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Literaturline
Lesung Juni 2017
Jon Fosse und Hinrich Schmidt-Henkel, aus der Lesung zum Internationalen Lyrikertreffen am 20. Mai 2017
Zum Abschluss des Internationalen Lyrikertreffens 2017 zeichnete die Stadt Münster den norwegischen Dramatiker und Dichter Jon Fosse und seinen deutschen Übersetzer Hinrich Schmidt-Henkel für den Gedichtband »Denne unforklarlege stille / Diese unerklärliche Stille« (2016) aus - einen Band, der geprägt ist von einer »reduzierten Lyrik und einer großen minimalistischen Intensität«.
Für seine Romane und Theaterstücke wurde der Nobelpreiskandidat Jon Fosse vielfach mit Preisen bedacht, die poetische Stimme von Fosse ist in Deutschland hingegen so gut wie unbekannt. So erschien mit dem im münsterschen Verlag Kleinheinrich veröffentlichten bibliophilen Band mit Radierungen von Olav Christopher Jenssen zugleich die erste deutschsprachige Übersetzung der Gedichte Fosses.
Jon Fosse verschwende seine Sprache nicht, setze Worte nur dort ein, wo sie unvermeidlich werden. »Trotz ihres kargen Sprachmaterials sind seine Gedichte enorm aufgeladen«, urteilt die Jury über diesen Lyrikband. Die Poesie des Norwegers werde »ausnahmslos schattiert von der komplexen Tragik wie Schönheit der menschlichen Existenz«.
Ohne herausragende Übersetzer kann es keine internationale Lyrik geben. Der gebürtige Berliner Hinrich Schmidt-Henkel hat sich als Übersetzer von Lyrik und von Prosa und Theaterstücken einen Namen gemacht. Die Jury sagt: »Ihn zeichnet eine beeindruckende Sprachgenauigkeit und Sprachsensibilität aus.« Gewürdigt werde mit Jon Fosse eine Stimme, die auf einem »ungewohnt konzentrierten Umgang mit Sprache innerhalb einer von Sprachflut, Wortreizen (…) durchzogenen Moderne beharrt«. Und gewürdigt werde zugleich mit Schmidt-Henkel ein Übersetzer, der diese Stimme »absolut authentisch ins Deutsche zu übersetzen vermag.«
Jon Fosse, geboren 1959 in der norwegischen Küstenstadt Haugesund. Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft. Er war Dozent an der Akademie für Kreatives Schreiben im Hordaland und lebt heute als freier Schriftsteller in Oslo sowie in Hainburg an der Donau in Österreich. International bekannt wurde er durch seine mehr als dreißig Theaterstücke, die weltweit aufgeführt werden und ihm zahlreiche Preise einbrachten. Für »Trilogie« bekam er den Literaturpreis des Nordischen Rates 2015 verliehen. Seit 2011 genießt er lebenslanges Wohnrecht in der »Grotte«, einer Ehrenwohnung des norwegischen Staates am Osloer Schlosspark. Jon Fosse ist der bedeutendste europäische Dramatiker der Gegenwart. Seine Stücke und Prosatexte wurden in 40 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet.
»Bewegung lautet eines der Wörter, die Jon Fosse in seinen Gedichten beschwört. Bewegung und die Verwandlung der Dinge. Es ist ein nachgerade essenzielles Schreiben, das mit einer einfachen Sprache auskommt. Die Kunst Fosses liegt weniger in der originellen Wortfindung als in der Variation der sprachlichen Momente. […] Die eigentliche Bewegung ist in der Sprache.« (Nico Bleutge)
Hinrich Schmidt-Henkel, geboren 1959 in Berlin. Studium der Germanistik und Romanistik in Saarbrücken. Nachdem er längere Zeit im Saarland, in Hamburg, in der Schweiz und anderen Ländern verbrachte, lebt er heute wieder in Berlin. Seit 1987 literarischer Übersetzer aus dem Französischen, Norwegischen, Italienischen, Dänischen. Daneben Tätigkeit als Moderator literarischer Veranstaltungen, als Sprecher und Fernsehautor. Von 1991 bis 1993 Persönlicher Referent, dann Pressesprecher von Christina Weiss in deren erster Legislatur als Hamburger Kultursenatorin. Seit 2008 erster Vorsitzender des Verbandes der Literaturübersetzer VdÜ. Zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen, zuletzt 2017 Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW gemeinsam mit Frank Heibert für Raymond Queneau »Stilübungen«, 2015 Eugen-Helmlé-Preis, 2007 Deutscher Jugendliteraturpreis mit Jon Fosse und dessen Kinderbuch »Schwester«.
»Hinrich Schmidt-Henkel taucht mit jeder Übersetzung in das Universum des Textes ein und liefert eine dem Original treue, dem Autor gegenüber loyale Version, ohne sich aber in der Wörtlichkeit einer Epoche oder eines gesellschaftlichen Kontexts zu verbarrikadieren.« (Jurybegründung zum Eugen-Helmlé-Preis 2015)
Weitere Informationen:
Jetzt anhören:
Jon Fosse - aus der Videoeinspielung einer Lesung am 20. Mai 2017
Hinrich Schmidt-Henkel über Jon Fosse, 20. Mai 2017