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Kolonialwissenschaften
Ein fächerübergreifendes Thema
Im Zeitraum von 1908 bis 1917 kündigte die Universität Münster in den Vorlesungsverzeichnissen zahlreiche Veranstaltungen unter dem Sammelbegriff "Kolonialwissenschaften" an. Ohne Bindung an eine selbstständige Organisationseinheit wie einen Lehrstuhl oder ein Institut, listeten die Verzeichnisse Lehrveranstaltungen von Vorlesungen bis zu Exkursionen aller Fakultäten auf, die Kolonien oder Kolonialismus zum Thema hatten. Unabhängig hiervor setzten die Lehrenden in verschiedensten Fächern immer wieder koloniale Schwerpunkte.
Die prominente Nennung der Kolonialwissenschaften an der Universität Münster fiel zusammen mit einer Reform der Kolonialpolitik im Deutschen Kaiserreich: Nach der brutalen Niederschlagung des Widerstands der Maji-Maji-Bewegung in "Deutsch-Ostafrika" (heute: Tansania) seit 1905 und der Herero und Nama in "Deutsch-Südwestafrika" (heute: Namibia) seit 1904 kam es zu einem Kurswechsel in der deutschen Reichspolitik. Fortan stand seit 1907 nicht mehr der militärische Schutz von deutschen Unternehmungen im Vordergrund, sondern der Aufbau kolonialer Herrschaftsstrukturen, in denen Verwaltung mit Wirtschaft, Mission und Wissenschaft eng zusammenarbeiten sollte. Eine Förderung kolonialer Wissenschaften an deutschen Universitäten schien demnach angemessen zu sein.
Nach dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft setzten viele Lehrende ihre kolonialwissenschaftlichen Veranstaltungen unter dem Titel der "Auslandskunde" fort, bevor auch an den Universitäten mit der nationalsozialistischen Machtübernahme die Kolonialwissenschaften neuerlichen Auftrieb erhielten.
Die Universität Münster bietet weitere Informationen: Kolonialwissenschaften an der WWU