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Diskussion und Entscheidung 2019/2020
Runder Tisch am 6. Juni 2019
Über einige Kriegerdenkmäler werden immer wieder kontroverse Debatten geführt. Etwa über das zur Heroisierung neigende Dreizehner-Denkmal oder das Traindenkmal mit seinem kolonialen Hintergrund.
Viele Initiativen, Einzelpersonen, Vereinigungen oder Parteien beziehen seit Jahren engagiert unterschiedliche Positionen. Einige fordern den Abriss dieser Denkmäler, andere möchten sie versetzen, künstlerisch neu interpretieren, die Inschriften belassen oder verstecken. Andere fordern eine historische Einordnung, weil sich die Denkmäler aufgrund der zeitlichen Distanz zu den beiden Weltkriegen nicht mehr von selbst erklären.
Das Stadtarchiv hat diese erinnerungspolitischen Akteure am 6. Juni 2019 zu einem Gespräch am "runden Tisch" über den Umgang mit Kriegerdenkmälern (vor allem an der Promenade) eingeladen. Das Ziel sollte sein, sich einen Überblick über bisherige Initiativen zu verschaffen, Meinungen zu sammeln und Perspektiven zum zukünftigen Umgang mit Kriegerdenkmälern zu diskutieren.
Verlauf der Diskussion
Zu Beginn der vom Stadtarchiv organisierten Diskussionsrunde betonte der Veranstaltungs-Moderator Prof. Dr. Alfons Kenkmann den Neuerungswert der Diskussion über den zukünftigen Umgang mit Kriegerdenkmälern: Erstmals wurden Vertreterinnen und Vertreter aller(!) im Rat vertretenen Parteien und verschiedener zivilgesellschaftlicher Gruppierungen eingeladen. Damit seien auch die verschiedenen Impulse seit den 1980er Jahren eingebunden.
Unter den Anwesenden waren Vertreterinnen und Vertreter mehrerer Parteien des Rats der Stadt, der Universität Münster sowie Sprecherinnen und Sprecher friedenspolitischer und historischer Initiativen, des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge oder der Reservistenverbände der Bundeswehr.
Anja Gussek (Stadtarchiv Münster) präsentierte diese Website des Stadtarchivs "Erinnern im öffentlichen Raum". Neben umfassenden Informationen zur sämtlichen Kriegerdenkmalen, Ehren- und Mahnmalen soll die Seite auch die Ergebnisse der Diskussionen und der Meinungsbildung transparent machen.
Maximilian Twickler (Institut für Didaktik der Geschichte an der WWU Münster) beschrieb auf der Basis seiner vergleichenden Forschungen zu Kriegerdenkmälern in der Region und den jüngeren Debatten in Münster insgesamt acht verschiedene Handlungsoptionen zum Umgang mit Kriegerdenkmälern auf der Promenade:
- keine Veränderung des status quo
- Informationen an den Denkmalen (analog und/oder digital)
- Künstlerische Ergänzung oder Umdeutung
- Kritisch einordnende Kommentierung z.B. durch Tafeln am Denkmal
- Verwitterung (Herausforderungen für Denkmalschutz, Umgang mit Graffiti etc.)
- Abriss
- "Denkmalfriedhof" zur Musealisierung der Objekte
- Sonstige Vorschläge
In der anschließenden Diskussion erhielten alle Beteiligten Gelegenheit, ihre Meinungen zu den unterschiedlichen Handlungsoptionen ausführlich darzulegen. Die Diskussionsbeiträge wurden in einem ausführlichen Protokoll dokumentiert.
Ergebnisse der Diskussion
[Aus dem Protokoll zur Veranstaltung zitiert, mit Auslassungen das Verfahren betreffend.]
Einordnung und Informationen verfügbar machen
Das Online-Portal des Stadtarchivs stellt umfassende und kritisch-einordnende Informationen zu den Denkmälern zur Verfügung und fand in diesem Sinne positive Anerkennung. Dieses soll weiter beworben und leicht zugänglich gemacht werden. Ein einheitliches Informations- oder Verweissystem an den Kriegerdenkmälern an der Promenade und gegebenenfalls im Schlossgarten könnte auf die digitalen Recherche- und Informationsmöglichkeiten verweisen.
Kontroverse Themen kontrovers darstellen
Neben den Einordnungen ihrer Entstehungskontexte sollen auf dem Online-Portal des Stadtarchivs auch die unterschiedlichen Positionierungen zu einzelnen Kriegerdenkmälern oder zum Gesamtzusammenhang sichtbar gemacht werden. Nur in diesem ergebnisoffenen Format bleibt eine breite Nutzung der Kriegerdenkmäler durch unterschiedliche Gruppen und verschiedene historische (politische) Bildungsangebote möglich.
Für dieses Meinungsvielfalt abbildende Konzept soll das Stadtarchiv außerdem ein Stimmungsbild aus der Stadtgesellschaft einholen. Bei öffentlichen und städtischen Veranstaltungen werden Positionierungen gesammelt und die Ergebnisse ebenfalls auf der Website „Erinnern im öffentlichen Raum“ veröffentlicht.
Konsensual entwickeltes Gesamtkonzept als Ratsvorlage
Als Ergebnis der nächsten Arbeitsschritte wird den politischen Gremien der Stadt ein Handlungskonzept zur Abstimmung vorgelegt, das auf Grundlage des umfassenden Online-Portals ein Verweis- und/oder Kommentierungssystem an ausgewählten Kriegerdenkmälern empfiehlt, aber als Alternativen auch die Minderheitenmeinungen und -vorschläge abbildet.
Dieses Handlungskonzept wird das Stadtarchiv parallel zu weiteren Informationsveranstaltungen entwickeln und zur Debatte stellen.
Die Ausgangslage für ein Konzept bilden der weitere Dialog und das vom Stadtarchiv entwickelte Online-Portal. Dort sollen die unterschiedlichen Positionen sichtbar gemacht werden. Denn ein kontroverses Thema, so lautete der Konsens, muss auch kontrovers dargestellt werden.
Gezielte Intervention am Traindenkmal
Das Handlungskonzept wird in eine Ratsvorlage weiterentwickelt. Diese beinhaltet neben der Abstimmung über grundsätzliche Kommentierung auch die Frage, inwiefern das Traindenkmal aus dem Gesamtkonzept herausgehoben werden soll. Exemplarisch ließe sich wegen dessen inhaltlicher Bezüge zum kolonialen Völkermord im heutigen Namibia und wegen der eigenen rezeptionsgeschichtlichen Qualität durch die vielfältigen Proteste seit den 1980er Jahren ein individueller Umgang entwickeln. Konkrete Vorschläge aus der Diskussion am 6.6. wie einen „Outdoor-Kubus“, Kommentierungen etwa durch namibische Künstlerinnen und Künstler oder die Berücksichtigung von älteren Aktionselementen wie der AKAFRIK-Tafel sind gegebenenfalls auf einem gesonderten Termin zu diskutieren.