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Literaturline
Lesung Dezember 2019
Nikola Madzirov liest eine Auswahl seiner Lyrik
Beim diesjährigen 21. Internationalen Lyrikertreffen brachte Anja Kampmann als Gastkuratorin das Format Tektonik, das seit einigen Jahren Komponisten zeitgenössischer Musik und Lyrik in Leipzig zusammenführt, auch nach Münster. Nach Nancy Hünger und José Oliver ist auch die Lesung von Nikola Madzirov zu hören – eine Besonderheit, denn bis auf das letzte Gedicht hat der mazedonische Lyriker in seiner Muttersprache gelesen.
»Als sein Gedichtband ›Versetzter Stein‹ 2011 auf Deutsch erschien, stieß Nikola Madzirov – der regelmäßig auf allen wichtigen internationalen Lyrik- und Literaturfestivals für Furore sorgt – mit seiner Arbeit auch hierzulande auf einhellige Begeisterung. Man lobte seine Einfühlung, die zurückhaltende Schlichtheit seiner Verse, seine Ungekünsteltheit bei gleichzeitiger Konzentriertheit der Bilder. In Mazedonien gilt er schon lange als führende Stimme der zeitgenössischen Literatur. .... Er selbst bezeichnet sich übrigens als ›unfreiwilligen Nachfahren‹ von Flüchtlingen: Seine Familie wurde wie viele andere im Zuge des Balkankrieges gezwungen, das eigene Haus, die eigene Heimat zu verlassen. Nicht nur seinem Nachnamen hat sich das eingeprägt: Das Wort Madzirov stammt ab von ›madzir‹ bzw. ›mujahir‹, was so viel wie ›Mensch ohne Heimat, ohne Heim‹ bedeutet. Im Dazwischen ist auch seine (inzwischen in mehr als 30 Sprachen übersetzte) Lyrik zu Hause: Die Idee der Heimatlosigkeit ist darin zentral und allgegenwärtig. Mehr noch: Diese Lyrik kündet von einer spirituellen Heimatlosigkeit, die Madzirov bewusst positiv umdeutet zu einer Möglichkeit des Wandels, einer Offenheit jenseits fixer Identitäten, jenseits des drängenden Wunsches nach fest umrissener Zugehörigkeit.« (Claudia Kramatschek, DAAD)
»Seine Lyrik besticht durch ihre Leichtigkeit. Sie spielt mit alltäglichen Objekten und dekonstruiert deren gängige Bedeutungen und die damit verbundenen Assoziationen, um so unsere gewöhnlichen Denkschemata infrage zu stellen und neue Sinnwelten zu erschließen.« (literaturfestival Berlin)
»In seinen Versen entfaltet sich eine melancholische Topografie temporärer, instabiler Identitäten, deren Erinnerungen, Orte und Nicht-Orte sich nie zu einer einzigen Geschichte fügen ... und doch findet sich auch bei Nikola Madzirov ein Bekenntnis zu Kontinuität – es ist dies die Kontinuität der wandernden Namen, der Beweglichkeit von Sprache und Geschichte, das Bewusstsein, dass die Geschichte vielen gehört und die Sprache auch dem ›anderen‹.« (Uljana Wolf)
Nikola Madzirov, geboren 1973 in Mazedonien. Nach Abschluss seines Studiums in Skopje gelang ihm 1999 mit seinem Gedichtband »Zaklučeni vo gradot« (Ü: Eingeschlossen in der Stadt) ein fulminanter literarischer Auftritt, der ihm den Preis Studentski zbor für das beste Debüt einbrachte. Im selben Jahr wurde auch sein zweites Buch mit dem Titel »Nekade nikade« (Ü: Irgendwo nirgendwo) veröffentlicht, wiederum eine Lyriksammlung und ausgezeichnet mit dem Aco-Karamanov-Preis. 2004 folgte dann die Anthologie »Vo gradot, nekade« (Ü: In der Stadt, irgendwo), und drei Jahre später erschien ein dritter Gedichtband, »Premesten kamen« (dt. »Versetzter Stein: Gedichte. Aus dem Mazedonischen von Alexander Sitzmann«, München Hanser 2011), für den Madzirov den renommierten Gebrüder-Miladinov-Preis und den Hubert-Burda-Literaturpreis erhielt. Madzirov ist Koordinator des internationalen Netzwerks Lyrikline und auch als Essayist und Übersetzer tätig. Aufenthaltsstipendien führten ihn u. a. nach Wien (2005), Graz (2007), Iowa City (2008), München (2009), Brüssel (2014), Paris und Berlin (2016). Seine Werke sind in vierzig Sprachen übersetzt worden.
Weiterführende Informationen zu Nikola Madzirov und Übersetzungen seiner Gedichte ins Deutsche auf der Seite der Lyrikline:
Jetzt anhören:
Die Lesung von Nikola Madzirov in mazedonischer Sprache, mit der Einleitung von Anja Kampmann, das letzte Gedicht in der deutschen Übersetzung