handeln vor allem von der Natur – für Brassinga Inbegriff der Schöpfung selbst. Ihr huldigt sie, indem sie nicht zuletzt auch das Dichten als eine Art Schöpfung erachtet, die etwas ins ›Seyn‹ bringt (so der Titel eines ihrer Gedichte), sprich: den Akt der Schöpfung am Material der Sprache selbst nachvollzieht. Was Brassinga für die Lektüre eines jeden Gedichtes als unabdingbar erachtet – gilt übrigens auch für die Lektüre ihres Werkes: Es fordert dazu heraus, den Text als eine hieroglyphische Ganzheit zu verstehen – samt seines Klangs und seiner rhythmischen Muster.« (Hermann Wallmann, Literaturverein Münster)
Anneke Brassinga, geb. 1948 in Schaarsbergen, Arnheim, lebt in Amsterdam. Studium der Übersetzungswissenschaft. Sie übersetzte u. a. Ingeborg Bachmann, Samuel Beckett, Hermann Broch, Vladimir Nabokov und Sylvia Plath ins Niederländische. 1985 erschien mit »Brassinga’s debuut« ihre erste Publikation, der 1987 der Gedichtband »Aurora« und bis heute neun weitere Lyrikbände folgten, u. a. der 2005 publizierte Sammelband »Wachtwoorden« mit Gedichten der Jahre 1987-2003. Die Dichterin, Prosaautorin, Essayistin und Übersetzerin wurde in den Niederlanden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet: unter anderem wurde sie für ihr Gesamtwerk 2008 mit dem Constantijn Huygenspreis und 2015 mit dem P.C. Hooftpreis, dem bedeutendsten Literaturpreis der Niederlande, geehrt. 2014 war sie Gast des Berliner Künstlerprogramms des DAAD.
Weitere Information über Anneke Brassinga:
Jetzt anhören:
Auszug aus der Lesung von Anneke Brassinga beim Internationalen Lyrikertreffen 2019. Die Übersetzungen der Gedichte liest Anna Eble.
Anneke Brassinga im Gespräch mit Hermann Wallmann beim Internationalen Lyrikertreffen 2019