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Koloniale Wertschöpfung
Kolonialwaren als Alltagsprodukte
Produktion, Handel, Werbung und schließlich der Konsum von Waren aus Übersee brachten die Kolonien auf die umfassendste Weise in den Alltag der Münsteranerinnen und Münsteraner. Allgemein verfügbare Genusswaren und wirtschaftlicher Profit dienten als wichtiges Argument für eine aggressive Kolonialpolitik. In der Realität hingegen blieben die deutschen Kolonien wirtschaftlich nicht rentabel. Hohen staatlichen Ausgaben standen große Profite einiger Privatunternehmen oder Handelsleute gegenüber. Über erschwingliche Produkte profitierte auch die breite Bevölkerung vom ungleichen Handel und von ausbeuterischen Arbeitsbeziehungen mit den Überseegebieten, also auch den Kolonien anderer europäischer Mächte.
Ein bekanntes Beispiel stellt der Hamburger Kaufmann und Reeder Adolph Woermann dar, auf dessen Initiative hin das Deutsche Reich im heutigen Kamerun ein „deutsches Schutzgebiet“ errichtete. Woermann organisierte die Verwaltung vor Ort. Auf diese Weise verkaufte er minderwertige Ware in der westafrikanischen Kolonie und bezog im Gegenzug günstig Produkte wie Kautschuk oder Schwarzpulver. Eine ähnliche Rolle nahm der Bremer Tabakhändler Adolf Lüderitz im heutigen Namibia ein. Beide Kolonialunternehmer ehrte die Stadt Münster 1938 in der NS-Zeit mit einem Straßennamen.
Über diese erinnerungspolitischen Spuren hinaus war Münster auf wirtschaftliche Weise eng mit Kolonien und dem Konsum kolonialer Güter verwoben, selbst wenn die westfälische Provinzhauptstadt als regionales Handelszentrum für die koloniale Welt keine so bedeutende Rolle wie etwa Hamburg oder Köln einnahm.
Münsters Einbindung in den globalen Handel
Mit dem Anschluss ans Eisenbahnnetz und mit dem Bau des Dortmund-Ems-Kanals wurde Münster Ende des 19. Jahrhunderts mit den Überseehäfen an der Nordsee und mit dem globalen Handel verbunden. Nicht zuletzt durch verbesserte Importmöglichkeiten von Rohstoffen aus den Kolonien entwickelten sich Luxusartikel wie Schokolade, Kaffee oder exotische Lebensmittel zu Genussmitteln für die Massen. Als sichtbarstes Zeichen für die Bevölkerung stieg die Zahl der Kolonialwarenläden in Münster seit Ende des 19. Jahrhunderts stark an. Dahinter standen neue Vertriebs- und Produktionsstätten sowie Interessenvertretungen, die sich stellvertretend für die gesamte Region ebenfalls in Münster niederließen.