Maria Sibonus

Maria Sibonus 1936-1943

 

"Der Milan Staganus muss nach seiner Abstammung und den sich darbietenden rassischen Merkmalen als nicht deutschen oder artverwandten Blutes bezeichnet werden. Sein Erscheinungsbild weisst deutliche Merkmale aussereuropäischer Rasse auf. Die geschiedene Ehefrau Maria Häring geb. Sibonus ist deutschen oder artverwandten Blutes und steht im 43. Lebensjahr. Die beiden genannten leben seit Jahren zusammen; es sind aus dieser Verbindung bereits zwei Kinder hervorgegangen, die sehr deutlich die Merkmale des Vaters tragen."

Aus einer Stellungnahme des Gesundheitsamtes Münster-Stadt über die Eltern von Maria Sibonus, Oktober 1937 (Stadtarchiv Münster, Amt 53, Nr. 165).

Maria Sibonus wird am 21. Januar 1936 in Greven geboren. Ihre Mutter, bringt sie auf einem traditionellen Lagerort reisender Sinti* und Roma* in einem Wohnwagen zur Welt. Kurze Zeit später lässt sich ihre Mutter mit ihr und ihrem fünf Jahre älteren Bruder in Münster am Rande des Kuhviertels nieder.

Aufwachsen am Rande der Gesellschaft

Da Maria Sibonus' Vater einer angeblich "artfremden Rasse" angehört, darf er ihre Mutter nicht heiraten. Die Familie lebt in einfachsten Verhältnissen. Vermutlich sind es zunehmend Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten, mit denen der Vater die Familie zu ernähren versucht. Denn die Ausübung eines Wander- oder Schaustellergewerbes wird ihm durch die nationalsozialistischen Behörden verboten. Wahrscheinlich ist die Mutter auf Wohlfahrtsunterstützung angewiesen. 1939 überweist das Vormundschaftsgericht den Bruder in ein Erziehungsheim. Knapp zweieinhalb Jahre später wird auch Maria Sibonus von ihren Eltern getrennt: 1942 bringt sie das Wohlfahrtsamt in einem Kinderheim in Hamm unter.

Im Kinderheim verhaftet

Am 9. März 1943 wird Maria Sibonus von der Polizei aus dem Kinderheim abgeholt und gemeinsam mit mehr als 50 anderen in Hamm lebenden Menschen in das Gestapogefängnis "Steinwache" nach Dortmund gebracht. Wenige Tage später werden die verhafteten Männer, Frauen und Kinder in Güterwagons verladen und mit einem Sammeltransport von mehr als 1.300 Personen aus Nordwestdeutschland in Richtung Osten deportiert. In den überfüllten Waggons ist es eng, dunkel und stickig. Es gibt nichts zu essen und kaum Wasser. Am 13. März erreicht der Zug seinen Bestimmungsort Auschwitz-Birkenau.

Im Todeslager von Auschwitz-Birkenau

Den Ankommenden werden die Haare geschoren und Häftlingsnummern mit einem vorangestellten "Z" in den Arm tätowiert. Anders als in den übrigen Lagerabschnitten, werden sie in dem für sie vorgesehenen Areal nicht nach Geschlechtern getrennt. Womöglich sieht Maria Sibonus dort ihren Bruder und ihren Vater wieder, die ebenfalls in diesen Tagen im Lager eintreffen. Hygiene und Lebensbedingungen in dem mit rund 12.000 Insassen hoffnungslos überfüllten Lagerabschnitt sind katastrophal. Das wenige Trinkwasser ist mit Keimen verseucht. Die Verpflegung besteht aus wässriger Suppe, Tee und etwas Brot. Zudem besteht Arbeitspflicht. Selbst Kinder werden zu schweren körperlichen Arbeiten gezwungen. Bei alledem sind die Häftlinge der brutalen Willkür und den Schikanen der Wachleute ausgesetzt. Tausende der binnen kürzester Zeit völlig ausgezehrten Menschen sterben elendig an Typhus und anderen Hungerkrankheiten.

So auch Maria Sibonus: Nur etwas mehr als zwei Monate vermag das sieben Jahre alte Mädchen den Qualen standzuhalten. Sie stirbt am 25. Mai 1943.
Bruder und Vater kehren ebenfalls nicht aus Auschwitz zurück. Die Mutter kommt 1944 bei einem Luftangriff ums Leben.