Frieden: Ein Erbe, das verpflichtet
Dass Münster 1648 zum Schauplatz von Weltgeschichte wurde – das war kaum ein Verdienst der Stadt. Eher eine glückliche Fügung. Doch heute sieht sich Münster in der Verpflichtung, mit dem Geschenk dieses großen Erbes sorgsam umzugehen.
Am 24. Oktober 1648 beendete der Westfälische Frieden von Münster und Osnabrück die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges, der Europa blutig verwüstet hatte. Schon vorher, am 15. Mai des Jahres, war im münsterschen Ratssaal der Teilfrieden zwischen Spaniern und Niederländern beschworen worden – er besiegelte nach einem 80jährigen Unabhängigkeitskrieg die Selbständigkeit der Niederlande. Diese Schwurszene hat Gerard Terborch in seinem berühmten Gemälde festgehalten. Und im heutigen „Friedenssaal“ des Historischen Rathauses sind die Porträts der beteiligten Gesandten zu besichtigen – sie stellten damals Weichen, die für Europa bis zum heutigen Tag von grundlegender Bedeutung sind.
Denn der Westfälische Frieden erwies sich in mehrfacher Hinsicht als neuartig und folgenreich. Mit ihm ging das Zeitalter der blutigen Konfessionskriege zu Ende. Zugleich erfolgte die Lösung der verworrenen Konflikte auf dem Wege des Dialogs und der von Mediatoren begleiteten, gleichberechtigten Verhandlungen. Das war damals keineswegs selbstverständlich. Am Ende jedoch – und obwohl Spanien und Frankreich ihren Krieg noch fortsetzten – stand das Gerüst einer europäischen Friedensordnung zwischen gleichberechtigten, souveränen Staaten. Damit war ein Grundstein gelegt, der das moderne Völkerrecht bis heute prägt. Und als Symbol der historischen, aber auch aktuellen Bedeutung dieses Ereignisses für ganz Europa trägt Münsters Historisches Rathaus mit dem Friedenssaal seit 2015 das Europäische Kulturerbe-Siegel – gemeinsam mit seinem Osnabrücker Pendant.
Eine Ehrung, die im Europäischen Kulturerbejahr 2018, ausgerufen von der Europäischen Kommission, besonders verpflichtete: Mit dem Gemeinschaftsprojekt „Frieden.Europa“ bündelten die Friedensstädte Münster und Osnabrück mehrere Vorhaben zu einem der größten Projekte im Europäischen Kulturerbejahr. Außerdem präsentiert Münsters Rathaus seither eine neue, weitgehend digitale Aufbereitung der europäischen Dimension des Erinnerungsortes: „Münster. Westfälischer Frieden“: Über aktuelle Friedensprojekte in Münster und Osnabrück informiert nun auch langfristig der aus dem Europäischen Kulturerbejahr hervorgegangene „Friedensblog“ www.friedensblog.eu der Städte Münster und Osnabrück.
Aber natürlich hat der Umgang mit dem Friedenserbe in Münster eine sehr viel längere Tradition. So greift die Stadt seit 2008 mit den Veranstaltungswochen „1648 – Dialoge zum Frieden“ die eigene friedenspolitische Tradition verstärkt und unter aktuellen Fragestellungen auf: Zum Programm gehören eine Schülerakademie, das Treffen der Religionsgemeinschaften und hochkarätige Podiumsdiskussionen. Und bereits seit 17 Jahren veranstaltet ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen jährlich im September den „Friedenskulturmonat“. Seit 2018 sorgt dabei ein neues und wunderschönes Veranstaltungsformat für Furore: Der „West-Östliche Diwan“ des Künstlers Thomas Nufer verwandelt Münsters Domplatz in einen gleichermaßen abend- wie morgenländischen Marktplatz, bei dem sich ein buntes Gemisch unterschiedlichster Kulturen mit Teppichen auf dem Kopfsteinpflaster hinlagert und einem begeisterten Publikum seine jeweiligen Beiträge präsentiert.
Besondere internationale Beachtung findet alle zwei Jahre zudem der Internationale Preis des Westfälischen Friedens. Ihn verleiht die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe in Münster – und zwar in zwei Teilen: So finden sich unter den Preisträgern nicht nur prominente Namen wie Helmut Kohl, Kofi Annan, Daniel Barenboim, Helmut Schmidt oder sogar die Besatzung der Internationalen Raumstation ISS, sondern jeweils immer auch Gruppen junger Menschen, die sich besonders aktiv für Frieden und Verständigung engagieren.
Interessante Daten & Fakten (vielleicht zum Nachhaken?)
- Münsters Historisches Rathaus mit dem Friedenssaal bietet seit dem Europäischen Kulturerbejahr 2018 eine zeitgemäße, weitgehend digitale Aufbereitung der Wirkungsgeschichte und europäischen Bedeutung dieses Erinnerungsortes. Die Besucher und Besucherinnen können sich an Touch-Screens, Tablets und mittels Augmented Reality im Friedenssaal über die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges und des Westfälischen Friedens samt seiner Rezeptionsgeschichte informieren und sich so mit diesem Teil der europäischen Geschichte beschäftigen und ihn in Beziehung zu den Konflikten setzen, die derzeit weltweit zu erleben sind. www.frieden-europa.de
- Der Internationale Preis des Westfälischen Friedens wird alle zwei Jahre von der Wirtschaftlichen Gesellschaft Westfalen und Lippe verliehen. Eine Original-Urkunde, der Preis sowie Informationen über u.a. bisherige Preisträger sind seit diesem Jahr auch in der Bürgerhalle zu finden.
www.wirtschaftliche-gesellschaft.de - Jeweils im September veranstaltet ein Bündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen den Friedenskulturmonat – mit einem breiten Spektrum von Aktivitäten: Von Vorträgen über Friedenslauf und Kinder-Friedensfest bis zum Friedensmahl im Rathaus-Innenhof, dem Platz des Westfälischen Friedens. Und seit 2018: Das Kultur-Happening „West-Östlicher Diwan“ auf dem Domplatz – der arabische Kiepenkerl schenkt den Umstehenden einen Korn ein, Ochtruper Leineweber tanzen zu kurdischer Musik…
www.frieden-muenster.de - 1648 – Dialoge zum Frieden: Unter diesem Titel stehen die traditionell hochkarätigen Veranstaltungswochen rund um das Datum der Verkündung des Westfälischen Friedens am 24. Oktober. Insbesondere werden hier die Kompetenzen des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität mit einbezogen.
www.stadt-muenster.de/tourismus/westfaelischer-frieden.html