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Fundstück des Monats
September 2023: Amateurfilme des Gendarmen Kurt Kreikenbom
Wie schon im letzten Monat, in dem das Medium "Fotoalbum" im Fokus stand, dreht sich das Fundstück des Monats September abermals um ein visuelles Medium: den Amateurfilm. Solche liegen in der Sammlung des Geschichtsorts Villa ten Hompel unter anderem von Kurt Kreikenbom vor und werden in der Dauerausstellung in Ausschnitten gezeigt.
Kreikenbom, geboren am 16. März 1900 in Berlin, hielt seinen "Auswärtigen Dienst" als Oberstleutnant der Gendarmerie während des Zweiten Weltkriegs filmisch fest. Als Gendarm war Kreikenbom für den ordnungspolizeilichen Vollzugsdienst in ländlichen Gebieten und kleineren Orten in Polen und in der Sowjetunion zuständig. Neben Aufgaben wie Verkehrskontrollen und Strafverfolgung war die Ordnungspolizei aktiv an NS-Verbrechen beteiligt. Die überlieferten Filme enthalten verschiedene Versatzstücke von Kreikenboms Alltag: Er dokumentierte zahlreiche Straßen- und Landschaftsszenen – darunter große Propagandamärsche, Kriegszerstörungen und Deportationen –, aber auch sein familiäres Leben. Zeitlich erstrecken sich die Filmdokumente auf einen ungefähren Zeitraum von 1939 bis 1942.
Filmszenen aus dem privaten Kontext zeigen Kreikenbom mit seinen Kindern, offenbar eine Szene im heimischen Arbeitszimmer, anschließend ein Schwenk auf das obligatorische Hitler-Porträt und eine Europakarte an der Wand. Es folgt eine betont herzliche und langwierige Verabschiedung von der Familie vor dem Einsatz in Polen, die ihn als sorgenden Familienvater in Szene setzt. Immer wieder filmte er Tiere auf polnischen und sowjetischen Bauernhöfen, etwa Schweine, Kühe, ein Fohlen und Schafe.
Viel Filmmaterial widmete Kreikenbom der Dokumentation von Propagandamärschen und Paraden, beispielsweise Mitte September 1939 beim Besuch Adolf Hitlers in Danzig und in Krakau 1940 anlässlich des Besuchs des Chefs der Ordnungspolizei Kurt Daluege. Man sieht Daluege nach der Parade beim Besteigen seines Flugzeuges, das großformatig mit einem an seinen Namen angelehnten Kennzeichen bestrichen wurde: D-ALUG. Die Perspektiven auf das Geschehen und die Bildausschnitte lassen eine gewisse Ähnlichkeit zur Machart bekannter NS-Propagandafilme erkennen, obwohl es sich bei den Amateurfilmen technisch bedingt um stumme Aufnahmen handelt: singende und musizierende Soldaten und Polizisten, marschierend in Reih und Glied, wehende Hakenkreuzfahnen, immer wieder Hitlergrüße.
Später folgen Aufnahmen von der polnischen und sowjetischen Zivilbevölkerung, Menschen, die in ländlichen Wohngebieten gezeigt und von uniformierten Polizisten bewacht werden. Dann sind Menschengruppen beim Gang durch städtisches Umfeld zu sehen, die mit Gepäck beladen sind und von Ordnungspolizisten begleitet werden. Hin und wieder sind Armbinden und "Judenstern"-Aufnäher zu erkennen. Nach einem Schnitt ist ein Güterwaggon kurz vor der Abfahrt aus Minsk in Belarus zu sehen, in ihm zahlreiche Kinder und Frauen, der Boden der Waggons ist nur mit Stroh bedeckt.
Das von Kreikenbom geführte Gendarmerie-Kommando war später, im Jahr 1943, zusammen mit anderen Einsatzgruppen aus Polizei und SS an dem "Unternehmen Hermann" nahe Minsk beteiligt: Im Rahmen dieser großangelegten sogenannten "Partisanenaktion" wurden etliche Menschen aus der Zivilbevölkerung erschossen, festgenommen oder als Zwangsarbeitskräfte deportiert. Allein in Belarus wurden Hunderte von Dörfern und Städten im Rahmen der "Verbrannte-Erde-Politik" dem Erdboden gleichgemacht und sogenannte Todeszonen geschaffen.
Im Kontrast zu seiner Karriere im NS-Staat stehen Tätigkeiten nach 1945. Kreikenbom wurde höchstwahrscheinlich entnazifiziert und bewachte unter Beaufsichtigung der britischen Besatzung Gemüsefelder. Dies bezeugt ein ebenfalls überlieferter Feldhüterausweis.
Die Aufnahmen von Kurt Kreikenbom sind auf 8-mm-Film in Schwarz-Weiß, teils aber auch in Farbe festgehalten. Vermutlich hat er eine Normal-8-Kamera benutzt, gängige Modelle kamen zu dieser Zeit von Kodak und Agfa. Voraussetzung für die Etablierung von handlichen Filmkameras war die Weiterentwicklung des Schmalfilms in den 1920er Jahren. Kostengünstiges 8-mm-Filmmaterial wurde 1932 in den USA entwickelt und kam 1933 auf den deutschen Markt. Zeitgleich mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten also konnte der Amateurfilm an Fahrt aufnehmen – wenn auch Material und Geräte noch vergleichsweise teuer waren. Die vereinfachte Technik machte die Kameras auch für Laien bedienbar: Mithilfe eines Aufziehfederwerks konnte der Film bis zu 30 Sekunden gleichmäßig ablaufen und belichtet werden.
Aufgrund der Empfindlichkeit derartigen Filmmaterials wurden die Filme durch das LWL-Medienzentrum für Westfalen digitalisiert und in dessen Kühlkammern eingelagert.
Ausgewählte Szenen aus rund zweistündigem Filmmaterial von Kurt Kreikenbom