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Geschichtsort
Hausgeschichte
Vom Schauplatz der NS-Verbrechen zur Abwicklung der Vergangenheit zum Ort des Lernens und Forschens: Das Haus am Kaiser-Wilhelm-Ring war in seiner wechselvollen Vergangenheit von 1924 bis 1968 sowohl Tatort des Unrechts als auch Dienststelle der Wiedergutmachung.
1924-1939: die Fabrikantenvilla
Die Geschichte des Hauses wäre sicher anders verlaufen, wenn ihr Erbauer und Namensgeber Rudolf ten Hompel die Geschicke sowohl seines Konzerns als auch seiner Familie in eine andere Richtung gelenkt hätte. Unter seiner Führung als Generaldirektor expandierten die Wicking-Werke zum größten Zementkonzern im Deutschland der 1920er Jahre. Sein Engagement innerhalb der Zentrumspartei führte ihn als Reichstagsmitglied von 1920 bis 1928 nach Berlin.
Sein Anwesen am Kaiser-Wilhelm-Ring vermittelt heute noch immer einen Eindruck vom herrschaftlichen Lebensstil der Industriellenfamilie. Hier lebten ab 1928 das Ehepaar ten Hompel und die jüngsten der insgesamt sechs Kinder, hier gaben sie Ende der 1920er Jahre glänzende Empfänge und rauschende Feste.
1931 geriet der Wicking-Konzern durch unverantwortliche Investitionen im In- und Ausland und durch den Zusammenbruch der Hauptgläubigerbank in Zahlungsschwierigkeiten. Rudolf ten Hompel musste einer Übernahme seines Zement-Imperiums zustimmen und zog sich daraufhin von allen öffentlichen Ämtern zurück. 1935 kam es zu einem Aufsehen erregenden Prozess vor dem Landgericht Münster, die Anklage lautete auf Veruntreuung, Konkursvergehen, Vermögensverschiebungen und Urkundenfälschung. Mit der Verurteilung des 57jährigen zu drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von 22.000 Reichsmark endete das Verfahren.
Über den weiteren Lebensweg der Familie ist nur Weniges bekannt. Rudolf ten Hompel wurde das letzte Mal 1939 als Eigentümer und Bewohner der Villa genannt. Das Anwesen gelangte dann in den Besitz des Reichsfiskus, und die Familie ten Hompel siedelte nach München über.
Zum Seitenanfang1940-1944: Sitz der Ordnungspolizei
Seit April 1940 war Dr. Heinrich B. Lankenau als "Befehlshaber der Ordnungspolizei" (BdO) im Wehrkreis VI Hausherr der Villa ten Hompel. Dieser bevölkerungsreichste und größte Polizeibereich umfasste das heutige Nordrhein-Westfalen, den Raum Osnabrück und ab 1940 Teile Belgiens. Alles in allem befehligte der BdO im Wehrkreis VI damit an die 200.000 Mann.
Der BdO war als Dienstaufsicht für die Zusammenarbeit der zahlreichen Polizeikräfte zuständig, die die Bürger bisher eigentlich - im Gegensatz zur Sicherheitspolizei, zu der auch die Gestapo gehörte - über die vielen Beamten auf den Straßen und an den Schreibtischen der Ortspolizeibehörden kannten. Nun wurden paramilitärische Formationen im Befehlsbereich eingerichtet und in Polizeiausbildungsabteilungen zusammengefasst. Zudem wurden die zum Polizeidienst eingezogenen Männer auf ihre Rolle als Instrument der nationalsozialistischen Expansionspolitik vorbereitet.
Der fortschreitende Krieg erweiterte die Aufgaben des BdO. In der Villa ten Hompel erhöhte sich die Mitarbeiterzahl von sieben auf 40. Es wurden Wachmannschaften für die Deportationszüge in die Vernichtungslager und Transportbegleitungen in die Konzentrationslager im Osten gestellt. Auch das Aufsichtspersonal für die so genannten Arbeitserziehungslager war von hier aus zu stellen. Gegen Ende des Krieges unterstanden dem BdO darüber hinaus die Land- und Stadtwachten, die "Fremdarbeiter und Kriegsgefangene" zu überwachen und bei Fluchtversuchen wieder zu ergreifen hatten.
Zum Aufgabenspektrum gehörte auch die Aufstellung von insgesamt mindestens 22 Polizeibataillonen, die später massiv an den Morden an der jüdischen Bevölkerung Osteuropas beteiligt waren. Nach der Versetzung Lankenaus zum "Befehlshaber der Ordnungspolizei" in den Niederlanden übernehmen erst Otto Schumann, dann Kurt Göhrum für kurze Zeit den Posten in Münster. Ihr Nachfolger Reiner Ließem zog mit dem Befehlssitz der Ordnungspolizei im Oktober 1944 nach Düsseldorf-Kaiserswerth.
Zum Seitenanfang1945-1950: "Entnazifizierungs-Hauptausschuss"
Bei Kriegsende Ostern 1945 war die Villa ten Hompel eines der wenigen nicht zerstörten Verwaltungsgebäude in Münsters Innenstadt. Schnell zogen wieder neue Behörden ein: Der Landespolizeipräsident für die Provinz Westfalen hatte seinen Dienstsitz in der Villa von Mai 1945 bis zur Auflösung des Amts mit Neugründung des Landes NRW im Herbst 1946.
Zu seinen Aufgaben gehörten Neuaufbau und politische Überprüfung der deutschen Polizei. Vor dem "Polizei Entnazifizierungs-Hauptausschuss" musste sich jeder Polizist im Stadtkreis Münster auf seine individuelle politische Belastung hin prüfen lassen. Damit wurde in der Villa über Entlassung oder Weiterbeschäftigung der Münsteraner Polizisten entschieden.
Nach der Übertragung der Verantwortlichkeit in deutsche Hände Ende 1947 arbeiteten Politik und Verwaltung auf ein Ende der Entnazifizierung hin, gleichzeitig nahm die öffentliche Kritik immer schärfere Formen an. Überwiegend wurden nur noch Revisionen und Fragen der Wiedereinstellung vor einem "Berufungsausschuss" verhandelt. Ein Teil der örtlichen "Funktionselite" erreichte so die Wiedereinstellung in das ehemalige Amt oder eine verbesserte Pension – wie auch der ehemalige Befehlshaber der Ordnungspolizei, Dr. Heinrich Lankenau.
Seine Diensträume überließ der Berufungsausschuss in der Villa ten Hompel 1951 wieder dem Vermieter, der ebenfalls seit 1945 hier beheimateten Wasserschutzpolizei.
Zum Seitenanfang1954-1968: Sitz der Wiedergutmachungsbehörde
Bis zu seiner Auflösung 1968 hatte das Wiedergutmachungsdezernat der Bezirksregierung seinen Sitz an der Stätte, an der Beamte nur wenige Jahre zuvor das NS-Regime aktiv unterstützt hatten. In der Villa ten Hompel arbeiteten 1954 ein halbes Dutzend Angestellte und Beamte der Bezirksregierung, Ende der 1950er Jahre waren es bis zu 20. Der Leiter des Dezernats, Dr. Hans Kluge, war selbst ein politisch Verfolgter. Die Regierung achtete bewusst darauf, dass vor allem junge, unbelastete Beamte in der Villa tätig waren.
Der Staat glich häufig durch Geldmittel aus und das zumeist auf geringem Niveau. Insgesamt stellten im Dezernat rund 12.000 Personen aus dem gesamten Regierungsbezirk Münster einen Antrag, 100 Millionen Mark wurden bezahlt. Zahlreiche Verfolgtengruppen fielen jedoch aus der Entschädigung heraus, darunter die Zwangssterilisierten, die Ermordeten der sog. 'Euthanasie', die ausländischen Zwangsarbeitenden, die Homosexuellen oder münsterländische Frauen, die sexuelle Kontakte zu Zwangsarbeitern gehabt hatten.
Obwohl das Dezernat in der Villa ten Hompel für viele Verfolgte sorgte, saßen hier nach dem Krieg doch wieder Beamte, die auf der Basis eines Gesetzes und gemäß strenger Verwaltungsvorschriften über "gute" und "schlechte" NS-Verfolgte zu entscheiden hatten. Sie mussten sich dabei auf die Gedankengänge der nationalsozialistischen Bürokraten einlassen, da auch sie die Antragsteller*innen wieder in Gruppen und in schwer oder minder schwer Verfolgte einteilen mussten.
Zum SeitenanfangSeit 1999: Geschichtsort
Seit 1999 arbeiten am Kaiser-Wilhelm-Ring 28 das Team des Geschichtsortes gemeinsam mit vielen freien und ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Mehr zu unseren Angeboten, zu Forschung und Veranstaltungen erfahren Sie in den entsprechenden Rubriken.
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