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Fundstück des Monats
Juni 2024: Historische Räume nutzen und brechen
In diesem Monat geht es um das größte Objekt der Sammlung der Villa ten Hompel: Passend zum 100-jährigen Bestehen möchten wir uns dem Gebäude widmen, in das sich über die Jahrzehnte zahlreiche Kapitel der Zeitgeschichte eingeschrieben haben. Heute stiftet die Hausgeschichte zahlreiche Ausgangs- und Bezugspunkte für die Dauerausstellung sowie die historisch-politische Bildungsarbeit. Der authentische Ort wird vom wissenschaftlich-pädagogischen Team immer wieder neu befragt. Ziel ist es, etwa die Verbrechen der Ordnungspolizei im Zweiten Weltkrieg und die juristische Aufarbeitung der NS-Verfolgung in der Nachkriegszeit greifbarer zu machen, ohne historische Situationen nachzubilden.
Die Fabrikantenfamilie ten Hompel erbaute die Stadtvilla in Anlehnung an einen klassizistisch-barocken Stil im Jahr 1924. Das mittlerweile denkmalgeschützte Haus prägt das Straßenbild des Kaiser-Wilhelm-Rings noch immer. Im Innenraum hat sich jedoch einiges verändert: Der aufwendig gestaltete Parkettboden, Holzvertäfelungen und Stuckverzierungen lassen zwar noch etwas von dem ursprünglichen Prunk erkennen. Doch gemusterte Tapeten, Kronleuchter und Rokokomöbel mussten einer funktionalen, zeitgemäßen Gestaltung weichen; einerseits, um eine barrierearme und einladende Umgebung für Besucher*innen zu schaffen, andererseits, um die historische Atmosphäre der herrschaftlichen Räumlichkeiten anhand von hellen Einbauten und asymmetrischen Bodenplatten bewusst zu brechen.
Ein Beispiel dafür ist der größte Raum im Erdgeschoss, der – entsprechend der patriarchalen Familienhierarchie – als ‚Herrensalon‘ gebaut und mit Einzug des Befehlshabers der Ordnungspolizei zum ‚Generalszimmer‘ wurde. Von hier aus befehligten Heinrich Lankenau und seine Nachfolger mehr als 200.000 Polizisten aus dem damaligen Wehrkreis VI, womit sie zur bürokratischen Steuerung der nationalsozialistischen Massenverbrechen beitrugen. An dieser Stelle befindet sich nun ein gekippter Schreibtisch mit angeschlossener Medienstation, die die Wege der Polizeibataillone durch das besetzte Europa nachvollziehbar macht. So kann das Handeln der Schreibtischtäter in der Villa ten Hompel in einen größeren Kontext eingeordnet werden. Eine subtile Andeutung auf das Hitler-Porträt, das über dem repräsentativen Kamin des ‚Generalszimmers‘ hing, findet sich in der heutigen Dauerausstellung durch einen aufgezeichneten Staubrand. Mit Besuchenden kann an dieser Stelle über Kontinuitäten und Brüche der NS-Ideologie diskutiert werden.
Rückblick
- Mai 2024: Spuren eines Lebens – Das Tagebuch als Quelle
- April 2024: Die Nazis und die Autobahn
- März 2024: Die Illusion von Teilhabe – Ein Raumbildalbum über den ‚Anschluss‘ Österreichs
- Februar 2024: Luftschutz – Zivile Aufgabe und Propagandainstrument
- Januar 2024: Polizistenmord in der Hamburger Nachkriegszeit
- Dezember 2023: Sammelkarten aus dem Krieg
- November 2023: Sammelleidenschaft im Dienst der Propaganda
- Oktober 2023: Trinken zum Erinnern, Trinken zum Vergessen? Der Bierkrug eines Polizei-Gendarmen
- September 2023: Amateurfilme des Gendarmen Kurt Kreikenbom
- August 2023: Das Fotoalbum als Erzählung – Erinnerungen eines Reservepolizisten
- Juli 2023: Upcycling mal anders
- Juni 2023: Überleben für welchen Preis? Die Enteignung der Familie Hertz
- Mai 2023: Wie lernt man Antisemitismus?
- April 2023: Aufstieg und Fall der Wicking-Werke
- März 2023: Zum Umgang mit Nazi-Relikten
- Februar 2023: Ein entnazifiziertes Schild?
- Januar 2023: Erna Meintrups Fahrkarte
- Dezember 2022: Wielengas Glocke
- November 2022: Ninas Brief aus dem Ghetto Lublin
- Oktober 2022: Ernst Beins Urkunde über den apostolischen Segen
- September 2022: Polizeilehrfilme aus Ost und West
- August 2022: Verkehrserziehungsspiel "Der gute Schupo"
- Juli 2022: "Erinnerungsstücke" des Ordnungspolizisten Johann Ruf
- Juni 2022: Nachlass von Paul Wulf