Seiteninhalt
Fundstück des Monats
April 2023: Aufstieg und Fall der Wicking-Werke
Was hat die Firma Wicking-Werke AG aus Münster mit der Villa ten Hompel zu tun? Unter der Führung Rudolf ten Hompels, dem Namensgeber und Erbauer der Villa, expandierten die Wicking-Werke in den 1920er Jahren zum größten Zementkonzern Deutschlands. Aus dieser Zeit stammt vermutlich auch dieses Emaille-Werbeschild – unser Fundstück des Monats April.
Zentral platziert in kräftigem Orange ist das Firmenlogo, das sich aus einem Wikingerschiff und einer stilisierten Ankerform mit markantem "W" zusammensetzt. Links und rechts davon werden die seinerzeit modernen Baustoffe Portlandzement und Kalkmergel beworben: Die Erfindung des Portlandzements im 19. Jahrhundert markiert den Beginn des Zement- und Betonzeitalters. Kalkmergel ist ein kalkhaltiges Sedimentgestein, das beispielsweise zur Neutralisierung von sauren Böden verwendet wird, womit die Wicking-Werke auch an anderer Stelle warben (siehe Werbeanzeige in einem Bauern-Notiz-Kalender, 1922).
Adolf Wicking, der Großvater von Rudolf ten Hompel, gründete die AG 1873 als Wicking’sche Portland-Cement- und Wasserkalkwerke. Nachdem Rudolf ten Hompel die Geschäftsführung kurz vor dem Ersten Weltkrieg übernommen hatte, etablierte er eine intensive Konzernstrategie. Diese ging mit der Stilllegung von veralteten Werken und der Modernisierung einiger weniger Werke einher. So erreichte er eine Reduzierung der Personalkosten bei gleichzeitiger Produktionssteigerung. Seine erfolgreiche Geschäftspolitik in Westfalen bescherte ihm das Etikett "Zementkönig".
Im Schatten des Erfolgs spielten sich jedoch auch Dramen ab: Arbeitnehmer aus Beckum protestierten gegen den Stellenabbau, Teile der Familie ten Hompel stritten über Erbschaftsanteile, schließlich ging im Rahmen der Weltwirtschaftskrise die Hausbank der Firma in Konkurs.
Nach dem märchenhaften Aufstieg folgte 1931 der Umbruch: Rudolf ten Hompels Konzern geriet aufgrund risikoreicher Investitionen im In- und Ausland in Zahlungsschwierigkeiten. Die Wicking-Werke fusionierten noch im selben Jahr mit der Dyckerhoff & Söhne GmbH aus Wiesbaden. Ein Prozess vor dem Landgericht Münster endete 1935 mit einer Verurteilung Rudolf ten Hompels u.a. wegen Veruntreuung und Konkursvergehen.