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Forschung: Laufende Projekte
Die Polizei und der Holocaust
Polizeibedienstete erhalten an ehemaligen Tatorten wie Bełżec Einblicke in die Geschichte ihres Berufs
Bildungsfahrten für deutsche und österreichische Polizist*innen
Polizei im Dialog über die Vergangenheit
Die Rolle der Polizei im Holocaust ist auch fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges weitestgehend unbekannt. Während das Lager Auschwitz-Birkenau weltweit zu einem Symbol des Holocausts geworden ist, wissen nur wenige Menschen, dass die Hälfte der 6 Millionen jüdischen Opfer erschossen wurden.
Hauptakteure bei diesem sogenannten „Holocaust durch Kugeln“ waren Angehörige der Polizei aus Deutschland und Österreich. Insgesamt waren Polizeieinheiten direkt am Mord von mindestens 600.000 Jüdinnen und Juden in ganz Europa beteiligt. Die deutsche Polizei war entscheidend sowohl bei Deportationen als auch bei der Bewachung von Ghettos im besetzten Europa eingesetzt. Die beteiligten Polizisten handelten in ihrer Rolle als staatliches Exekutivorgan. Ihre Taten blieben meistens juristisch ungesühnt.
Im dreiteiligen Bildungsprojekt möchten wir über nationale Grenzen hinweg je zwölf Polizeibedienstete aus Deutschland und Österreich in den Dialog über die Vergangenheit ihrer Institutionen bringen. Mit ihnen blicken wir auf die Biografien der eingesetzten Ordnungspolizisten und ihre Handlungsmöglichkeiten. Und die Teilnehmenden diskutieren, welche Bedeutung die Erinnerung an diese Geschichte sowohl für die Gesellschaft als auch die heutige Arbeit in der Polizei hat.
Das Bildungsprojekt wird von der NGO what matters gGmbH, dem Geschichtsort Villa ten Hompel der Stadt Münster und dem World Jewish Congress angeboten und aus Mitteln der Europäischen Kommission finanziert.
Geschichtsbewusstsein stärken und Impulse für die heutige Polizeiarbeit setzen
Das Projekt unterstützt die Teilnehmenden bei der Entwicklung eines reflektierten Geschichtsbewusstseins. Dieses bildet eine Grundlage für Handlungsorientierungen in Gegenwart und Zukunft und trägt zur Stärkung unserer Demokratie und zur Resilienz gegen Antisemitismus und weitere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bei.
Die Relevanz für Polizist*innen entsteht erstens durch den Bezug zur eigenen Institutionengeschichte. Zweitens eignen sich die Teilnehmenden nachhaltig Kenntnisse für ihre heutige Polizeiarbeit an – z.B. um Holocaustleugnung und -verharmlosung zu verstehen und zu erkennen. Drittens entwickeln sie neben der Gesetzesgrundlage aktiv eigene ethische Haltungen zur Demokratiestärkung. Als Multiplikator*innen tragen die Teilnehmenden zudem dazu bei, den Diskurs zur Geschichte des eigenen Berufs weiterzutragen und Fragen zu individuellen Handlungsoptionen zu stärken. Durch Lernen mit Geschichte kann das Projekt dazu beitragen, auch öffentlichkeitswirksam das Bild von ethisch reflektierter Polizeiarbeit zu positionieren.
Mehrtägige Austauschformate in Deutschland, Österreich und Polen
Die Teilnehmenden nehmen an drei mehrtägigen Austauschformaten teil, in deren Rahmen gemeinsam Orte besucht werden, an denen die NS-Polizei Verbrechen plante und verübte. Wir beginnen mit Workshops zu Planungs- und Kommandoorten in Deutschland und Österreich und betrachten die Rolle der Polizei bei der Verfolgung von Jüdinnen und Juden in beiden Ländern. Anschließend besuchen wir verschiedene Tatorte des Holocausts im heutigen Polen, die exemplarisch für die Verbrechen der Polizei stehen.
1) Workshop vom 27.- 30. Oktober 2024 in Münster: Im Rahmen dieses ersten Workshops besucht die Gruppe den Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster als ehemaligen Sitz der Ordnungspolizei während des Nationalsozialismus. Zudem erfolgt eine Tagesfahrt in die Niederlande zur Gedenkstätte Westerbork. Die Gruppe trifft dort auf niederländische Polizeibeamte, die sich ebenfalls mit der Geschichte des Holocausts befassen.
2) Workshop vom 12.-15. Januar 2025 in Wien: In der Fortsetzung des Projekts widmen wir uns der Frage, wie die deutsche und österreichische Gesellschaft heute mit der Geschichte des Holocausts umgehen. Welchen Bezug gibt es zur Arbeit der Polizei heute? Wir besuchen die Israelitische Kultusgemeinde in Wien und erhalten Einblicke in jüdische Perspektiven auf das Gedenken an den Holocaust als auch auf den gegenwärtigen Antisemitismus.
3) Bildungsreise vom 10.-17. Mai 2025 in Polen: Die mehrtägige Reise führt uns an verschiedene Orte des Holocausts in Polen. Neben Warschau und Zamość besuchen wir auch den kleinen Ort Józefów, in dem Angehörige des Hamburger Polizeibataillon 101 im Juni 1942 1.500 Jüdinnen und Juden ermordeten. Am letzten Tag erfolgt ein Austausch mit polnischen Polizeibediensteten.
Organisatorisches
Die angegebenen Termine beinhalten An- und Abreise zum Veranstaltungsort. Alle Kosten – Transfers, Übernachtung in Einzelzimmern und Verpflegung – werden übernommen. Das Projekt steht allen Erfahrungs- und Hierarchiegruppen der unterschiedlichen Polizeien offen. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt. Wir betrachten das Projekt als polizeiliche Fortbildung und unterstützen bei etwaigen Genehmigungen.
Zur Anmeldung schicken interessierte Polizeibedienstete bis zum 31. August 2024 eine E-Mail an Nora Zirkelbach mit folgenden Angaben:
- Name und Adresse
- Alter
- Dienststelle und Dienstgrad
- Max. 500 Wörter zu Ihrer Motivation zur Teilnahme
Ansprechpartner*innen
- Dr. Andreas Kahrs, Geschäftsführer what matter gGmbH
- Peter Römer, erster stellvertretender Leiter der Villa ten Hompel
- Thomas Köhler, zweiter stellvertretender Leiter der Villa ten Hompel
- Nora Zirkelbach, Bildungsreferentin what matters gGmbH
- Frank Fischer, Leiter des World Jewish Congress Büros, der Personalabteilung des WJC in Deutschland sowie Sicherheitsbeauftragter
Weitere Informationen finden sich auch auf der Homepage von what matters.