Forschungs- und Gedenkprojekt der Stadt Münster 2021-2023
Gedenken an die verfolgten Homosexuellen und "vergessenen Opfergruppen" des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit
Über die Schicksale von Münsteranerinnen und Münsteranern, die in der Zeit des Nationalsozialismus wegen ihrer sexuellen Orientierung oder aus sozialrassistischen Gründen diskriminiert, verfolgt und ermordet wurden, ist bislang nur sehr wenig bekannt. Nach 1945 fanden die betroffenen Menschen kaum Beachtung, ihre Stigmatisierung und Ausgrenzung dauerten an – zum Teil bis heute. Ein Forschungs- und Gedenkprojekt der Stadt Münster hat sich nun den Geschichten dieser Menschen gewidmet.
Stellvertretend für hunderte "vergessene Verfolgte" aus Münster stellt das Stadtarchiv elf Lebens- und Leidenswege auf dieser Website vor: www.stadt-muenster.de/vergessene-verfolgte
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Erinnerungen an Verfolgte
Zahlreiche Verfolgtenschicksale aus Münster sind heute, mehr als 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und 50 Jahre nach der weitgehenden Aufhebung des §175, noch immer unbekannt. Das Stadtarchiv will diese Biographien sichtbar machen. Dafür braucht es auch (Familien-)Erinnerungen, um die Geschichte eines Menschen und seiner Verfolgung zu erzählen. Nur die Schilderungen persönlicher Erlebnisse lassen den Menschen hinter dem anonymen Begriff des "Opfers" hervortreten, geben ihm seine Identität und Stimme zurück. Wurden Sie oder wurden Angehörige Ihrer Familie in Münster durch das NS-Regime verfolgt? Haben Sie auch nach 1945 Diskriminierung und Ausgrenzung erlebt? Erzählen Sie uns davon!
Weitere Informationen im
Projektflyer
(PDF, 1.09 MB)
- nicht barrierefrei
Projekthintergrund: Ein Ratsbeschluss 2021
Der Rat der Stadt Münster beschloss am 17. März 2021 einstimmig, diese Wissenslücken aufzuarbeiten und in der Stadtgesellschaft das Bewusstsein für diese "vergessenen Opfergruppen" zu verankern. Dem Ratsbeschluss gingen Initiativen der Ratsgruppe Piraten/ÖDP (2018) sowie des Vereins Spuren finden e. V. (2020) voraus.
Um in einem ersten Schritt die wissenschaftlichen Grundlagen für etwaige Gedenkformate zu schaffen, forscht seit Mitte Oktober 2021 ein Projektteam des Stadtarchivs Münster in breit angelegten Recherchen – sowohl in den eigenen Beständen als auch in zahlreichen anderen relevanten regionalen und überregionalen Archiven – zur Verfolgung von Münsteranerinnen und Münsteranern, die während der NS-Zeit als Homosexuelle, "Asoziale" ("gemeinschaftsfremde" Personen wie z. B. Obdachlose, Bettler, Suchtkranke, Unangepasste oder auch Sinti und Roma), als körperlich und/oder geistig beeinträchtigte Menschen bzw. als "Erbkranke", als Zeugen Jehovas oder auch als Deserteure verfolgt wurden. Auch die fortgesetzte strafrechtliche Verurteilung homosexueller Münsteranerinnen und Münsteraner nach §§ 175, 175 a StGB in der Bundesrepublik sowie die bis weit in die Nachkriegszeit anhaltenden Benachteiligungen und Diskriminierungen der weiteren "vergessenen Verfolgten" ist ein Forschungsgegenstand.
Behördliche Stigmatisierung: Eintrag von 1961 auf einer Karte der städtischen Gewerbekartei: "10 Mon[ate] Gef[ängnis] weg[en] Unzucht mit Männern"
Ausgehend von den Forschungsergebnissen haben die Projektbeteiligten eine Website mit elf ausgewählten Lebenswegen veröffentlicht. Daneben werden die Ergebnisse detailliert in einem Forschungsbericht veröffentlicht. Didaktische Materialien für den Schulunterricht sind in Vorbereitung. Im Geschichtsort Villa ten Hompel kann ein Thementag zu "Vergessenen Verfolgten" von Schulgruppen gebucht werden. Weitere zeitgemäße Erinnerungsformate werden unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Geschichtsort Villa ten Hompel und dem Amt für Gleichstellung entwickelt.
Ansprechpartner im Stadtarchiv:
Timo Nahler, Tel. 02 51/4 92-47 08 oder nahler@stadt-muenster.de