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Kolonialwissenschaften
Geographen als Vermittler zwischen Forschung und Kolonialvereinen
Professoren verbanden durch ihre Ämter in Münster wissenschaftliche mit politischen Kolonialinteressen. Besonders in der Geographie wurden koloniale Inhalte entsprechend regelmäßig und von verschiedenen Lehrenden thematisiert. Seit 1908 hielt Professor Wilhelm Meinardus eine Vorlesung zur "Geographie der Südkontinente, mit besonderer Berücksichtigung der deutschen Kolonien". Als Professor für Geographie war er zugleich Leiter des Geographischen Seminars und später auch Dekan der Naturwissenschaftlich-Philosophischen Fakultät. Außerdem war er Vorsitzender der münsterschen Ortsgruppe der Deutschen Kolonialgesellschaft. 1920 verließ Meinardus die Universität Münster und wurde Leiter des Geographischen Instituts der Georg-August-Universität in Göttingen. Auch der Nachfolger, Professor Ludwig Mecking, war zeitweise Vorsitzender der Ortsgruppe der DKG.
Eine sich regelmäßig wiederholende Vorlesung des Privatdozenten Dr. Theodor Wegener trug den vielsagenden Titel "Die Geologie der Kolonien"; mit dem Ende der deutschen Kolonien und der Kolonialwissenschaften an der Universität Münster hieß der Veranstaltungstitel ab 1919 schlicht "Die Bodenschätze der Erde. Ihre Geologie und ihre Bedeutung für die Weltwirtschaft". In verschiedenen Veranstaltungen des Kartographen Professor Georg Schewior oder des Astronomieprofessors Joseph Plassmann wurde immer wieder der Wert kolonialer Fotografien zur Bebilderung der Vorlesungen betont.
Der Geographieprofessor Richard Lehmann bot bereits seit 1899 regelmäßig Veranstaltungen zur "Völkerkunde" und zur "Geographie der Schutzgebiete des deutschen Reiches" an. Lehmann spielte später eine zentrale Rolle in der Wiedererhebung und Umbenennung der Universität nach Kaiser Wilhelm. Er war darüber hinaus Mitglied der Ortsgruppe Münster des deutschen Flottenvereins in Münster, der Ortsgruppe der Deutschen Kolonialgesellschaft und später förderndes Mitglied der SS. Als Begründer der geographischen Lehre in Münster versuchte Lehmann über seine wissenschaftlichen Netzwerke den Einfluss des Faches Geographie auszubauen, wenngleich dessen Auftrag in Münster lange Zeit auf die Ausbildung von Lehrkräften beschränkt blieb. Durch die sogenannte "Länderkunde" versuchten viele deutsche Geographen und vor allem Lehmann, das Fach deutschnational und kolonialistisch auszurichten, um den Nutzen der Geographie für nationalpolitische Bestrebungen zu betonen.