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Öffentlicher Raum
Palmenhaus
Der Botanische Garten hinter dem Schloss ist für jährlich 200.000 Gäste ein beliebtes Erholungs- und Ausflugsziel. Die Pflanzen aus der ganzen Welt dienen darüber hinaus der Forschung und Lehre an Münsters Universität.
Zeitlich mit Einrichtung erster naturwissenschaftlicher Lehrstühle gründete die Universität 1803 den Botanischen Garten. Einige Jahre später entstanden neben Gewächshäusern auch eine Orangerie und 1878 das Palmenhaus. Dessen Neubau aus dem Jahr 1935 steht bis heute. Im Zweiten Weltkrieg wurden weite Teile des Botanischen Gartens zerstört. Seit dem Wiederaufbau in der Nachkriegszeit dient das Gelände wieder als Forschungs- und Lernstätte sowie als Naherholungsraum.
Anders als bei Völkerschauen oder Ausstellungen im Zoologischen Garten liegen die Bezüge zu kolonialem Unrecht oder einer revisionistischen Kolonialpolitik hier nicht auf der Hand. Und dennoch bediente auch der Botanische Garten exotische Vorstellungswelten der Bevölkerung und bezog seine Pflanzen mitunter aus kolonialen Kontexten.
Ein Ausstellungsort kolonialer Pflanzenwelten
Nachdem Prof. Theodor Nitschke 1875 die Leitung des Botanischen Gartens übernahm, wurde 1878 nach der Orangerie schließlich auch ein Palmenhaus errichtet, das mit einer Fußbodenheizung und verschieden temperierten Räumen ausgestattet war. Prof. Landois schrieb 1884 in einem Nachruf an den verstorbenen Prof. Nitschke: „Ein großartiges Palmenhaus ist unter ihm entstanden, in dessen Riesenbassin alljährlich die Victoria regia üppig gedeiht; dessen Palmen, Farnbäume, Orchideen, Passiflora und Bananen uns die Märchenländer der Tropenwelt vorzaubern.“ Darüber hinaus verfügte der Botanische Garten über eine große Sammlung an tropischen Farnen und Orchideen. Ab 1928 gab es schließlich auch ein Tropen- und ein Sukkulentenhaus.
Der spätere Direktor des Botanischen Gartens (1909-1914) Prof. Carl Erich Correns lobte den Garten als außerordentlich schön und lobte das große Interesse der Stadtbevölkerung an dem Garten. Zugleich sei er durch seine Besucherfreundlichkeit jedoch zu klein für die universitäre Botanik geworden, sodass seine wissenschaftliche Tauglichkeit seitdem infrage stand. Freie Rasenflächen verwandelte Correns in Blumenbeete, um dort seine genetischen Untersuchungen durchführen zu können. Ungeachtet dessen pflegten die Münsteranerinnen und Münsteraner ein enges Verhältnis zu ihrem Botanischen Garten. Sie konnten sogar ihre Pflanzen dort zum Überwindern einmieten.
So wie Tabak, Früchte oder Schokolade als Kolonialwaren über den Konsum koloniale Genusswelten in die breite Bevölkerung trugen, ermöglichten das Palmenhaus und die exotischen Pflanzen ein Abtauchen in koloniale Naturräume oder das, was die europäische Gesellschaft sich darunter vorstellte. In die andere Richtung wurden wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Kolonialbotanik zurück in die Kolonien getragen, um etwa agrarische Produktionswege zu verbessern.