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Fundstück des Monats
Juli 2023: Upcycling mal anders
Not macht erfinderisch – das zeigt unser Fundstück des Monats Juli. Die Grundform des emaillierten Küchensiebs gibt einen Hinweis auf seine ehemalige Funktion: Noch zu Kriegszeiten sollte es als Stahlhelm den Kopf eines Wehrmachtsoldaten schützen.
Was aus unserer heutigen Sicht etwas makaber scheint, war in der prekären Situation der Nachkriegszeit notwendige Praxis. Haushaltsgeräte waren nach 1945 Mangelware, da vieles durch die Bombardierungen zerstört worden war. Außerdem war die Herstellung von „zivilem Gerät“ während des Krieges zugunsten der Rüstungsindustrie reduziert oder komplett eingestellt worden. Wenn es also nach Kriegsende eines millionenfach gab, dann waren es Rüstungsgüter und militärische Ausstattungsgegenstände wie beispielsweise Stahlhelme oder Gasmasken.
Um das Material, das nun nutzlos in Haushalten, Fabrikhallen oder auf ehemaligem Kampfgebiet herumlag, wieder nützlich zu machen, wurde nun gewerblich ‚upgecycelt‘. Stahlhelme wurden mithilfe von Stanzmaschinen mit Löchern versehen, Griffe angeschweißt und Emaille zum Schutz vor Rost aufgebracht.
Es gibt noch einige weitere Beispiele für Produkte, die in der wiederanlaufenden Produktion der frühen Nachkriegszeit (1945 bis etwa 1948) typischerweise aus Rüstungsmaterial hergestellt wurden. Dazu zählen Kaffeekannen aus Teilen von Panzerfäusten und Wärmflaschen aus Munitionshülsen. Auch Gasmasken, die es in nahezu jedem Haushalt gab, wurden verwertet. Deren Filtergehäuse wurden zum Beispiel zu Petroleumlampen oder Schaumlöffeln, andere Teile zu Rädern für Spielautos.
Auch in Friedenszeiten blieb der Krieg also präsent – beispielsweise in Form von Hausrat aus umfunktionierten Waffen in den eigenen vier Wänden. Das zeigt, wie brüchig die Vorstellung einer vermeintlichen „Stunde Null“ und einer starren Grenzziehung zwischen Krieg und Frieden tatsächlich gewesen ist.