"Er gilt als im Umgang gewandt, körperlich anfällig, von schwachem Gedächtnis, nervös, im Charakter übertrieben liebenswürdig, ehrlich, kameradschaftlich, temperamentvoll, infolge seiner Vergesslichkeit nur bedingt [...] einsatzfähig, zu irgendwelchen Leistungen trotz guten Willens unfähig, Führung gut. Disziplinar ist er nicht, dagegen in seinem bürgerlichen Leben [...] richterlich bestraft."
Aus dem Urteil des Feldkriegsgerichts, Mai 1943 (Bundesarchiv Militärarchiv, Pers. 15, Nr. 10790).
Paul Foitzik wird am 31. August 1901 als Sohn eines Militärmusikers in Münster geboren. Er absolviert die Volksschule, besucht dann die Musikschule. Ein Studium der Musik am Konservatorium in Düsseldorf bricht er 1918 ab. Bis zu dessen Tode 1924 arbeitet er nun im Geschäft seines Vaters, der eine Marketenderei betreibt und die in der Stadt stationierten Truppen der Reichswehr mit Bedarfsartikeln versorgt. Nebenher spielt Paul Foitzik in Cafés und bei Feierlichkeiten Klavier. 1939, wenige Tage nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, heiratet er.
"Eine gewisse Neigung zur Homosexualität"
Doch hat Paul Foitzik, wie er nach dem Krieg sagen wird, "eine gewisse Neigung zur Homosexualität". Ein knappes Jahr nach seiner Heirat wird er deshalb erstmals verhaftet und angeklagt. Er soll mehrere junge Männer unter 21 Jahren dazu verführt haben, "mit ihm Unzucht zu treiben", wie es unter Paragraph 175 a Strafgesetzbuch heißt. Das Landgericht Münster verurteilt ihn im November 1940 zu einer Gefängnisstrafe von sieben Monaten.
Im Frühjahr 1942 wird Paul Foitzik zum Kriegsdienst eingezogen und 1943 vor einem Feldkriegsgericht erneut gemäß Paragraph 175 a angeklagt. Die Mutter eines jungen Schlosserlehrlings hatte seine Briefe in den Sachen ihres Sohnes gefunden und Anzeige erstattet. Paul Foitzik wird zu einer Zuchthausstrafe von einem Jahr verurteilt. Zudem entzieht ihm das Gericht die Wehrwürdigkeit und auf eine Dauer von drei Jahren die bürgerlichen Ehrenrechte. Seine Strafe soll er aber erst nach Ende des Krieges verbüßen. Bis dahin bleibt er in Verwahrung und wird in den gefürchteten Emslandlagern unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen. Nach einem knappen Jahr wird er in das Zuchthaus Bremen-Oslebshausen verlegt.
Zwei Lebenswelten
Im Mai 1945 kommt Paul Foitzik auf Anordnung der alliierten Militärregierung schließlich frei und kehrt nach Münster zurück. Am Rande des Mauritzviertels finden er und seine Frau eine neue Wohnung. Wie schon vor dem Krieg versucht Paul Foitzik, seinen Lebensunterhalt als Veranstaltungsmusiker zu bestreiten. Saisonbedingt ist er aber immer wieder auf Arbeitslosenunterstützung angewiesen.
Als sich 1951 ein Bekannter wegen gleichgeschlechtlicher Kontakte selbst anzeigt, wird unter anderem auch Paul Foitzik angeklagt. Obwohl er alle Vorwürfe abstreitet, sieht das Landgericht den während der NS-Zeit mehrfach einschlägig vorbestraften Paul Foitzik als überführt an und verurteilt ihn gemäß Paragraph 175 zu einer Gefängnisstrafe von vier Monaten. Aus der Haft entlassen, ist Paul Foitziks Leben weiterhin von unsteten Einkommensverhältnissen geprägt. Und weiterhin trifft er sich mit Männern. Im Juni 1955 klagt ihn das Landgericht abermals wegen einer intimen Beziehung zu einem sehr viel jüngeren Mann an und verurteilt den geständigen Paul Foitziks wegen "fortgesetzter Unzucht zwischen Männern" zu anderthalb Jahren Gefängnis.
"Obwohl der Verurteilte bereits mehrfach einschlägig vorbestraft ist und daher bei seiner gleichgeschlechtlichen Veranlagung die Möglichkeit besteht, dass er wieder rückfällig wird, glaubte die Kammer doch, dem Verurteilten eine Chance geben zu dürfen, zumal der Strafrest nur etwa noch einen Monat beträgt und mit Rücksicht auf die lange Bewährungszeit zu erwarten ist, dass der Verurteilte in Zukunft ein gesetzmässiges und geordnetes Leben führen wird. Dies gilt umso mehr als auch seine Ehefrau dem Verurteilten verziehen hat und bereit ist, ihn wieder bei sich aufzunehmen."
Aus dem Beschluss des Landgerichts Münster auf bedingte vorzeitige Haftentlassung, August 1956 (Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Q 225, Nr. 1879).
Einen Monat vor dem eigentlichen Haftende wird Paul Foitzik im August 1956 vorzeitig aus der Haft entlassen. Ein halbes Jahr nach Ablauf der Bewährungsfrist stirbt er am 5. Juni 1962 im Alter von 60 Jahren an Herzversagen.