Seiteninhalt
Kolonialbewegung(en)
Kolonialgesellschaften
An der Spitze der kolonialpolitischen Bewegung stand die Deutsche Kolonialgesellschaft (DKG). Sie wurde 1887 durch die Fusion mehrerer Vereine gegründet und hatte schnell überall im Reich lokale Gruppen wie in Münster oder Freiburg. In der Gesellschaft wirkten Reichstagsabgeordnete oder Bürgermeister. In Münster waren Teile der politischen Elite der Stadt und der Region in der Gesellschaft aktiv. So findet sich unter den Mitgliedern beispielsweise der Landeshauptmann der Provinz Westfalen von 1905 bis 1919, Wilhelm Hammerschmidt. Auch der Oberbürgermeister der Stadt Münster von 1920 bis 1932, Georg Sperlich, setzte sich durch Mitgliedschaften, öffentliche Auftritte oder Reden für die koloniale Sache ein, als das Deutsche Reich nach dem Ersten Weltkrieg schon längst keine Kolonien mehr besaß. Durch solche prominenten Mitglieder entwickelte sich die DKG zum zentralen Lobbyisten für koloniale Fragen im Deutschen Reich - vor und nach 1918.
Die Deutsche Kolonialgesellschaft war einer der größten Kolonialvereine. Auf ihrem Höhepunkt um 1910 hatte sie knapp 45.000 Mitglieder. Die Verbreitung kolonialer Ideen an die breite Öffentlichkeit war eines ihrer Hauptziele. Dafür bemühten sie umfangreiche Werbekampagnen, organisierten Vorträge und Fotopräsentationen oder Kolonial-Ausstellungen - auch in Münster. 1907 gründete sich ein Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft. Dessen lokale Abteilung in Münster rief zwei Jahre später Anna Krückmann ins Leben. Als Initiatorin des Hausfrauenvereins in Münster 1915, als Stadtverordnete für die DNVP und als Förderin von Angeboten für Frauen und Familien in der Stadt erlangte sie einige Bekanntheit. Auch dieses Beispiel zeigt: Koloniale Interessenvertretungen gingen von der bürgerlichen Mitte der Gesellschaft aus.
Frauenvereine
Viele regionale Ableger der nationalen Verbände und Vereine hatten ihren Geschäftssitz in der westfälischen Provinzialhauptstadt Münster. Das gilt auch für den "Verband der Vaterländischen Frauenvereine vom Roten Kreuz für die Provinz Westfalen e. V.". Diesem saßen bis in die 1930er-Jahre adelige Frauen aus dem Münsterland vor. Angeschlossen an den Verband der Vaterländischen Frauenvereine war der "Deutsche Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien", der wiederum aus der Deutschen Kolonialgesellschaft hervorging. Zwar gibt es keinen Beleg, dass Frauen aus Münster explizit in die Kolonien zur Krankenpflege entsendet wurden. Jedoch zeigt biespielweise ein Spendenaufruf dieses Frauenvereins für Krankpflege von 1904 für weiße "Siedler in Deutsch-Südwest", die durch den Kolonialkrieg gegen die Herero und Nama Verluste erlitten hatten, wie eng verflochten auch diese Frauenorganisationen mit der gesellschaftlichen Elite verflochten waren. Dazu zählten etwa verschiedene adelige Freifrauen, die Ehefrauen von Staatsministern und Oberpräsidenten oder Oberbürgermeistern und etwa auch die Ehefrau des vier Jahre zuvor in Peking getöteten Gesandten Clemens von Ketteler.
Der Reichskolonialbund im Nationalsozialismus
Die Nationalsozialisten bündelten ab 1933 alle kolonialpolitischen Aktivitäten und Vereinigungen im Reichskolonialbund. Auch der lokale Ableger der Deutschen Kolonialgesellschaft ging in den Organisationen des Reichskolonialbunds auf Stadt- und Gauebene auf. Zunächst förderte der nationalsozialistische Staat im Sinne seiner aggressiven Expansionsziele den Reichskolonialbund auch mit finanziellen Mitteln. Während des Zweiten Weltkriegs rückten die Kolonien auf anderen Kontinenten dann immer weiter hinter die so genannte "Lebensraumerweiterung" im Osten Europas zurück. Dementsprechend kamen spätestens mit Streichung aller staatlichen Zuschüsse 1943 auch die Aktivitäten vor Ort zum Erliegen. Schon seit 1939 wirkte sich der Krieg mit Einberufungen und Einschränkungen massiv auf das Vereinsleben aus. Auf der anderen Seite wuchs zunächst noch mit dem Afrikafeldzug der Wehrmacht und dem um Generalfeldmarschall Erwin Rommel konstruierten Mythos erfolgreicher Wüstenschlachten das allgemeine Interesse an Nordafrika.