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Geschichtsort
Mehr als eine Gedenkstätte: 25 Jahre Geschichtsort Villa ten Hompel Münster
Sie ist eine vitale Kombination aus Forschungseinrichtung und Gedenkstätte: Die Villa ten Hompel, deren Eröffnung als Geschichtsort sich im Jahr 2024 zum 25. Mal jährt.
In ihren ersten 25 Jahren hat die Villa als Ort der Geschichtsforschung und Geschichtsvermittlung ein breites Aufgabenspektrum entwickelt.
Entstehung
Gründungsdirektor Alfons Kenkmann und die damalige Oberbürgermeisterin Marion Tüns bei einem Begehungstermin 1999
Soll Münster ein Mahnmal für die während der NS-Herrschaft deportierten und größtenteils ermordeten Jüdinnen und Juden erhalten oder einen vitalen Geschichtsort in demjenigen Gebäude, in dem ab 1940 die für die Bewachung der Deportationszüge verantwortlichen Polizisten in grüner Uniform ihren Dienstsitz hatten? Das war zugespitzt die Diskussion ab Beginn der 1990er Jahre, als der Historiker Winfried Nachtwei erstmals die Geschichte der Villa des ehemaligen „Zementkönigs“ Rudolf ten Hompel am Kaiser-Wilhelm-Ring als nationalsozialistische Polizeidienststelle untersuchte. Zusammen mit Partnern aus der Stadtgesellschaft, der Erinnerungskultur und der Universität konnte ein innovatives Nutzungskonzept für den Geschichtsort entwickelt werden.
Das zivilgesellschaftliche Engagement mündete in der Eröffnung als Geschichtsort am 13. Dezember 1999 auf Grundlage des Beschlusses des Rates der Stadt Münster. Am „authentischen Ort“ entstand so ein multifunktionales Institut zum Forschen, Gedenken und Erinnern, ein Geschichtsort.
Forschung und Vernetzung
Vielfältige Kooperationen prägen das Geschehen im Geschichtsort - so etwa zum US Holocaust Memorial.
Die Villa ten Hompel ist stark durch ihre Vernetzungen vor Ort. Exemplarisch stehen dafür Kooperationen mit der Gesellschaft für Christlich Jüdische Zusammenarbeit, mit Münsters Hochschulen oder mit der Akademie Franz Hitze Haus. Der Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte NRW wird von hier geführt. Bundesweite Kontakte ermöglichen Projekte mit der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Maximilian-Kolbe-Werk oder mit der Initiative Gegen Vergessen – Für Demokratie.
Die Villa ten Hompel hat internationales Renommee und repräsentiert Münster global, egal ob in den nahe gelegenen Niederlanden an der dortigen Polizeiakademie, in Münsters polnischer Partnerstadt Lublin bei der dortigen KZ-Gedenkstätte Majdanek, in Israel in Yad Vashem - dem World Holocaust Remembrance Center - oder bei Kooperationen mit dem United States Holocaust Memorial Museum Washington D.C.
Vermittlung und Erinnerungskultur
Neben Forschung und Sammlung ist seit 25 Jahren die innovative Geschichtsvermittlung und Erinnerungskultur die dritte tragende Säule. Die Besucherzahlen stiegen von schon beachtlichen 7.000 im Jahr 2001 auf mehr als 33.000 im Jahr 2018 - noch immer ist die Tendenz steigend. Schülerinnen und Schüler prägen unter der Woche das Bild der Villa ten Hompel. Zahlreiche Schulklassen nutzen didaktische Angebote wie Thementage oder das Programm der Gedenkstättenfahrten. Auch viele Polizist*innen aus NRW kennen den Ort durch Seminare, aber auch Soldat*innen, Jurist*innen, Vollzugsbeamt*innen und weitere Berufsgruppen nutzen den Geschichtsort nicht nur für historischen Erkenntnisgewinn, sondern besonders für die persönliche Schärfung des eigenen ethischen Kompasses im Berufsalltag.
Öffentliche Vorträge wie die Reihe „Mittwochsgespräche“, Lesungen, Podiumsdiskussionen oder Tagungen machen „die Villa“ zu einem der Zentren der städtischen Debattenkultur rund um Geschichte, Politik und Gesellschaft. Die Begleitung und das gemeinsame Auftreten mit überlebenden Verfolgten des NS-Regimes gehörte und gehört zu den emotionalsten Aufgabengebieten. Und auch wenn sich das Zeitalter der NS-Zeitzeugen bald dem Ende entgegenneigt, haben die Bezirksregierung Münster und die Villa ten Hompel mit dem Programm „Erinnerungspaten“ ein Format entwickelt, dass die eindringliche Vermittlung von persönlich erlebtem Unrecht in der Gegenwart und Zukunft weiter präsent hält.
Beratung
Rassismus und Antisemitismus sind leider keine Phänomene nur der Vergangenheit. Deshalb arbeitet seit mittlerweile 10 Jahren im Haus ebenfalls mit großem persönlichem Engagement das Team der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus im Regierungsbezirk Münster (mobim) gegen aktuelle Erscheinungsformen, die nicht nur am „rechten Rand“ virulent sind, sondern teils aus der Mitte der Gesellschaft kommen.
Bürgerinnen und Bürger nutzen sehr rege die Gelegenheit, wissenschaftliche Anfragen an das Historikerteam der Villa ten Hompel zu stellen. Zumeist geht es um familiäre Verbindungen in die NS-Zeit, sowohl in Täter- als auch Verfolgtenperspektive.
Partizipation
Bei allen Aktivitäten des Geschichtsorts Villa ten Hompel steht der Mensch im Mittelpunkt. Die geschichtswissenschaftliche Forschung ist Ausgangspunkt der innovativen musealen und pädagogischen Vermittlung. Bürgerinnen und Bürger tragen ihre Geschichten ins Haus durch Vor- und Nachlässe aus ihrem familiären Umfeld. Und nicht zuletzt stärken ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch ihr Engagement.
Seit 25 Jahren ist so in der Villa ten Hompel Geschichte partizipativ im Gespräch – nachdenklich, selbstkritisch und offen für den Dialog.