Seiteninhalt
Objekt des Monats
Januar 2023: Fahrkarte nach Hause
Das Fundstück des Monats Januar bezeugt eine Geschichte des Überlebens: Diese Fahrkarte brachte Erna Meintrup am 7. Juni 1945 vom Ghetto Theresienstadt wieder zurück in ihre Heimat Münster. Sie bewahrte die Fahrkarte ihr Leben lang auf, sprach aber mit ihrer Familie nie darüber, wie es ihr in Theresienstadt und danach ergangen war. Durch ihren Sohn Werner Meintrup, der zum Zeitpunkt ihrer Deportation erst acht Monate alt gewesen war, gelangten die Fahrkarte und andere Fragmente ihrer Verfolgungs- und Überlebensgeschichte in die Villa ten Hompel. So können wir heute an ihr Schicksal erinnern und auch der unzähligen Menschen gedenken, die sich keine Fahrkarte in Richtung Heimat mehr kaufen konnten.
Erna Meintrup, geb. Levy wurde 1906 in Gerolstein geboren. Sie kam 1927 nach Münster, wo sie ihren zukünftigen Mann Robert kennenlernte. Für die Heirat konvertierte sie zum Katholizismus, was sie zunächst vor einer Deportation bewahrte. Zu ihrem Schutz zog das Ehepaar in den kleinen Ort Stromberg, und Erna nutzte den falschen Mädchennamen „Lenz“, wurde jedoch von Mitbürger*innen denunziert.
Unterdessen war im Ghetto Theresienstadt nach Massendeportationen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im Herbst 1944 ein Arbeitskräftemangel entstanden. Deshalb entschied das Reichssicherheitshauptamt Mitte Januar 1945, dass nun auch die von den Nazis als „jüdisch“ eingestuften Ehepartner aus sogenannten „Mischehen“ zum „geschlossenen Arbeitseinsatz“ nach Theresienstadt deportiert werden sollten.
Nach Jahren der Angst, Flucht und Verfolgung wurde Erna Meintrup schließlich Anfang 1945 über Oelde und Bielefeld ins Ghetto Theresienstadt zum Arbeitseinsatz in einer Wäscherei deportiert. Ihren Mann und ihren acht Monate alten Sohn Werner musste sie zurücklassen. Dass sie den prekären Bedingungen im Ghetto und der eskalierenden Aggression der Nazis in der Kriegsendphase nicht zum Opfer fiel, muss als Glücksfall und Ausnahme bezeichnet werden. Erna Meintrup lebte nach ihrer Rückkehr in der Tannenbergstraße 23 in Münster. 1969 verstarb sie an Krebs.