Berta Gernart

Illustration: Berta Gernart

Berta Gernart 1894-1944

 

"Ehefrau Gernart [...] erklärt, die Lehre 'Jehovas' gehe den staatlichen Gesetzen vor. Sie hat sich daher an das Verbot nicht gehalten und gibt an, das auch in Zukunft nicht tun zu wollen."

Aus der Anklageschrift der Oberstaatsanwaltschaft Dortmund, Januar 1937 (Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, K 204, Nr. 2444).

Berta Gernart wird am 12. März 1894 als Berta Rapp im elsässischen Lauterbach geboren und wächst dort als Tochter eines katholischen Zimmermanns auf. Über ihre Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. Als Näherin kommt sie 1913 nach Münster. Ein Jahr später heiratet sie den Maurer Johann Gernart. 1920 bringt sie einen Sohn zur Welt, 1927 folgt ein zweiter. Die Familie lebt in Münsters Altstadt, ehe sie 1934 in ein neugebautes Siedlungshaus in der im Süden von Münster gelegenen Vennheide zieht. Seit 1926 lebt Berta nach den Glaubenssätzen der Zeugen Jehovas.

Denunziert, verhaftet und verurteilt

Im April 1936 wird Berta Gernart festgenommen, weil sie mit einer anderen Frau über ihren Glauben gesprochen und gegen den nationalsozialistischen Staat "gehetzt" haben soll.
Bis zu ihrem Prozess wird sie in Untersuchungshaft gehalten. Anfang 1937 klagt das Sondergericht Dortmund Berta Gernart und achtzehn Gleichgesinnte wegen "verbotener Bibelforschertätigkeit" an.

Das Gericht verurteilt Berta Gernart zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Unter Anrechnung der Untersuchungshaft muss sie für fünf weitere Monate ins Gefängnis.

Aus dem Gefängnis ins Konzentrationslager

Als sie im Dezember 1937 aus der Haft entlassen wird, warten vor den Toren der Haftanstalt bereits Beamte der Geheimen Staatspolizei auf sie. Sie nehmen Berta Gernart in Schutzhaft und bringen sie in das Frauenkonzentrationslager Lichtenburg. Im Mai 1939 wird sie in das KZ Ravensbrück verlegt.

"Weil wir auf Grund unseres Glaubens, Kriegsarbeiten ablehnten, mußten wir alle erdenklichen Schikanen erdulden, im Jahre 1941 gerieten wir in eine Strafkolonne. In dieser Kolonne verschlimmerte sich unsere Lage, das [sic!] wir nach einigen Monaten nur noch Knochengerippe waren, weil wir uns nicht ergaben, wurden einige Glaubensgeschwister darunter auch Frau Gernart nach den Zellen gebracht, wo sie unglaublich mißhandelt worden sind."

Aus dem Bericht einer Mitgefangenen im KZ Ravensbrück, Februar 1954 (Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, K 204, Nr. 2444).

Im August 1942 wird Berta Gernart nach mehr als viereinhalb Jahren aus der Schutzhaft entlassen. Sie kehrt zu ihrer Familie zurück. Diese war zwischenzeitlich wegen "politischer Unzuverlässigkeit" aus dem Siedlungshaus in der Vennheide ausgewiesen worden und wohnt nun wieder in Münsters Altstadt.

Langwierige Erholung und anhaltende Überwachung

Berta Gernarts Zustand ist infolge der Haftbedingungen kritisch. Zwei Jahre dauert es, bis sie sich zumindest körperlich erholt. In ihrem Alltag wird Berta überwacht. Immer wieder muss sie sich bei der Geheimen Staatspolizei melden. Mehrfach droht ihr diese mit einer erneuten Verhaftung. Denn auch weiterhin übt Berta ihren Glauben aus und trifft sich im Geheimen mit Angehörigen ihrer Gemeinde. Ehe sie jedoch abermals verhaftet werden kann, kommt Berta am 18. November 1944 bei einem Luftangriff ums Leben.

Nach dem Krieg stellt Johann Gernart einen Antrag auf Entschädigung. Während die Entschädigungsbehörde ihm und seinen Söhnen als Erben seiner verstorbenen Frau eine Entschädigung "wegen Schadens an Freiheit" bewilligt, lehnt sie eine Wiedergutmachung der politisch motivierten Ausweisung aus dem Siedlungshaus in der Vennheide ab.