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Bogenstraße 2
Überraschendes hinter klassizistischer Fassade
Der münstertypische Arkadengang und das Wechselspiel der unverputzten Backsteinfassade mit werksteingerahmten Fenstern kennzeichnen die Fassade an der Bogenstraße eindeutig als nicht kriegszerstört.
Die Proportionen der Fenster, das obere Mezzaningeschoss (niedriges Zwischengeschoss) und der ungewöhnliche Giebelaufsatz sprechen die Architektursprache des Spätklassizismus. Eine Datierung im oberen Giebelbereich belegt die Bauzeit 1814.
Bausubstanz aus der Vorkriegszeit ist in der Altstadt nicht selbstverständlich. Und noch ungewöhnlicher und beeindruckender sind die Funde hinter der Fassade. Die in den Jahren 2022/2023 durchgeführte Sanierung hat hier einiges Überraschendes zu Tage befördert.
Die erste Überraschung: Hinter der steinernen Fassade befindet sich ein Fachwerkgerüst (vermutlich aus dem 18. Jahrhundert), das denkmalpflegerisch sensibel in dem statisch dringend erforderlichen Maße instandgesetzt wurde. Dabei wurden die alten Lehmwickel zwischen den Deckenbalken möglichst erhalten. Wickel sind ein hervorragender Speicher für Wärme und Kälte und absorbieren Schall.
Die zweite Überraschung: Spannend sind die vielen farblichen Schattierungen, die sich nach der Abnahme der Tapeten sich darstellenden Wandoberflächen zeigten.
Nach ergänzenden, vorsichtigen Freilegungen durch einen Restaurator hat man nun eine Vorstellung, wie sich die Bewohner zu Beginn des 19. Jahrhundert eingerichtet haben, welche Farben en vogue waren.
Die Wandfarben und Wandgestaltungen in leuchtendem Türkis, Blau und Grün stammen aus dem Jahr 1814. Vermutlich eine Kaufmannsfamilie hat sich zeittypisch in kräftigen Farben ihre Wohnräume gestaltet.
Im unteren Wandbereich dominiert häufig eine dunkle, braune Farbe mit aufgemalten Kassetten. Dieses stellt ein Lambris (Verkleidung im unteren Wandbereich) als aufgemalte Holzvertäfelung dar, die dem Anfang des 20. Jahrhundert zuzuordnen ist.
Die Entdeckungen zeigen eindrucksvoll, dass ein Denkmal nie etwas Statisches ist: Jeder Nutzer hat seine Spuren hinterlassen. Dieses wird in der Detailansicht der Sondage deutlich. Jede Nummer spricht für eine eigene Zeitschicht. So stellt sich die Befundsituation dar, wenn der Restaurator sorgfältig die unterschiedlichen Schichtungen freigelegt hat.
Die Funde sind wie ein Fenster in die Vergangenheit und erlauben eine Vorstellung davon, wie in Münsters Innenstadt vor über 200 Jahren gelebt wurde. Ein seltener Einblick in Münster. Bald soll an der Bogenstraße 2 neues zeitgemäßes Wohnen möglich sein – vorher werden unter Berücksichtigung konservatorischer Aspekte die Funde gesichert. Dafür arbeiten Eigentümer, Architektin, Restaurator und städtische Denkmalbehörde (gemeinsam mit der LWL-Denkmalpflege als beratendes Fachamt) Hand in Hand zusammen.