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Objekt des Monats
Juni 2022: Nachlass von Paul Wulf
Einen besonders hohen Stellenwert für unsere Sammlung hat der Nachlass des Münsteraner Aufklärers und Antifaschisten Paul Wulf, den der Geschichtsort Villa ten Hompel bereits kurz nach dessen Tod am 3. Juni 1999 übernommen hat. Als „Depositum 001“ bildete er damals den Grundstock des bis heute stetig wachsenden Archivs. Der Nachlass wird in einem eigenen Raum im Dachgeschoss verwahrt.
Die ehrenamtliche Sichtung und Erschließung durch den „Freundeskreis Paul Wulf e. V.“ hat mittlerweile rund 30 Prozent des vorsortierten Materials erfasst und verfügbar gemacht. Derzeit kümmert sich unsere Mitarbeiterin Karolin Baumann in Zusammenarbeit mit Sarah Pfeiffer, Volontärin im LWL-Museumsamt, um die vollständige Erfassung des Nachlasses.
Einzigartige Originaldokumente wie handschriftliche Briefe, Tagebucheinträge und die collagenhaften Ausstellungsplakate, mit denen Paul Wulf seine aufklärerischen Archivrecherchen in die Öffentlichkeit brachte, wurden bei der Erfassung priorisiert. Gar nicht so leicht ist es, die vielen hand- und maschinenschriftlichen Blätter zu sortieren und zu transkribieren. Selbstverfasste Gedichte und Gedankensammlungen zeugen von Wut und Enttäuschung gegenüber verwaltungsseitigen Versprechen, die nicht eingehalten wurden. Auch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes, das Paul Wulf 1991 bekam, betrachtete er mit einer gewissen Skepsis, wie er mit einem kurzen Gedicht andeutet. Auch gesammelte Schriften und Archivalien, Lebensdokumente, Zeichnungen und Fotografien werden während des Erfassungsprozesses feinsäuberlich gescannt, digital verzeichnet, archivgerecht verpackt und schließlich magaziniert.
Paul Wulf (1921–1999) wurde als 16-Jähriger im Rassenwahn der Nationalsozialisten als angeblich „Schwachsinniger“ auf Grundlage des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zwangssterilisiert. Unermüdlich wies er Zeit seines Lebens auf sein Schicksal hin und setzte sich für Entschädigung für sich und andere Betroffene ein. Freunde bezeichneten ihn gerne als „Archiv-Wühlmaus“ – dort suchte er unter anderem nach Kontinuitäten zwischen NS-Vergangenheit und Nachkriegsgesellschaft, insbesondere in der Ärzteschaft.
Heute sind wir froh, diesen wichtigen Nachlass, der Pauls Schaffen und seine Lebenswirklichkeit dokumentiert, an unserem Geschichtsort bewahren und für die Öffentlichkeit zugänglich machen zu können.