Paul Hülsmann

Illustration: Paul Hülsmann

Paul Hülsmann 1897-1963

 

"Hülsmann hat in den letzten 10 Jahren nie geregelte Arbeit verrichtet. Arbeitsgelegenheiten, die ihm zugewiesen wurden, hat er meist nach einer Woche wieder aufgegeben. Er beschäftigt sich meist als Hausierer und Stuhlflechter. […] Er vertrinkt seit Monaten seinen gesamten Verdienst […]. Hieraus ergibt sich, daß infolge [seines] sittlichen Verschuldens seine Familie aus öffentlichen Mitteln unterstützt werden mußte. Nur durch strenge Maßnahmen kann Hülsmann wieder zu einem ordentlichen Menschen erzogen werden. […] Nach einer etwa einjährigen Unterbringung in einem Arbeitshause steht […] zu erwarten, daß [er] dem Trunke entwöhnt sein wird und zu einer sozialen Haltung zurückgeführt werden kann."

Aus dem Unterbringungsbeschluss des Regierungspräsidenten, Oktober 1937 (Archiv Landschaftsverband Westfalen-Lippe, Bestand 663, Nr. 12411).

Paul Hülsmann wird am 29. Juni 1897 als Sohn eines Anstreichers und einer Schneiderin in Bochum geboren. Nach Verlassen der Volksschule wird er in einem Stahlwerk zum Schlosser ausgebildet und danach als Geselle übernommen. Ab 1917 versieht er seinen Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg. Nach Kriegsende nimmt er seine Arbeit im Stahlwerk wieder auf. Im Zuge der Ruhrbesetzung wird das Werk 1923 jedoch geschlossen. Paul Hülsmann verliert seine Arbeit. Mit Gelegenheitsjobs versucht er, sich über Wasser zu halten. Zeitweise lebt er von Wohlfahrtsunterstützung. Im Jahr 1924 heiratet er. Zwei Jahre später zieht er mit seiner Frau nach Münster.

Berufliche Experimente, Geld- und Alkoholprobleme

Noch im selben Jahr meldet Paul Hülsmann einen Textilwarenhandel an. Die Expertise dafür besitzt seine Frau – bereits in Bochum hatte sie ein solches Geschäft geführt – er selbst ist offiziell als "Reisender" tätig. Zwischen 1927 und 1930 bekommt das Paar drei Söhne, die Frau zieht sich aus den aktiven Geschäften zurück. Paul Hülsmann fällt es offenbar schwer, die Geschäfte alleine fortzuführen. 1930 meldet er sich gewerblich als Fotolaborant an, 1933 als Stuhlflechter. Mit beidem gelingt es ihm nicht, für ein regelmäßiges Einkommen zu sorgen, ab 1927 bezieht die Familie Wohlfahrtsunterstützung. Derweil trinkt er und begeht kleinere Eigentumsdelikte. Wiederholt verbüßt er mehrwöchige Gefängnisstrafen. Im Jahr 1936 verliert die Familie ihre Wohnung und wird von der Obdachlosenpolizei in einem Wohnbarackenlager untergebracht. Noch im selben Jahr kommt es zwischen Paul Hülsmann und seiner Frau zum Bruch. Er verlässt die Familie. Im Jahr darauf wird er auf Antrag des Bezirksfürsorgeverbands in das Provinzialarbeitshaus Benninghausen bei Lippstadt eingewiesen.

Aus dem Arbeitshaus ins Konzentrationslager

Seit dem 19. Jahrhundert werden in Benninghausen soziale Außenseiter*innen, wie Obdach- und Erwerbslose, Alkohol- und Geschlechtskranke sowie "säumige Nährpflichtige" durch strenge Disziplin und körperliche Arbeit zu einem "geordneten Leben" erzogen. Bereits nach fünf Monaten wird Paul Hülsmann trotz guter Arbeitsleistungen von der Geheimen Staatspolizei aus der Anstalt in das Konzentrationslager Buchenwald überführt. Er ist einer von etwa 10.000 Menschen, die 1938 im Rahmen der Aktion "Arbeitsscheu Reich" in ein KZ eingewiesen werden. Im Lager wird Paul Hülsmann kahlgeschoren und unter primitiven Bedingungen und unzureichender Verpflegung zu schweren Schachtarbeiten gezwungen. Katastrophale Hygiene führt im Lager zu Seuchen. Doch Paul Hülsmann überlebt: 1940 wird er nach knapp zwei Jahren Lagerhaft entlassen.

Der schwere Weg zurück ins Leben

Zurück in Münster steht Paul Hülsmann vor dem Nichts. Körperlich wie seelisch hat ihn das KZ gezeichnet. Er ist obdach- und mittellos. Seine Ehe war bereits kurz nach seiner Verbringung nach Buchenwald geschieden und das Sorgerecht für die Söhne der Mutter übertragen worden. Er kommt in einem Obdachlosenasyl unter. Das Arbeitsamt weist ihm eine Stelle in einem Sauerstoffwerk zu. Nach fast zwei Jahren verlässt er 1942 das Obdachlosenasyl. Er lernt eine Frau kennen und verlobt sich. Doch trennt sie sich 1944 von ihm, kurz bevor ein gemeinsames Kind geboren wird.

Nach dem Krieg lebt Paul Hülsmann weiterhin in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen. Trotzdem lässt er seiner ehemaligen Verlobten und ihrem Sohn regelmäßig Geld zukommen. Noch bis 1948 arbeitet er als Schlosser im Sauerstoffwerk, ehe er sich als Händler selbstständig macht. 1955 stellt sein ältester Sohn ihn in seinem Textilwarenhandel als kaufmännischen Angestellten ein. Am 15. Dezember 1963 stirbt Paul im Münsteraner Franziskushospital an den Folgen eines Verkehrsunfalls.