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Jüdische Geschichte
Erste Ansiedlungen von Juden in Münster lassen sich für das 12. Jahrhundert nachweisen. Durch Judenverfolgungen nach der Pestwelle 1348-1350 ging die erste jüdische Gemeinde Münsters unter. Erst 1810 durften sich wieder Juden in der Stadt niederlassen. Es dauerte Generationen bis diese ihre volle gesellschaftliche Anerkennung erreichten und und in die Stadtgesellschaft integriert waren. 1871 erlangte die jüdische Bevölkerung schießlich ihre rechtliche Gleichstellung. Bereits in den 1890er Jahren sorgte ein anwachsender Antisemitismus für Besorgnis. Im Ersten Weltkrieg stellten zahlreiche jüdische Soldaten ihre patriotische Gesinnung unter Beweis.
Die Phase der Anerkennung und Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung endete 1933 mit dem Beginn des Nationalsozialismus. Es begann eine Zeit der Vertreibung, wachsender Diskriminierung, Ausgrenzung, wirtschaftlichen Ausplünderung bis hin zur Ermordung großer Teile der jüdischen Bevölkerung. Nur sehr wenige überlebende Juden kehrten 1945 nach Münster zurück.
Für die Aufarbeitung der Lebenswege der jüdischen Bürgerschaft und der lokalen Geschichte der Judenverfolgung kann auf Quellen aus dem Stadtarchiv zurückgegriffen werden. Der Bestand "Stadtregistratur" enthält im Fach 36 unter dem Titel "Judenschaft" Unterlagen, die für die Geschichte der Juden in Münster Aufschlüsse bringen.
Sämtliche Akten des Faches 36 wurden digitalisiert und können über das Portal "Archive in NRW" online eingesehen werden.
Überblick über den kompletten Inhalt von
Stadtregistratur-Fach 36 "Judenschaft"
Quellen zur Enteignung und Verfolgung
In den Unterpunkten Nr. 18 a-g des Faches 36 der Stadtregistratur befinden sich Dokumente, die die Enteignung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung Münsters nach 1933 dokumentieren.
- (Fach 36 Nr. 18) Die jüdische Gemeinde Münster, Band V (1893-1938)
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(Fach 36 Nr. 18a) Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben
In der Akte befinden sich Anordnungen zur Aneignung jüdischen Vermögens von Privatpersonen und der jüdischen Gemeinde. - (Fach 36 Nr. 18b) Nutzung und Erwerb des Grundstücks der ehemaligen Synagoge nach der Pogromnacht am 9.11.1938
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(Fach 36 Nr. 18c) Verschiedener Schriftverkehr 1925-1944
In der Akte befindet sich vor allem Korrespondenz des Stadtarchivs zu Archivgut zur jüdischen Geschichte. - (Fach 36 Nr. 18d) Übergang der Marks-Haindorf-Stiftung in den Besitz des Reiches Diese Akte enthält Informationen zur wirtschaftlichen Ausplünderung von Juden durch die Nationalsozialisten.
- (Fach 36 Nr. 18e) Liste der jüdischen Bürger Münsters
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Im Dezember 1941 kam es zur ersten Deportation von 103 Juden aus Münster und dem Münsterland nach Riga. Die Namen sind in der Liste der Staatspolizeileitstelle Münster erfasst.
(Fach 36 Nr. 18f) Deportationsliste 10.12.1941 nach Riga
Weitere Deportationen folgten am 27.1.1942 nach Riga, am 31.3.1942 nach Warschau und am 31.7.1942 nach Theresienstadt. -
Im Sommer und Herbst 1939 wurden 14 kleine Ghettos oder auch "Judenhäuser" eingerichtet. Die Ghettoisierung der Juden stellte eine gezielte Vorbereitung der Juden-Deportationen dar.
(Fach 36 Nr. 18g) Verzeichnis der sog. "Judenhäuser" Münsters und ihrer jüdischen Einwohner
Akten Stadtregistratur Fach 36 "Judenschaft" aus der Zeit 1803-1925
Neben den Akten, die die Enteignung und Entrechung der jüdischen Bevölkerung in der Zeit des Nationalsozialismus dokumentieren, umfasst das Fach 36 "Judenschaft" weitere Unterlagen, die online über das NRW-Archivportal eingesehen werden können:
- (Fach 36 Nr. 1) Niederlassungs-, Wohnungsgesuche von Juden (1803-1822)
- (Fach 36 Nr. 2) Die Judenschaft in Münster und deren Population (1804-1805)
- (Fach 36 Nr. 3) Einbürgerung von Juden, Judenlisten (1812-1829)
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(Fach 36 Nr. 4) Die münsterische Judenschaft, Band II (1812-1829)
Enthält unter anderem eine Judenliste von 1835 mit Geburtsangaben - (Fach 36 Nr. 5) Die münsterische Judenschaft (1842-1855)
- (Fach 36 Nr. 6) Anlage eines Judenfriedhofs, Beerdigung der Juden (1811-1841)
- (Fach 36 Nr. 7) Feststellung eines Raumes für die Synagoge (1815-1834)
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(Fach 36 Nr. 8) Beitrag der jüdischen Gemeinde zum Unterhalt des Landesrabbiners (1817-1855)
Enthält auch: Judenlisten von 1814, 1844-1848, 1850-1852 und Einbürgerungslisten von 1849-1851 - (Fach 36 Nr. 9) Jahresnachweis über getaufte Juden (Erwachsene und Kinder), Band I (1818-1840)
- (Fach 36 Nr. 10) Jahresnachweis über getaufte Juden (Erwachsene und Kinder), Band II (1818-1848)
- (Fach 36 Nr. 11) Führung der jüdischen Familienregister, Band I (1822-1838)
- (Fach 36 Nr. 12) Führung der jüdischen Familienregister, Band II (1839-1917)
- (Fach 36 Nr. 13) Schulbesuch der jüdischen Kinder (1823-1857)
- (Fach 36 Nr. 15) Annahme festbestimmter und erblicher Familiennamen durch die Juden (1845-1861)
- (Fach 36 Nr. 16) Die jüdische Gemeinde Münster, Band IV (1856-1892)
- (Fach 36 Nr. 17) Die Marks-Haindorf-Stiftung (1835-1925)
- (Fach 36 Nr. 20) Lehrberichte / Schultagebuch des Seminars der Marks-Haindorf-Stiftung (1893-1898)
- (Fach 36 Nr. 21) Vorgänge über Beiträge der münsterischen Judenschaft zu den Landesschulden (1820-1836)
- (Fach 36 Nr. 22) Vorgänge zur Gründung der Synagogengemeinden Werne und Olfen; Wahl der Repräsentanten und Stellvertreter; Beiträge zum Rabbinergehalt (1854-1858)
- (Fach 36 Nr. 23) Streitsache der Juden Trautmann und Elzbacher wegen der Wahl zum Vorstand der jüdischen Gemeinde in Münster (1848-1849)
Literatur
Die Geschichte der Judenverfolgung und die Biographien der betroffenen Personen sind intensiv erforscht worden. Die Ergebnisse liegen in drei Publikationen von Gisela Möllenhoff und Rita Schlautmann-Overmeyer vor:
- Biographisches Lexikon: Jüdische Familien in Münster 1918-1945, Münster 1995
- Teil 2,1. Abhandlungen und Dokumente 1918-1935, Münster 1998
- Teil 2,2. Abhandlungen und Dokumente 1935-1945, Münster 2001.