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Kolonialwissenschaften
Biowissenschaften
Kolonialbotanik
Das gestiegene wissenschaftliche Interesse an der Natur in den Kolonien seit Ende des 19. Jahrhunderts belegt in Münster der Bau des Palmenhauses im Botanischen Garten. Etwa zeitgleich gründete Hermann Landois, Professor für Zoologie an der damaligen Akademie Münster, 1875 den Zoologischen Garten. Auch hier verbanden sich wissenschaftliche mit touristischen und gesellschaftlichen Interessen.
Seit 1906 hielt Professor Friedrich Tobler Vorlesungen zur "Kolonialbotanik", in denen er "Produkte, Anbau und Bedeutung tropischer Nutzpflanzen mit besonderer Rücksicht auf die deutschen Kolonien" thematisierte, wie es in der Veranstaltungsankündigung hieß. Sein mehrfach aufgelegtes Buch "Koloniale Nutzpflanzen" wurde ein Standardwerk. Finanziert durch das Reichskolonialamt, unternahm Tobler vor Beginn des Ersten Weltkriegs mehrere Forschungsreisen in die deutschen Kolonien in Afrika. Dort sammelte er unter anderem Proben und ließ sie verschiedenen deutschen Universitäten zukommen. Erklärtes Ziel seiner Forschungen war die bessere (land-)wirtschaftliche Nutzbarmachung der Kolonien.
Zoologie
Am anatomisch-zoologischen Institut tat sich besonders Walther Stempell, außerordentlicher Professor für Zoologie, bei kolonialen Forschungsthemen hervor. Von 1908 bis 1912 bot er jeweils im Sommer eine "Zoologische Exkursion und Demonstration mit gelegentlicher Erörterung kolonial-zoologischer Fragen" an. Seine Vorlesung "Die tierischen Parasiten des Menschen mit besonderer Berücksichtigung der Erreger kolonialer Krankheiten (für Mediziner)" war im Wintersemester 1910/11 mit 60 Zuhörenden für die damalige Zeit gut besucht. Noch größere Anziehungskraft hatte seine Vorlesung "Moderne Abstammungslehre des Menschen", mit der er sich an Studierende aller Fakultäten wandte. Den durchschnittlich 250 Anwesenden präsentierte er hier die neuesten kraniometrischen Erkenntnisse: Aus der Vermessung von Menschenschädeln versuchte er mit Fachkollegen Erkenntnisse über verschiedene Menschenrassen zu gewinnen. Inwieweit hier aus kolonialem Unrecht erbeutete Menschenschädel zum Einsatz kamen, ist unklar. Für andere Hochschulen sind diese Zusammenhänge überliefert.