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Literaturline
Lesung Dezember 2015
»Wundertiere«: Heinrich Deterings Fragen nach den ersten und letzten Dingen – und dem Alltag dazwischen
Beim diesjährigen 19. Internationalen Lyrikertreffen gab der Lyriker und Literaturwissenschaftler Heinrich Detering Einblicke in seinen aktuellen Gedichtband »Wundertiere« (2015 im Wallstein Verlag erschienen).
In diesem Gedichtband greift Heinrich Detering aus in eine Geschichte, die in die Natur vor dem Menschen zurückreicht. Er führt Gespräche mit den Toten, erkundet den Alltag aus der Perspektive von Kindern, fragt nach den Vögeln von Golgatha und nach den Grottenolmen, die bei acht Grad im Dunkeln ihr Dasein fristen. Er beobachtet so unterschiedliche Gestalten wie den Konstrukteur einer Sprechmaschine im England des 18. Jahrhunderts, den vom Blitz erschlagenen Erfinder des Blitzableiters oder den Papst, der auf dem Petersplatz seine Umgebung vergisst. Im leichten Umgang mit strengen Formen entfaltet er eine Poesie, die mit Demut, Neugier und Spielwitz nach den ersten und den letzten Dingen fragt – und nach dem Alltag dazwischen.
»[D]er Mann aus Göttingen [beherrscht] die Kunst, Schweres leicht zu sagen. […] In vielerlei Formen – vom festen Metrum bis zum freien Vers, gereimt oder ungereimt – sinnt er der menschlichen Existenz nach. Ja, der Mensch ist eine vorübergehende Erscheinung auf Erden. Deterings Verse schicken Blitzlichter in die Ewigkeit – bis ganz nüchtern der Wecker klingelt. Die einfachen Dinge sind es, an denen er seine Gedichte festmacht. Alles Erhabene holt er auf den Boden der Tatsachen zurück.« (Dorothea von Törne)
»Auch in den […] neuen Gedichten von Heinrich Detering zeigt sich das lyrische Ich als belesen und reflektiert, gleichwohl zielen die Texte immer aufs Neue auf den Moment, in dem innen und außen glückhaft, erschütternd oder erkenntnisfördernd aufeinandertreffen. […] Viele Gedichte in dem Bändchen beziehen sich auf historische Ereignisse oder literarische Texte; wo es dem Verständnis dient, ist Detering mit kurzen Anmerkungen behilflich. Es geht ihm aber nicht darum, mit exquisitem historischem Wissen zu beeindrucken, in der Geschichte wie in der Literatur sucht er eher den manchmal kuriosen Moment, die Plötzlichkeit, in der sich etwas erhellt. […] Einige Gedichte sind auf bewegende Weise persönlich oder familiengeschichtlich, reden von nächtlichen Besuchen, von Tod, Verlust und Sprachlosigkeit. So zeigt sich Detering in der Tradition einer Moderne seit Baudelaire, die Dichtung als Gedächtnis des Leidens begreift und in der zum Dichter wird, wer nicht vergessen kann, was doch unwiederbringlich verloren ist.« (Friedemar Apel/FAZ)
Heinrich Detering, 1959 in Neumünster geboren, studierte Deutsche Philologie, Theologie, Skandinavistik und Philosophie in Göttingen, Heidelberg und Odense. Heute lebt er in Göttingen und lehrt Literaturwissenschaft an der Universität Göttingen. Seit 2011 ist er Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Er ist u.a. Mitherausgeber der kommentierten Ausgabe der Werke, Briefe und Tagebücher von Thomas Mann und Autor eines Buchs über Bob Dylan. Er leitet die Veranstaltungsreihe »Das lyrische Quartett« im Münchner Lyrik Kabinett und ist als Literaturkritiker, Übersetzer und Lyriker tätig. 2003 erhielt er den Julius-Campe-, 2012 den H.-C.-Andersen-Preis. 2003 war er Paul Celan Fellow in St. Louis, 2004 Poetikdozent in Mainz, 2008 Ehrengast der Villa Massimo, 2012 Liliencron-Dozent für Lyrik in Kiel, 2014 Aston Poet in Residence in Birmingham.
Ausführliche Informationen über Heinrich Detering auf seiner Website:
www.heinrichdetering.de
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Heinrich Detering »Wundertiere«