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Von 1864 bis 1914
Kriegerehrenmal am Mauritztor
Standort
Fürstenbergerstraße, Höhe Mauritztor in den Grünanlagen der Promenade.
Lage im Stadtplan
Initiator
Komitee unter Vorsitz des Kriegervereins Münster und mit Unterstützung der Stadt Münster. Schon im Oktober 1900 gab es einen Spendenaufruf für ein städtisches Denkmal für alle gefallenen Soldaten der Stadt, da das Denkmal "Trauernde Germania" am Ludgeritor nur für die Gefallenen des Infanterie-Regimentes Nr.13 bestimmt sei.
Gestalter
Bernhard Frydag (1879-1916)
Gestaltung
Das runde Monumental-Denkmal hat einen Umfang von 23 Metern und besteht aus grauem Muschelkalk. Auf dem Sockel steht ein nach oben angeschrägter Zylinder mit einem Durchmesser von ungefähr fünf und einer Höhe von ungefähr sechs Metern. An dem Zylinder befinden sich sechs durch Nischen getrennte Rechteckplatten. Die Platten weisen verschiedene Relief-Darstellungen mit nackten Kriegern, trauernden Frauen, Löwen, Fackeln, Kranz, Schwert und Reichsadler auf. Die Krieger etwa tragen Schwerter als Symbole der Macht, des Krieges und des Sieges. Ein mit einem Löwen streitender Krieger weist auf den Heldencharakter.
Der Gesamtkomplex sieht heute wesentlich verändert aus. Ursprünglich erhob sich das Denkmal auf einem runden, kettenumsäumten Sockel, zu dem mehrere Treppenstufen hinaufführten. Ein mit stilisierten Adlern versehener runder Abschluss bekrönte das Denkmal.
Das Denkmal ist ein durch die städtische Denkmalbehörde eingetragenes Baudenkmal.
Einweihung
19. Juli 1909
Erinnerungsmotiv
Das Kriegerehrenmal soll an sämtliche münsterische Gefallene ("Helden") der deutschen Einigungskriege von 1864, 1866 sowie 1870/71 erinnern. Es werden keine einzelnen Personen hervorgehoben. Das Denkmal soll als Appell an Einheit und Einmütigkeit verstanden werden. Die Konzeption sah es als monumentales Siegerdenkmal und als Kriegerdenkmal ohne persönliche Bezüge vor. Der Rundbau ist eine demonstrative Darstellung des nationalen Konsenses und offenbart eine heroisierende, patriotische Aussage.
Laut eingemauerter Stiftungsurkunde - veröffentlicht im Westfälischen Merkur vom 13. Juni 1909 - soll das Denkmal "hoffentlich für alle Zeiten noch erhalten die Erinnerung an die ruhmreichen Siege von 1864, 1866 und 1807/71, sowie an diejenigen Söhne Münsters, die treu und mutig jene erstritten und die geschworene Treue zu König und Vaterland mit dem Heldentode besiegelt haben."
Oberbürgermeister Max Jungeblodt sah bei der Einweihung die Aufgabe des Denkmals darin, "den Helden, die für Deutschlands Ehre kämpften und starben, im edelsten Sinne nachzueifern".
Geschichtlicher Hintergrund
Die Daten beziehen sich auf die Einigungskriege im 19. Jahrhundert: Deutsch-Dänischer Krieg 1864 (Preußen mit Österreich gegen Dänemark), Deutscher Krieg 1866 (Preußen gegen Österreich), Deutsch-Französischer Krieg 1870/71 (Preußen gegen Frankreich unter Napoleon III.). Im Ergebnis kam es nach den drei Kriegen zur Gründung des Deutschen Reiches bzw. Proklamation des Deutschen Kaiserreiches. Münster hatte als große Garnisonsstadt vor allem Truppen zu stellen und französische Kriegsgefangene aufzunehmen.
Nach der Reichsgründung beherrschte der Kulturkampf zwischen der protestantisch geprägten Reichsregierung um den Kaiser und Bismarck auf der einen und der Katholischen Kirche auf der anderen Seite die Politik in Münster. Erst die Annäherungen seit Mitte der 1890er Jahre beispielsweise anlässlich des Kaiserbesuchs in Münster 1884 entspannten die Stimmung. Fortan konnte auch in der katholisch dominierten Bischofsstadt die Erinnerung an die Einigungskriege als Gründungsmythos des Deutschen Reichs inszeniert werden. Dementsprechend ging es wenig später bei der Planung und der Einweihung eines nationalen Kriegerdenkmals weniger um die Erinnerung an die gefallenen Soldaten als vielmehr um die Stiftung einer nationalen Identität. (Vgl. Michael Bieber und Sabeth Goldmann, Kämpfen und Sterben: Deutschland, Deutschland über alles? Das Kriegerdenkmal am Mauritztor, in: Dies., Alexandra Bloch-Pfister, Sabine Kittel (Hgg.), Kriegerdenkmäler in der Friedensstadt – Münsteraner Erinnerungsorte? Münster 2018, S. 11-21, hier S. 17f.)
Öffentliche Wahrnehmung
Im Laufe der Zeit ist ein Wandel der Volksmeinung über die Gestaltung des Denkmals zu verzeichnen:
- 1911: Hermann Schmitz bezeichnet die Anlage als "treffliches" Werk
- 1914: Peter Werland spricht von dem Denkmal in einem "Führer durch Münster" als "einem der originellsten und besten Kriegerdenkmäler Deutschlands".
Die Bevölkerung nahm das Denkmal nicht sehr wohlwollend auf. Es wurde als "Mäsentempel" oder auch "Schinkendenkmal" bezeichnet, wohl vor allem wegen der als übertrieben empfundenen Darstellung zahlreicher nackter Krieger.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte ein Umbau, da das Denkmal im Krieg beschädigt worden war. Eine Hecke verhinderte nun das Niederlegen von Kränzen.
1997 verwendete der Künstler Hans Haacke das Ehrenmal innerhalb der "Skulptur-Projekte". Er installierte vor dem Ehrenmal ein Kinderkarussel und umgab das Denkmal mit einer dichten Bretterwand.
Inschrift
Zum Gedenken an die / Kriege und Siege und die / Neuerrichtung des Reiches 1864 / 1870/1871 / 1866
Quellen und Literatur
Quellen aus dem Stadtarchiv
Stadtregistratur Fach 155, Nr. 79: "Acta betr. Errichtung eines Kriegerdenkmals" Stadtverordnetenregistratur Nr. 374
Stadtverordnetenregistratur Nr. 375
Stadtchronik, S. 9, S. 25-27, S. 51f.
Dokumentation Datenbank zur Münsterischen Stadtverordneten-Versammlung, Kriegerdenkmal, 20.3.08 (Eingesandt) [SF 29, v. Nr. 5646]
Zeitungsausschnittsammlung Nr. 79
Zeitungsartikel
Westfälischer Merkur 13.6.1909
Münsterischer Anzeiger, 20.7.1909
Münsterischer Anzeiger, 15.7.1923
Münstersche Zeitung, 15.12.1955
Westfälische Nachrichten, 10.11.1952
Westfälische Nachrichten, 19.1.1952
Westfälische Nachrichten, 6.5.1964
Münstersche Zeitung, 7.2.1970
Westfälische Nachrichten, 7.5.1992
Westfälische Nachrichten, 24.3.1994
Westfälische Nachrichten, 1.7.1999 "Kriegerdenkmal wird restauriert"
Westfälische Nachrichten, 24.4.1999 "'Schinkendenkmal" erinnert an Theoderichgrab"
Münstersche Zeitung, 2.6.2006
Auf Roter Erde 10/2012
Literatur
- Ursula Uber, Freiplastiken in Münster, Münster 1977, S. 15 u. 85
- Georg Dehio, Handbuch der Kunstdenkmäler NRW, 2. Bd. Westfalen, 1969, S. 394
- Bildheft 'Ehrenmale zum Gedenken der Kriegsopfer', hrsg. von der Top Bttr. 101 Münster im Nov. 1965
- Barbara Klössel, Moderne Kunst in Münster, Münster 1986
- Martin Papenheim, Trauer und Propaganda - eine Fallstudie zu Aussagen und Funktion von Kriegerdenkmälern. In: Franz-Josef Jakobi (Hg.), Stadtgesellschaft im Wandel. Untersuchungen zur Sozialgeschichte Münster im 19. und 20. Jahrhundert, Münster 1995, S. 421-481, S. 441ff.
- Kerngruppe 10.2 Friedensschule Münster, "... bereit, zu leiden und zu sterben ...?" Krieger denk-mal (nach)!, [Münster], [1993] (Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte 1992/93, Denkmal: Erinnerung, Mahnung, Ärgernis), [Signatur: 4 SAB 116]
- Markus Schmitz, Kriegerdenkmäler, Mahn- und Ehrenmale in Münster - Vorstudie zum Wettbewerbsthema 1992/93 'Denkmäler - Erinnnerte und vergessene Geschichte vor Ort, Münster 1994
- Michael Bieber, Sabeth Goldemann, Kämpfen und Sterben: Deutschland, Deutschland über alles? Das Kriegerdenkmal am Mauritztor, in: Michael Bieber u.a. (Hrsg.), Kriegerdenkmäler in der Friedensstadt. Münsteraner Erinnerungsorte?, Münster 2018, S. 11-21.