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Literaturline
Lesung April 2023
Sabrina Janesch liest aus ihrem Roman "Sibir"
Zwei Kindheiten, zwei Welten, miteinander verschränkt in einer großen Familiengeschichte und in einem Kapitel beinahe vergessener deutsch-russischer Geschichte: 1945 werden Hunderttausende deutscher Zivilisten von der Sowjetarmee verschleppt, unter ihnen auch Josef Ambacher. "Sibirien" ist das Wort für alles, was im fernen, fremden Osten liegt. Furchterregend klingt es für den Zehnjährigen. In Kasachstan findet sich der Junge in einer harten, aber auch wundersamen, mythenvollen Welt wieder – und er lernt, sich gegen die Steppe und ihre Vorspiegelungen zu behaupten.
50 Jahre später in Norddeutschland: Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erreichen viele Aussiedler die Kleinstadt Mühlheide, in der Josef Ambacher lange schon wieder mit seiner Familie lebt. Für die Erwachsenen bedeutet die Ankunft der Aussiedler*innen aus Kasachstan die Konfrontation mit längst verdrängten, aber nie verarbeiteten Traumata. Ambachers Tochter Leila steht zwischen den Welten und muss vermitteln – und das zu einem Zeitpunkt, an dem sie selbst den Spuk der Geschichte zu begreifen und zu bannen versucht.
Für "Sibir" (erschienen bei Rowohlt Berlin) hat Autorin Sabrina Janesch umfassend recherchiert: Der fiktive Roman spürt in Teilen ihrer eigenen Familiengeschichte nach. Der Erzählimpuls kam, als ihr eigener Vater an Alzheimer erkrankte, und all die Geschichten, die sie mit ihm immer verband, nicht mehr abrufen konnte.
Aber sie hat sich auch auf Reisen begeben: nach Zentralasien, über Moskau, nach Kasachstan und Kirgisistan. In Kasachstan findet sie das Steppendorf, wo ihr Vater aufgewachsen ist, und steht in dem Haus, in dem ihre Familie zuletzt noch gewohnt hat. In Kirgisistan findet sie noch Ansätze der nomadischen Kultur, die im Roman eine wichtige Rolle spielt.
NDR Kultur kürte den Roman in diesem Februar zum Buch des Monats: "Sabrina Janesch hat eine Liebeserklärung an die Familie geschrieben, die weit über das einzelne Schicksal hinausreicht. Wir verdanken ihr einen erschütternden, unbedingt lesenswerten Einblick in ein Leben, über das die meisten Aussiedler geschwiegen haben."
Der Roman "Sibir" ist bei Argon edition als Hörbuch erschienen, gelesen von Julia Nachtmann.
Sabrina Janesch, geboren 1985 in Gifhorn, studierte Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim und Polonistik an der Jagiellonen-Universität Krakau. "Sibir" ist ihr fünfter Roman. 2010 erschien "Katzenberge", der unter anderem mit dem Mara-Cassens-Preis und dem Anna-Seghers-Preis ausgezeichnet wurde. Ihr Roman "Die goldene Stadt" wurde 2017 zum Bestseller, im gleichen Jahr erhielt sie den Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis. Sie lebt mit ihrer Familie in Münster.
- Webseite von Sabrina Janesch: www.sabrinajanesch.de
- 2018 hat Sabrina Janesch in der Literaturline aus ihrem Roman "Die goldene Stadt“ gelesen: Zur Literaturline
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Lesung von Sabrina Janesch