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Forschung: Laufende Projekte
Białystok in geschlechtergeschichtlicher Perspektive
Workshop für Gedenkstättenmitarbeitende
Am 29. Mai werden in einem Multiplikator*innen-Workshop von 11 bis 16.30 Uhr die Handlungsspielräume von Tätern und (weiblichen) Verfolgten während des Massakers in der ostpolnischen Stadt Białystok 1941 und des Ghettoaufstands 1944 erarbeitet und diskutiert. Nachdem bereits drei Workshops durchgeführt wurden, die sich auf die Multiperspektivität der historischen Ereignisse rund um das Massaker von Białystok bezogen haben, geht es aktuell um eine thematische Erweiterung im Sinne der Gender Studies. Die zugrundeliegende Frage, ob und inwieweit das Entscheiden und Handeln der Beteiligten (auch) geschlechtlich kodiert war, entspricht der aktuellen gesellschaftlichen Sensibilität für die Bedeutung von Geschlechterrollen bei der sozialen Konstruktion der Wirklichkeit – und befördert das Interesse der oft jungen Zielgruppen.
Bereits die Tatsache, dass während des 27. Juni 1941 zuerst die jüdischen Männer und männlichen Jugendlichen aus Białystok getötet wurden, um jede Gegenwehr im Keim zu ersticken und jüdische Frauen und Mädchen danach leichter verfolgen zu können, verweist auf inhärente Handlungslogiken aus dem Bereich der Geschlechternormen. Es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass das Ideal der soldatischen Männlichkeit die Perspektive von Polizisten und Wehrmachtssoldaten auf die pogromartigen Ereignisse vorgeformt und Handlungsweisen ermöglicht hat, deren Brutalität bestimmten Mustern folgte. Inwieweit ergaben sich aber auch spezifische Handlungsräume für betroffene Frauen, wenn etwa die Erzieherin Gitel Chaijkowski-Plac sechzig Kinder eines Waisenhauses in Białystok unter Einsatz ihres Lebens im Keller versteckte?
Die geschlechtergeschichtliche Erweiterung des didaktischen Zugriffs ermöglicht es, jüdische Frauen nicht nur als Opfer, sondern als aktiv Handelnde zu zeigen. Besonders gut gelingt dieser Perspektivwechsel am konkreten Beispiel. Deswegen soll exemplarisch die Frauenperspektive der jüdischen Partisanin Chaika Grossman anhand von Selbstzeugnissen aus ihrem autobiografischen Buch und einem filmischen Interview durch Ingrid Strobl diskutiert werden. Die Aussagen der zionistischen Untergrundkämpferin spiegeln ihre tatkräftige Rolle im Ghettoaufstand bzw. jüdischen Wiederstand wider. Dieser Ansatz bedingt auch eine zeitliche Erweiterung des fachlichen Fokus auf die Ghettoisierung und Vernichtungsphase in Białystok von 1942 bis 1944.
Anmeldungen/Programm/Nachfragen können Sie an die Mailadresse von Michaela Kipp richten.
Mitwirkende: Michaela Kipp, Thomas Köhler, Stefan Querl (Villa ten Hompel), Kim Frohwein, Bettina Röwe (Bezirksregierung Münster), Andreas Kahrs (what matters Dortmund)
Gefördert von der Landeszentrale für politische Bildung NRW in Kooperation mit dem Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW.