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Versorgung
In den ersten Besatzungsjahren war die Nahrungsversorgung das wichtigste Thema für die britischen Besatzer. Versuche eines demokratischen Neuanfangs und ein wirtschaftlicher Wiederaufbau konnten keinen Erfolg haben, solange die deutsche Bevölkerung nur an die nächste Mahlzeit dachte. Die britische Militärregierung musste dafür sorgen, dass es zu keiner großen Hungersnot und sozialem Aufruhr kam. Sie gab der Stadtverwaltung den Auftrag, die Lebensmittelversorgung zu steuern. Das Wirtschafts- und Ernährungsamt übernahm daraufhin die Aufgabe und gab unter anderem Lebensmittelkarten an die Bevölkerung aus. Die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln war derart unzureichend, dass jede brauchbare Fläche wie etwa die Rasenflächen vor dem Schloss beackert werden mussten.
Die desolate Verkehrslage auf Straßen und Schienen erschwerte es, notwendige Lebensmittel und Gebrauchsgüter nach Münster zu holen. Außerdem nahm die Anzahl der Menschen in der Stadt stetig zu, auch da Flüchtlinge und Vertriebene nach Münster kamen. Die Folgen waren bald spürbar. In den ersten Monaten der Besatzung sank die täglich zur Verfügung stehende Kalorienmenge auf ungefähr 1.000 Kalorien pro Person. Im Frühjahr 1946 kam es zu einer Kürzung der monatlichen Brotration von zehn auf fünf Kilogramm. Da es vollständig an Kartoffeln, Nährmitteln, Milch, Butter und Gemüse fehlte, traten Mangelerscheinungen und Gesundheitsstörungen auf. Die Besatzer versuchten dem mit Lebensmittelimporten entgegenzutreten. Dennoch ging die Zeit zwischen Spätherbst 1946 und Frühjahr 1947 als Hungerwinter in die europäische Nachkriegsgeschichte ein. Der Tiefpunkt in der Lebensmittelversorgung wurde im April 1947 erreicht, als pro Kopf nur noch 672 Kalorien täglich zur Verfügung standen. Erst mit der Währungsreform 1948 und dem Marshall-Plan mit hohen US-Hilfen und Lebensmittelimporten verbesserte sich die Ernährungslage wesentlich.
Während des Hungerwinters 1947 boten Menschen aus dem Ausland ihre Hilfe an. Der Londoner Ernest J. Bourne, dessen Mutter in Münster geboren woren war, bat die Stadtverwaltung um Adressen von Bedürftigen, denen er Hilfspakete schicken konnte. Der Oberbürgermeister sandte ihm eine Liste mit drei Personen zu, die keine Verbindungen zur NSDAP hatten, ausgebombt worden waren oder viele Kinder zu versorgen hatten.
Versorgung mit Gas, Wasser, Brennstoffen
Neben der Ernährung der Bevölkerung gehörte auch die Wiederherstellung von Versorgungsleitungen zu den dringlichen Aufgaben der Verwaltungen. Die Wasserversorgung war 1945 weitgehend zusammengebrochen. Die Bevölkerung musste zunächst aus Hausbrunnen und mithilfe von Wasserwagen mit dem notwendigen Trinkwasser versorgt werden. Erst im Frühjahr 1948 waren alle Haushalte wieder an das Kanalnetz angeschlossen. Ebenso war die Stromversorgung nach der Besetzung Münsters nur zu etwa 15 Prozent und nur in einzelnen Stadtteilen gewährleistet. Die Instandsetzung der Stromleitungen konnte erst nach Räumung der Trümmer in den einzelnen Straßen und Stadtgebieten wieder in Angriff genommen werden.
Für die Wiederaufnahme der im Krieg völlig zusammengebrochenen Gasversorgung mussten zunächst größere Reparaturen des Gasometers und der Gasleitungen vorgenommen werden. Hausanschlüsse konnten erst nach zwei Jahren installiert werden. Die Instandsetzungsarbeiten vollzogen sich allerdings sehr schleppend, da auch Mitte des Jahres 1947 noch Mangel an Material und Arbeitskräften herrschte.
Da die Produktion von Gütern im Krieg fast ausschließlich auf Kriegszwecke ausgerichtet gewesen und die Rohstoffe fast völlig verbraucht oder vernichtet waren, gab es auch in der Brennstoffversorgung sowie bei Kleidung und Hausrat größten Mangel. Der extrem kalte Winter des Jahres 1945/1946 hatte zu ernsten Versorgungsproblemen der Haushaltungen mit Brennstoff geführt. Einige Menschen waren deshalb dazu übergegangen die Ruinen in der Stadt nach brennbarem Material zu plündern. Die Einrichtung einer städtischen Kohlenstelle und die Ausgabe von Bezugskarten für Haushaltsbrennstoffe sollten einer neuen ernsthaften Unterversorgung entgegenwirken.
Kleidersammlungen
Um die ehemaligen Kriegsgefangenen und Bewohner von Ausländerlagern mit Notwendigem versorgen zu können, ordnete die britische Militärregierung Kleidersammlungen an. Außerdem wurden Requisitionen bei der Bevölkerung vorgenommen. Zunächst mussten im August 1945 ehemalige Mitglieder der NSDAP vollständige Ausstattungen an Kleidung und Hausrat abliefern. Stellenweise gab es auch Hilfslieferungen aus dem Ausland. So wurden über 300 Kinderschuhe aus Schweden nach Münster geschickt und der Minister für die britisch besetzte Zone, John Burns Hynd, verschenkte bei einem Besuch in der Stadt im Januar 1947 Schuhe an Kinder.
Wohnungen
Ein zentrales Problem war die Wohnungsnot in Münster, die schon seit Jahrzehnten vorherrschte, aber durch die Zerstörung der Stadt ein bisher unbekanntes Ausmaß erreicht hatte. Zum Zeitpunkt der Besetzung waren von den 33.737 Wohnungen in Münster nur noch 1.050 intakt. Zwar wohnten im Frühjahr 1945 nur noch 23.500 Menschen in der Stadt, doch diese mussten teilweise in Häuserruinen unterkommen. Über 30.000 weitere Menschen strömten direkt nach Kriegsende in die Stadt zurück. Das Wohnungsamt und als Unterabteilung das Flüchtlingsamt kümmerten sich um die Suche nach Unterkünften für Rückkehrer, Ausgebombte und Vertriebene. Viele Familien lebten in Notunterkünften wie Baracken, einsturzgefährdeten Häusern, Kasernen, Ställen oder Nissenhütten. Etliche Wohnräume waren zudem im Herbst und Winter, bei Regen und Kälte unbewohnbar. Die Militärregierung erließ deshalb im Juni 1945 eine Richtlinie zur Wohnraumlenkung, die den Zuzug nach Münster auf Personen begrenzte, die vor Ort dringend erforderlich waren. Im Dezember 1945 wurden der Zuzug von Evakuierten und die Zusammenführung von Familien erlaubt. Der Neubau von Wohnungen war auch von der fortschreitenden Trümmerräumung abhängig. Erst nach der Währungsreform kamen Wohnungsneubau und der Wiederaufbau von Wohnungen richtig in Gang.