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Frühe Erinnerungsmale
Täufer-Körbe mit Installation "Irrlichter"
Dazu: Kunstwerk "Wasser in Münster" im Straßenpflaster des Prinzipalmarkts
Standort
Kirchturm von St. Lamberti, Prinzipalmarkt
Lage im Stadtplan
Gestaltung und Gestalter
Die drei vom Schmied Bertolt von Lüdinghausen produzierten eisernen Körbe haben jeweils die folgenden Abmessungen: mittlerer Korb 187 x 76 cm; untere Körbe 179 x 79 cm. Die drei Körbe sind ein durch die städtische Denkmalbehörde eingetragenes Baudenkmal.
Im Rahmen der "Skulptur-Projekte 1987" installierte der Künstler Lothar Baumgarten in jedem Korb eine schwach brennende Glühbirne ("Drei Irrlichter").
Die Skulptur von Adolph W. Knüppel "Wasser in Münster" im Straßenpflaster des Prinzipalmarkt zwischen Haus 29 und 41 entstand mit Unterstützung der Kaufmannschaft vom Prinzipalmarkt. Das Wasser des im Pflaster eingelassenen Metall-Zylinders mit Glasabdeckung stammt aus einem unterirdischen Brunnen, der vermutlich schon zu Wiedertäuferzeiten existierte, und aus dem Jordan. Drei symbolische Engelflügelpaare umschließen das Fenster.
Anbringung
der Körbe: 1536
der Installation von Baumgarten: 1987
des Kunstwerks von Knüppel: 27. September 2000
Erinnerungsmotiv
Die Körbe sind als Warnzeichen, Machtdemonstration, Abschreckung und Mahnung des Landesherrn an die Stadtbevölkerung, von Aufruhr gegen ihn abzusehen, zu verstehen. Die Leichen der Anführer der Täuferbewegung wurden 'den Krähen zum Fraß und allen unruhigen Geistern zur Mahnung' überlassen.
Die Irrlichter, die 1987 installiert wurden, werden so verstanden: 'Drei Glühlampen erinnern nun an die Seelen der drei Wiedertäufer, deren zerschundene Leichname im Jahr 1535 (sic!) zur Warnung und Einschüchterung der Bevölkerung in den Käfigen am Lambertiturm hingen. Jeden Abend scheinen heute die Lichter wie aus der Vergangenheit zu uns zu leuchten.' (Zitat nach: Kirchhoff, S. 40)
Das Kunstwerk von Adolph Knüppel erinnert an die Zwangstaufen während der Täuferherrschaft. Es liegt auf der Westseite des Prinzipalmarktes zwischen den Häusern Nr. 29 und 41, in denen im Jahr 1534 die beiden Wiedertäuferbürgermeister Gerhard Kibbenbrock und Bernhard Knipperdolling residierten. Am Brunnen standen die Prediger, um alle Stadtbewohner zu taufen. Bei Ablehnung der "Wiedertaufe" drohte die Ausweisung aus der Stadt.
Die historische Zeichnung zeigt die drei Täuferführer van Leiden, Knipperdolling und Krechting in den eisernen Körben an St. Lamberti
Geschichtlicher Hintergrund
Täuferherrschaft in Münster 1534/35: Während der Reformation entwickelte sich in Münster eine historisch einzigartige religiöse und politische Konstellation. Die radikalreformatorische Bewegung der Täufer bekam großen Zulauf. Im Jahr 1534 gelang ihr auch die Gewinnung der politschen Macht. Die Herrschaft der Täufer dauerte ca. 1,5 Jahre und lag unter dem ständigen Druck der bischöflichen Belagerung. Es entwickelte sich eine starke soziale, religiöse und politische Radikalisierung. Die Ungläubigen mussten die Stadt verlassen. Die Belagerung durch den Bischof Franz von Waldeck verstärkte sich, eine Hungersnot brach aus. Mitte 1535 fiel die Stadt durch Verrat.
Die drei Anführer der Täuferbewegung Jan van Leiden, Bernhard Knipperdolling und Bernd Krechting wurden am 22. Januar 1536 auf dem Prinzipalmarkt öffentlich hingerichtet. Ihre Leichen stellte man in drei eisernen Körben an der Lambertikirche zur Schau. Im oberen Korb lag der Leichnam Jan von Leidens, unten links der Knipperdollings und rechts die Leiche Krechtings.
Die Körbe verblieben bis zum Abbruch des alten Turmes 1881. Dann wurden sie entfernt und in einer Kunstausstellung im Dom gezeigt. In den Niederlanden wurden leichtere Kopien angefertigt. Nach Fertigstellung des neuen Turmes 1898 wurden wieder die Originale an der Lambertikirche befestigt. Hermann Landois erwarb die Kopien und behauptete in der Folgezeit, er habe die Originale.
Zwei der Körbe stürzten während des Zweiten Weltkriegs mit den Trümmern hinab, der eine auf das Gewölbe der Kirche, der andere wurde vor ihrer Südfront zertrümmert. Erst nach Monaten hatte man die Möglichkeit, die Trümmer dieses Erinnerungsstückes zu bergen.
Heute sind alle drei Originalkörbe wieder am Lambertiturm angebracht; Repliken befinden sich im Stadtmuseum Münster.
Öffentliche Wahrnehmung
Mit dem Wandel in der Beurteilung der konfessionellen Bewegungen des 16. Jahrhunderts ergab sich die Frage, ob die Täuferkäfige hängen bleiben oder abgenommen werden sollten. Mehrfach fanden intensive öffentliche Diskussionen statt, zuletzt 2017. Der Verbleib der Körbe ist bis heute umstritten.
[Neueste Publikation zum Wandel des Täuferbildes im 20. Jahrhundert: Jan Matthias Hoffrogge: Der "Wiedertäufermythos". Münsters umstrittener Erinnerungsort (Kleine Schriften aus dem Stadtarchiv 15), Münster 2018.]
Inschrift Kunstwerk von Knüppel
1534 / Wieder / Täufer
Quellen und Literatur
Quellen aus dem Stadtarchiv
Stadtregistratur Fach 155, 125: Magistratsbeschluss vom 19.7.1926 zur Wiederaufstellung des obersten Korbes, dazu Zeitungsnotiz "Volkswille", 18.10.1926: Magistratsbeschluss zur Abnahme und Reparatur der 'Käfige'
Zeitungsausschnittsammlung Nr. 84
Zeitungsartikel
Westfälische Nachrichten, 29.8.1980
Westfälische Nachrichten, 22.1.1986
Münstersche Zeitung, 15.12.1992
Münstersche Zeitung, 28.12.1992
Westfälische Nachrichten, 6.8.2011
Westfälische Nachrichten 19.12.2011
Literatur
- Karl-Heinz Kirchhoff, Die "Wiedertäuferkäfige" in Münster, Münster 1996. [Signatur: 1 KUL 999-003]
- Birgit Münster, Annette Behues, Katharina Schleiff, Die Wiedertäuferkäfige. Denkmal, Mahnmal oder Ärgernis, [Münster], [1993] (Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte 1992/93: Denkmal: Erinnerung, Mahnung, Ärgernis) [Signatur: 4 SAB 132 ]
- Fabian Brämer, Steffen Speckmann, Die Wiedertäufer von Münster. Eine Arbeit über "Das Königreich zu Münster" und seine Helden, Münster 2009 (Geschichtswettbewerb um den Preis des Bundespräsidenten 2008/2009: Helden, verehrt - verkannt - vergessen) [Signatur: 4 SAB 705 ]
- Faltblatt der Kaufmannschaft zur Installation von Adolph Knüppel
- Jan Matthias Hoffrogge, Der "Wiedertäufermythos". Münsters umstrittener Erinnungsort (Kleine Schriften aus dem Stadtarchiv 15), Münster 2018