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NS-Familiengeschichte in 7 Schritten recherchieren
Der Entschluss, die eigene Familiengeschichte zu erforschen, ist gefasst – aber wo fängt man bloß an? Auf dieser Seite finden Sie Ideen für erste Schritte, wie man die eigene Familienbiografie zur Zeit des Nationalsozialismus und darüber hinaus recherchieren kann: von ersten Ansätzen bis hin zu konkreten Anlaufstellen. Und wenn zum Schluss noch Fragen offen sind, stehen die Projektverantwortlichen Annina Hofferberth und Karolin Baumann sowie die Archivare in den Partnerarchiven gerne zur Verfügung. Die Kontaktmöglichkeiten sind unten zu finden!
1. Schritt – Schätze in den eigenen Schubladen
Schubladen, Schränke, Keller, Dachböden – vielleicht im Haus der Eltern oder Großeltern, oder aber in den eigenen vier Wänden: Hier finden Sie oft schon erste Anhaltspunkte, die den Einstieg in die Beschäftigung mit der eigenen Familiengeschichte erleichtern können. Es kann sich lohnen, dort zu stöbern, einen Gegenstand, ein Fotoalbum, eine Aktenmappe hervorzuziehen und sich zu fragen: Was wurde in der Familie erzählt? Zu welcher Gelegenheit und von wem? Worüber wurde geschwiegen? Welche Fragen stellen sich mir deswegen?
Spricht man mit anderen darüber, welche Geschichten in den jeweiligen Familien erzählt wurden, ergibt sich ein Bild vom Nationalsozialismus mit der gesamten Bandbreite an Handlungsoptionen zwischen Mitmachen, Wegsehen, versteckten Resistenzen und offenen Widerständen, von Profitieren und auch von eigeninitiativem Handeln für das NS-Regime. In diesen Gesprächen zeigt sich, dass manchmal mehr als erwartet oder gelegentlich weniger als erhofft erzählt wurde. Mitglieder unterschiedlicher Generationen blicken mit variierender Betroffenheit und Distanz auf die Familienangehörigen, erleben diese Distanz als etwas Befreiendes oder im Gegenteil als etwas, was Rätsel aufgibt. Einigen fällt es leichter, die Vorfahren zum Beispiel als Anhänger*innen des Regimes einzuordnen, andere setzen Fragezeichen an solche Kategorisierungen.
In jedem Fall wird wahrscheinlich deutlich, dass die Vergangenheit nicht einfach abgeschlossen ist, sondern sich auf die Gegenwart auswirkt und Familien weiter beschäftigen kann. Vieles bleibt im Unklaren, Geschichten scheinen hinterfragenswert, die historischen Objekte innerhalb der Familie lassen Fragen offen. Aber sie lassen sich mit Archiv- und Literaturrecherchen erhellen, selbst wenn sich manches vielleicht nie ganz vereindeutigen lassen wird.
2. Schritt – Wissenschaftliche Erkenntnisse zur ‚Tätergesellschaft‘
Was hat die eigene Familiengeschichte mit dem „großen Ganzen“ zu tun? Einblicke in diese Zusammenhänge bieten die sogenannten MEMO-Studien. MEMO steht abkürzend für den multidimensionalen Erinnerungsmonitor, der seit 2018 jährlich vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung Bielefeld erhoben und von der Stiftung EVZ gefördert wird. Das Ziel ist die empirische Dokumentation der in Deutschland vorherrschenden Erinnerungskultur. Ein Ergebnis der Studien ist, dass eine Mehrheit der Befragten zwar die Familiengeschichte als wichtigen Teil der Geschichte begreift, sich aber nur wenige konkret damit beschäftigt haben.
Rund 77 Prozent der Befragten verorteten in der Befragung von 2020 ihre Vorfahren nicht unter den NS-Täter*innen, rund 32 Prozent gaben sogar an, dass Familienmitglieder Verfolgten des Nationalsozialismus geholfen hätten. Schätzungen der EVZ zufolge lag deren Zahl aber tatsächlich bei weit weniger als einem Prozent der Bevölkerung. Während die Studienteilnehmenden vermuteten, dass 34 Prozent der Gesamtbevölkerung in der NS-Zeit zu den Täter*innen zu zählen seien, gingen jedoch nur 23 Prozent davon aus, dass in ihrer eigenen Familie Täter*innen gewesen seien. Danach befragt, ob sie selbst in diese Kategorie hätten fallen können, hätten sie in dieser Zeit gelebt, bejahten dies 10 Prozent.
Die Diskrepanz zwischen der historischen Realität und den Selbsteinschätzungen ist frappierend, aber durch mehrere Faktoren erklärbar: Den in den Familien tradierten Erzählungen wird Glauben geschenkt, weil sie von Personen stammen, denen man in der Regel vertraut. Auch der Wunsch, die eigenen Verwandten eher unter den aktiv Helfenden als den vermeintlich passiv Zuschauenden oder gar aktiv Beteiligten zu verorten, kann dazu beitragen. Deren Geschichten können sich zudem bewusst und unbewusst über die Zeit hinweg verändert und auch mit den in der Gesellschaft und den Medien vorherrschenden Erzählungen überlagert haben. Das liegt an der Funktionsweise unseres Gedächtnisses, das nicht wie ein Computer Daten aufruft und wieder ablegt, sondern sie an die Gegenwart und bestimmte soziale Gemengelagen anpasst und Lücken ergänzt. Und auch der Einfluss der älteren NS-Forschung und die Versuche juristischer Aufarbeitung unmittelbar nach dem Krieg, die wenige Haupttäter ausmachte, kann heutige Perspektiven beeinflussen.
Seit einigen Jahren wandelt sich der Diskurs in der NS-Forschung im Allgemeinen und über die Familiengeschichte im Speziellen und fokussiert sich mehr auf Handlungsräume und alltagsgeschichtliche Fragestellungen. Breiter rezipierte Forschungen wie „Opa war kein Nazi“ (2002) von Sabine Moller, Karoline Tschuggnall und Harald Welzer spielen dabei ebenso eine Rolle wie autobiografische Bücher wie Jennifer Teeges „Amon“ (2013) oder Dokumentarfilme wie „2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß“ (2005) von Malte Ludin. Hier relativieren sich klare Rollenzuschreibungen zugunsten von Fragen nach den Handlungsoptionen der Einzelnen, die zur Stützung oder Destabilisierung des Regimes beitrugen, und auch Fragen nach der Eigeninitiative, die Menschen zeigen konnten, wenn es um Teilhabe an der Diktatur, aber auch um widerständige Positionen ging. Ebenso wie die zuvor schon erwähnten Erkenntnisse über die Wirkungsweise der Erinnerung rücken auch die Funktionen von Erzählungen innerhalb der Familien, sei es beispielsweise als Beweis der eigenen Nicht-Beteiligung oder als Weitergabe von individuellem Wissen, in den Mittelpunkt der Betrachtung.
3. Schritt – Recherche im eigenen Umfeld
Wie bereits bei „Schritt 1“ beschrieben, lassen sich oft historische Unterlagen wie beispielsweise Briefe, Fotos, Ausweise oder Lebensläufe in der eigenen Wohnung oder im eigenen Haus oder bei Verwandten finden: Briefe können Einblicke in individuelle Motivationen und die für die Person als relevant erachteten Alltagssituationen in der NS-Diktatur bieten. Fotos können Hinweise auf Orte, Lebensumstände und Beziehungsgeflechte geben oder mit der abgebildeten Kleidung wie beispielswiese Uniformen auch Mitgliedschaften oder Ränge sichtbar machen. Ausweise und Lebensläufe sind mit den eingetragenen ‚trockenen‘ Fakten wie Lebensdaten und Adressen eine ideale Grundlage für Anfragen an Archive und eigene Recherchen in der Forschungsliteratur. Sie können zusätzlich dazu beitragen, ein Verständnis für die Lebenssituation des Familienmitglieds in der NS-Zeit zu gewinnen, indem sie weitere Recherchen zum Umfeld möglich machen.
Womöglich gibt es auch noch Familienmitglieder, die als Zeitzeug*innen unmittelbar über Krieg und/oder Nachkriegszeit Auskunft geben können, oder solche, die erzählen können, was ihnen wiederum berichtet worden war. Solche Geschichten gilt es zwar immer auch gegenzuprüfen, weil sie nicht unbedingt Auskunft über eine historische Situation geben, sondern erst einmal eine individuelle Wahrnehmung schildern. Aber diese Herausforderung kann auch eine Stärke sein, denn die Erzählungen können neben reinen Daten gerade auch Einblicke in das Selbstverständnis der Vorfahren bieten. Selbst Informationen darüber, was in Gesprächen gerne ausgespart wurde, können Ansätze zum Weiterdenken und Weiterfragen sein.
Es bietet sich an, solche Erkenntnisse in irgendeiner Form festzuhalten und zu ordnen, um relevante Lebensdaten auf einen Blick präsent zu haben, aber auch, um offene Fragen und auch Widersprüche sichtbar zu machen. Beides hilft beim nächsten Schritt.
4. Schritt – Suche nach relevanten Archiven und anderen Institutionen
Je mehr Informationen man zusammengesammelt hat, umso mehr Anknüpfungspunkte lassen sich für parallele Recherchen in Archiven und anderen Institutionen ausmachen. Aber auch schon Name, Geburts- und Todesdaten reichen für erste Anfragen bei Archiven aus. Es ist möglich, dass die erste Rückmeldung der hinzugezogenen Archive weitere Ansatzpunkte und Fragen zutage fördert, sodass sich gegebenenfalls weitere Archivanfragen und Recherchen anschließen lassen.
Archive strukturieren sich in der Regel nach räumlichen Bereichen, für die sie sammeln: Das Bundesarchiv ist zuständig für die Bundesebene; Landes- und Staatsarchive bewahren Archivgut für ein Bundesland auf; Kommunalarchive wie Stadt- und Kreisarchive wiederum widmen sich der Überlieferung der Städte und Ortschaften. Eine Aufgabe besteht dabei in der Bewahrung von Verwaltungsgut dieser Ebenen, aber viele Archive sammeln darüber hinaus auch Material, was ihren Sammlungsauftrag ergänzt. So können beispielsweise Kommunalarchive durchaus auch Nachlässe von Privatpersonen aus dem jeweiligen Ort bewahren, weil diese ebenfalls Einblicke in wichtige Aspekte der Stadtgeschichte bieten. Da viele Strukturen und Zuständigkeiten der Archive historisch gewachsen sind, können sich manchmal auch Archivalien an unerwarteten Orten finden.
Darüber hinaus gibt es thematische Archive, die sich nicht einer Ortsebene zuordnen lassen, sondern sich bestimmten Themen wie Parteien, Institutionen wie Universitäten oder Bereichen wie der Wirtschaft widmen und dazu passende historische Unterlagen sammeln. Die Arolsen Archives in Bad Arolsen (Hessen) beispielsweise bewahren die Überlieferungen rund um Suchaufträge auf, die Angehörige nach 1945 an den Internationalen Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes auf der Suche nach Vermissten stellten. Auch Museen und Gedenkstätten können Sammlungen und Archive gemäß ihrer Geschichte und den Themen der Dauer- und Wechselausstellungen und anderer Bildungsangebote unterhalten. Und auch Vereine wie der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge können Informationen bieten, im Falle des Volksbundes über im Krieg verstorbene Militärangehörige und Zivilist*innen.
Wenn in einer Datenbank eines Archivs oder einer anderen Institution gesucht wird und sich kein Treffer ergibt, muss das noch nicht bedeuten, dass keine Unterlagen vorliegen. Datenschutzgründe oder Erschließungsrückstände können dazu führen, dass nicht unbedingt alle im Archiv vorhandenen Unterlagen online angezeigt werden. Sollte man vermuten, dass eigentlich etwas vorliegen könnte, lohnt sich daher eine E-Mail an das entsprechende Archiv.
Zuletzt kann es auch von unerwarteter Seite Informationen geben: Vereine, in denen die Angehörigen Mitglied waren, wie beispielsweise Sport-, Schützen- oder Gesangsvereine. Hier verbergen sich manches Mal gut geführte Vereinsarchive, in denen neben Daten auch Berichte und andere spannende Quellen wie beispielsweise Fotos liegen können.
Ist eine Familie stärker an einem Ort verwurzelt, lohnt sich eine Kontaktaufnahme mit dem örtlichen Heimatverein. Zum einen unterhalten Heimatvereine oft eigene Sammlungsarchive, z.B. mit Totenzetteln und vielen weiteren Dingen aus der Bevölkerung. Zum anderen kennen die Heimatvereine die eigene Ortsgeschichte sehr genau und können einem möglicherweise bereits Auskünfte zu der eigenen Familie geben.
Welche Archive und anderen Institutionen für die eigene Familie relevant sein könnten, zeigt der untenstehende Entscheidungsbaum. Von oben nach unten gelesen führt er zu verschiedenen Institutionen, bei denen sich konkrete Recherchen und Anfragen lohnen können.
Zusätzliche Informationen zu diesen Anlaufstellen sowie weitere relevante Institutionen und Möglichkeiten zum Weiterlesen und Recherchieren stehen in unserer Handreichung.
5. Schritt – Konkrete Recherchen
Jede Recherche ist individuell und abhängig von der jeweiligen Ausgangslage. Oft gibt es mehrere Wege, um an Informationen zu gelangen: Ein erster Schritt kann eine Online-Suche in einer Archivdatenbank sein. Je nach Fragestellung lohnt es sich, mit verschiedenen Variationen des Suchbegriffs zu arbeiten, denn fasst man ihn zu weit, erhält man zu viele Treffer, ist er zu eng, erhält man enttäuschend wenige oder gar keine Treffer.
Sollte man zu einer konkreten Person recherchieren, aber nichts finden, lohnt es sich auf Kontexte auszuweichen, in denen diese Person bekannterweise verortet war, seien es NS-Organisationen wie der Bund Deutscher Mädel, Vereine wie der Gesangsverein, der Wohnort oder andere Aspekte, die mit der Person in Verbindung stehen. Sollte es schwierig sein, sich der historischen Person selbst anzunähern, können kleine Umwege doch Einblick in die Lebenswelt des*der Angehörigen geben. Hierbei gilt es, von der Akte her zu denken: Welche Art von Material könnte im Archiv vorliegen, das Auskunft geben könnte? Zum Beispiel können unbekannte Daten mit urkundlichen Überlieferungen wie Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden als Stichworte ergänzt werden. Ein weiteres Beispiel: Möglicherweise gibt es Informationen zu den Novemberpogromen 1938, aber vielleicht nicht unter diesem Stichwort. Stattdessen lohnt es sich, nach Berichten oder Listen zu Zerstörungen zu suchen, die zu dieser Zeit angefertigt worden waren. Solche von den jeweiligen Unterlagen her gedachten Stichworte ermöglichen je nach Fall und Archiv mehr Treffer als historische Begriffe oder Namen. Oft sollte man zudem für historische Ereignisse verschiedene Begriffe nutzen oder über die Klassifikation des Bestandes recherchieren.
Es kann sich auch eine Anfrage per Mail lohnen. Eine Skizze des eigenen Interesses sowie eine Auflistung der bekannten Daten unterstützen die Archivar*innen bei einem möglichst präzisen Suchauftrag und bei der Bereitstellung relevanter Unterlagen. Grundsätzlich gilt: Nennen Sie tendenziell lieber zu viele als zu wenige Informationen in der ersten Anfrage. Die zuständigen Archivar*innen sind in der Regel sehr geübt darin, die wichtigen Informationen aus diesen Anfragen herauszufiltern.
Sowohl bei Datenbanksuchen als auch bei einer Mail ans Archiv werden bei den jeweiligen Quellen sogenannte Signaturen genannt, die es ermöglichen, eine Bestellung zur Einsicht im Lesesaal zu tätigen. Diese Bestellung erfolgt je nach Archiv entweder über das Recherchesystem oder per Mail. Oft muss noch gesondert ein Arbeitsplatz im Lesesaal gebucht werden. Die Einsicht und der Sitzplatz sind in der Regel kostenlos. Es muss nur beim ersten Besuch ein Benutzungsantrag ausgefüllt werden, in dem neben den eigenen Daten auch die eigene Fragestellung festgehalten wird. Diese Anträge finden sich oft zum Download auf der Website der Archive. Zusätzlich sollte man ein Ausweisdokument mitbringen. Eine Archivberatung vor Ort ist je nach Personalsituation möglich, aber oft sehr zeitintensiv.
In größeren Archiven wie dem Bundesarchiv sind solche Anfragen formalisierter, indem neben einem Benutzungsantrag zum Beispiel ein Rechercheauftrag ausgefüllt wird. In diesem Fall werden die relevanten Daten zu der gesuchten Person in ein vorgefertigtes Formular eingetragen. Die Daten können den Archivar*innen helfen, bei Personen mit gleichen Namen die richtige Person herauszusuchen. Aber auch schon Name und Lebensdaten können für eine Anfrage reichen. Beim Rechercheauftrag des Bundesarchives gibt es zusätzlich ein Feld zum Verwandtschaftsverhältnis zur gesuchten Person. Dies wird erfragt, da nicht zu jeder beliebigen Person eine Anfrage gestellt werden kann, sondern nur zu Personen, mit denen der/die Antragssteller*in verwandt ist (Ausnahmen gelten für Anfragen in öffentlichen Forschungskontexten etc.). Hinzu kommt ein Feld, in dem ein Geldbetrag eingetragen werden kann: Bei Mehraufwand können die Archive ihre Leistung in Rechnung stellen. Liegt der Aufwand unter dem genannten Betrag, erfolgt er automatisch; bei höheren Kosten wird noch einmal Rücksprache gehalten. Bei einer Anfrage können also keine finanziellen Überraschungen erfolgen.
Hat man Auftrag und Benutzungsantrag per Mail losgeschickt, erhält man umgehend eine Bestätigung des Eingangs. Aufgrund der zahlreichen Anfragen, bedingt durch das wachsende Interesse an Familiengeschichtsrecherchen, können die Antworten zu möglichen Quellen mehrere Monate auf sich warten lassen. Nachfragen sind nicht nötig, die Archivar*innen melden sich, sobald die Recherchen abgeschlossen sind. Wenn die Recherche Ergebnisse erzielt hat, werden oft Digitalisate, also digitale Kopien der Akten, zur Verfügung gestellt, sodass man für eine Sichtung zum Beispiel nicht nach Berlin reisten müsste. Falls die Akten noch nicht digitalisiert sind, sendet der Archivdienstleister Selke ein Bestellformular an Sie, mit dem die Digitalisierung in Auftrag gegeben werden kann.
6. Schritt – Blick in die Quellen und die Literatur
Liegen Quellen vor, ist der erste Blick vielleicht enttäuschend: Da stehen möglicherweise viele Zahlen und Kürzel, Fotos bleiben rätselhaft, Briefe kontextlos. Aber: In jedem historischen Material steckt mehr, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Jetzt gilt es Geduld, Neugier und Kreativität zu beweisen, um dieses Puzzle zu lösen. Denn Abkürzungen lassen sich häufig per Google auflösen; Uniformen auf Fotos lassen sich mit Blick in Fachliteratur einordnen, die in Bibliotheken oder Institutionen wie der Villa ten Hompel vorliegt; Daten und Orte lassen sich auf Google oder in Übersichtswerken wie der Holocaust Encyclopedia des United States Holocaust Memorial Museum nachschlagen; Namen in Briefen lassen sich möglicherweise mit privaten Adress- und Notizbüchern in den eigenen Schubladen oder in Stadtarchiven enträtseln.
Ab diesem Zeitpunkt ist es hilfreich, Literatur zu den jeweiligen Themenbereichen zu nutzen. Zu diversen Aspekten des Nationalsozialismus, von Strukturen der Wehrmacht bis hin zum alltäglichen Leben in den Städten gibt es mittlerweile zahlreiche Forschungsarbeiten. Aber wie findet man sie? Lokale Bibliotheken, insbesondere Universitätsbibliotheken, bieten Suchsysteme, mithilfe derer man Literatur finden kann. Archive halten manchmal Werke vor, die für die Geschichte des eigenen Ortes relevant sind, oder führen Schriftenreihen. Auch Wikipedia kann mit der unter den jeweiligen Suchbegriffen versammelten Literaturauswahl erste Anhaltspunkte für relevante Werke bieten.
7. Schritt – Weiterdenken und Weiterfragen
Wenn der siebte Schritt erreicht ist, ist die Recherchereise wahrscheinlich trotzdem nicht am Ende. Möglicherweise sind weitere Fragen aufgetaucht, hat man Ideen für weitere Recherchen in den schon besuchten Archiven unter neuen Gesichtspunkten oder hat noch ganz andere Anlaufstellen entdeckt. Mit neu gelesener Literatur können auch längst analysierte Unterlagen in einem neuen Licht erscheinen. Lücken können frustrierend sein, aber sie bilden auch den Anlass für weitere Fragen und Recherchen. Einen klaren Endpunkt gibt es erfahrungsgemäß bei Familiengeschichtsrecherchen nicht, aber irgendwann kann man Zwischenstationen erreichen, in denen einem einiges über die Vergangenheit der eigenen Familie klarer geworden ist.
Sollte man selbst nicht weiterkommen, lohnt sich auch der Kontakt zu anderen, seien es Menschen, die ebenfalls gerade recherchieren, aber auch zu Archivar*innen und wissenschaftlichen Mitarbeitenden in öffentlichen Institutionen. Im Rahmen des Projekts „Erzähl mal“ 2024 können Sie auch uns kontaktieren:
- Annina Hofferberth (Projektleitung von „Erzähl mal“ in der Villa ten Hompel)
- Karolin Baumann (Projektleitung von „Erzähl mal“ und Mitarbeiterin für das Sammlungsmanagement in der Villa ten Hompel)
- Dr. Philipp Erdmann (Stadtarchiv Münster)
- Jannik Schröder (Kreisarchiv Steinfurt)
- Frank Schirrmacher (Kreisarchiv Warendorf)
Wir wünschen Ihnen viele spannende Erkenntnisse auf Ihrem eigenen Rechercheweg zur NS-Familiengeschichte.